Die Antragstellung nach § 16 SGB I
Die Rechtsvorschrift des § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) regelt die Antragstellung.
Nach § 19 SGB IV (Viertes Buch Sozialgesetzbuch) werden die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Sozialen Pflegeversicherung, der Gesetzlichen Rentenversicherung und die Leistungen nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt.
Mit § 16 SGB I wird konkret geregelt, bei welchem Leistungsträger die Anträge auf Sozialleistungen zu stellen sind bzw. bei welchen Stellen diese auch gestellt werden können. Zudem wird geregelt, was mit Anträgen erfolgen muss, welche bei einer unzuständigen Stelle gestellt werden.
Als Antrag im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gilt jede Erklärung, mit der Sozialleistungen begehrt werden.
Antragstellung beim zuständigen Leistungsträger
Die Anträge auf Sozialleistungen sind nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB I beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Antrag auf Pflegeleistungen bei der zuständigen Pflegekasse oder ein Antrag auf eine Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen ist.
Wird eine Leistung von der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) begehrt, kommt als Versicherungsträger die Deutsche Rentenversicherung Bund, ein Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn See (Deutsche Rentenversicherung KBS) in Betracht. Die Anträge auf Leistungen von der GRV können allerdings auch bei einer Auskunfts- oder Beratungsstelle, bei einem Versichertenältesten, der im Auftrag der Rentenkasse teilweise Aufgaben wahrnimmt und beim Prüfbeauftragten gestellt werden.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I werden die Anträge auch von allen anderen Leistungsträgern und von allen Gemeinden entgegengenommen. Bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, werden die Anträge auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.
Das bedeutet, dass auch weitere Stellen bzw. Leistungsträger berechtigt bzw. sogar verpflichtet sind, Anträge entgegenzunehmen, für die sie nicht zuständig sind. Dies können unter anderem alle gesetzlichen Krankenkassen (z. B. AOK, Ersatzkassen, Innungskrankenkassen, Betriebskrankenkassen), die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung sein.
Die Antragstellung kann auch – sofern sie nicht beim zuständigen Leistungsträger erfolgt – bei einer Gemeinde erfolgen. Als Gemeinde kommen alle kommunalen Gemeinden in Frage. Hierzu gehören die kreisfreien Städte und die kreisangehörigen Gemeinden. Zu den Gemeinden gehören auch Institutionen, die von der Gemeinde auf öffentlich-rechtlicher Basis betrieben werden. Als Beispiel kann hier ein Krankenhaus genannt werden, welches eine Stadt bzw. eine Gemeinde (nicht jedoch eine kirchliche Gemeinde) betreibt.
Amtliche Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland können ebenfalls Leistungsanträge rechtliche wirksam von Personen entgegennehmen, die sich im Ausland aufhalten. Zu diesen Personen gehören bereits Personen, die sich vorübergehend bzw. kurzfristige (z. B. aufgrund eines Urlaubs) im Ausland befinden. Zu den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehören die Botschaften, Gesandtschaften, Konsulate, Handelsvertretungen und amtliche deutsche Vertretungen bei internationalen Gemeinschaften.
Ebenfalls kann ein Antrag bei einer Behörde innerhalb der EU-/EWR-Staaten oder bei einer Behörde in einem Staat, mit dem ein Sozialversicherungsabkommen besteht, rechtswirksam entgegengenommen werden.
Neben den genannten Stellen können Anträge auch von Servicestellen nach § 23 SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) entgegengenommen bzw. aufgenommen werden. Die Servicestellen wurden mit der Einführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch eingerichtet.
Pflichten des unzuständigen Leistungsträgers
Wird ein Antrag bei einem unzuständigen Leistungsträger eingereicht, verpflichtet § 16 Abs. 2 SGB I den unzuständigen Leistungsträger zur unverzüglichen Weiterleitung des Antrags an den zuständigen Leistungsträger. Diese Verpflichtung besteht auch für die Gemeinden und amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.
Die Verpflichtung zur Weiterleitung eines Antrags an den zuständigen Leistungsträger besteht auch für die kommunalen Gemeinden (und den Institutionen, die von der Gemeinde betrieben werden) und den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.
Ebenfalls besteht die Verpflichtung zur Weiterleitung eines Antrags an den zuständigen Leistungsträger, wenn der Antrag unvollständig ist.
Der unzuständige Leistungsträger, die Gemeinde bzw. amtliche Vertretung der BRD im Ausland ist verpflichtet, den zuständigen Leistungsträger zu ermitteln.
Sollte ein Leistungsträger einen Antrag, der bei einer unzuständigen Stelle eingegangen ist, nicht an den zuständigen, sondern an einen unzuständigen Leistungsträger weitergeleiten, besteht auch für diesen (zweiten unzuständigen Leistungsträger) die Verpflichtung zur Weiterleitung an den zuständigen Leistungsträger.
Zeitpunkt der Antragstellung
Oftmals ist der Leistungsbeginn vom Datum der Antragstellung abhängig (z. B. beim Beginn einer Rente aus der GRV oder beim Beginn von Pflegeleistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung). Aber auch die Verzinsung oder die Beurteilung einer Verjährung von Sozialleistungen ist von der konkreten Antragstellung abhängig.
Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I gilt ein Antrag, der bei einer Stelle, die zur Entgegennahme von Anträgen (nach § 16 Abs. 1 SGB I, s. oben) berechtigt bzw. verpflichtet ist, als zu dem Zeitpunkt gestellt, zu dem er bei der unzuständigen Stelle eingegangen ist.
Beispiel:
Ein Versicherter stellt einen Antrag auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI bei einer Krankenkasse, bei der er nicht versichert ist. Der Antrag wird am 15.01. gestellt.
Die unzuständige Krankenkasse leitet den Pflegeantrag am 05.02. an die zuständige Pflegekasse weiter.
Konsequenz:
Obwohl der Pflegeantrag bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt wurde, wurde dieser rechtskräftig am 15.01. gestellt. Der Beginn der Pflegeleistungen richtet sich daher nach dem Antragsdatum 15.01.
Dass die unzuständige Krankenkasse den Antrag erst am 05.02. nach § 16 Abs. 2 SGB I weitergeleitet hat, ist für das maßgebende Datum der Antragstellung (15.01.) ohne Bedeutung. S. hierzu auch: Pflegebedürftigkeit | Leistungsbeginn).
Hinwirkungspflichten durch Leistungsträger
Die Leistungsträger sind nach § 16 Abs. 3 SGB I verpflichtet darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt werden und unvollständige Angaben ergänzt werden.
Mit dieser gesetzlichen Regelung möchte der Gesetzgeber vermeiden, dass es aus Unkenntnis, Unbeholfenheit oder Unerfahrenheit des Antragstellers in Bezug auf den Umgang mit Behörden daran scheitert, die verfolgten Rechten nicht umsetzen bzw. verwirklichen zu können.
Dass unvollständige Angaben ergänzt werden, stellen in der Praxis die Leistungsträger im Regelfall in der Art und Weise sicher, dass für die einzelnen Leistungen Antragsvordrucke bereitgehalten werden. Mit diesen Antragsvordrucken werden die erforderlichen Daten abgefragt, welche für die Beurteilung der einzelnen Leistungen erforderlich sind.
Sollten im Rahmen eines Antragsverfahrens maßgebliche Fragen nicht beantwortet werden, muss seitens des Leistungsträgers beim Antragsteller konkret nachgefragt und die erforderlichen Informationen eingeholt werden.
Bildnachweis: © marchmeena | Bigstock
Weitere Artikel zum Thema: