Der Möglichkeit auf Sozialleistungen zu verzichten | § 46 SGB I

Mit § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wird in der Sozialversicherung die Möglichkeit geschaffen, auf Sozialleistungen zu verzichten. Der Verzicht auf Sozialleistungen muss schriftlich erklärt werden und kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

Allgemeines zur Rechtsvorschrift des § 46 SGB I

Die Rechtsvorschrift des § 46 SGB I ist bereits zum 01.01.1976 in Kraft getreten. In den neuen Bundesländern (Beitrittsgebiet) ist die Rechtvorschrift seit dem 01.01.1991 in Kraft.

Durch den Verzicht auf Sozialleistung erlischt für den Berechtigten auf die Sozialleistung der Anspruch auf Erfüllung.

Bei einem Verzicht auf Sozialleistungen handelt es sich um einen einseitigen Verzicht, den ein Berechtigter auf die ihm zustehenden Sozialleistungen aussprechen kann.

Ein Verzicht kann bei Dauerleistungen, also regelmäßig wiederholende Einzelansprüche, immer nur auf die Einzelansprüche von Sozialleistungen ausgesprochen werden. Ein Verzicht auf das Stammrecht hingegen ist nicht möglich. Bei den Einzelansprüchen handelt es sich im Regelfall um die monatlich wiederkehrenden Ansprüche auf Leistungsgewährung, während das Stammrecht aufgrund objektiver Gegebenheiten besteht bzw. entsteht.

Bei einmaligen Leistungen erlischt durch den Verzicht der Anspruch vollständig. Der Anspruch kann bei einmaligen Leistungen auch nicht mehr durch eine neue Antragstellung erneut begründet werden. Das heißt, dass durch eine erneute Antragstellung die Verzichtserklärung nicht eliminiert werden kann.

Schriftliche Erklärung erforderlich

Möchte ein Sozialleistungsberechtigter auf Sozialleistungen verzichten, muss dies nach § 46 Abs. 1 SGB I gegenüber dem Leistungsträger schriftlich erklärt werden. Das heißt, dass eine mündliche Verzichtserklärung nicht ausreichend ist. Rechtlich handelt es sich bei der Verzichtserklärung nach § 46 SGB I um eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Verzichtserklärung kommt damit dann zustande, sobald der Berechtigte den Verzicht erklärt und diese schriftliche Erklärung dem zuständigen Leistungsträger zugeht.

Wird ein Verzicht auf Sozialleistungen rechtskräftig erklärt, wird der zuständige Sozialleistungsträger die Gewährung von Leistungen einstellen bzw. die Gewährung erst gar nicht aufnehmen. Der Verzicht wird grundsätzlich mit Ablauf des Monats wirksam, in dem er erklärt wird. Es kann jedoch durchaus auch ein späterer Zeitpunkt vom Sozialleistungsberechtigten bestimmt werden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.07.2003, Az. B 4 RA 13/03 R kann auf Ansprüche auf Sozialleistungen, welche in der Vergangenheit entstanden sind, ebenfalls verzichtet werden, wenn diese noch nicht erfüllt bzw. geleistet wurden.

Wird ein Verzicht rechtskräftig erklärt, kann dieser Verzicht jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Ein Widerruf für die Vergangenheit ist daher nicht mehr möglich. In welcher Form der Verzicht widerrufen werden kann bzw. muss, wird in § 46 SGB I nicht näher definiert. Jedoch sollte der Widerruf – und dies wird der betroffene Sozialleistungsträger schon aus Gründen des Beweises auch einfordern – wie auch der Verzicht selbst schriftlich erfolgen. Ein Widerruf auf den Verzicht wird ebenfalls mit Wirkung für die Zukunft gültig. Das heißt, dass der Widerruf des Verzichts zum Ende des Monats, in dem dieser den Sozialleistungsträger erreicht, wirksam wird.

Wird ein Verzicht erklärt, sollten sich die Betroffenen auch über mögliche Folgen, welche sich auf andere Sozialversicherungsbereiche auswirken können, bewusst sein. Wird beispielsweise ein vollständiger Verzicht auf eine Rentenzahlung (Einzelanspruch) erklärt, wird auch die Versicherungspflicht in der „Krankenversicherung der Rentner“ (KVdR) und auch in der Sozialen Pflegeversicherung nicht mehr gegeben sein.

Andere Personen/Leistungsträger dürfen nicht belastet werden

Eine Einschränkung, wann ein Sozialleistungsberechtigter nicht auf Sozialleistungen verzichten kann, enthält § 46 Abs. 2 SGB I. Nach dieser gesetzlichen Regelung ist ein Verzicht dann unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

Diese gesetzliche Einschränkung, auf Sozialleistungen verzichten zu können, wurde zum Schutz von bestimmten Personen bzw. von anderen Sozialleistungsträgern eingeführt. Damit wird verhindert, dass durch eine Verzichtserklärung andere Personen bzw. Sozialleistungsträger unterhaltspflichtig oder leistungspflichtig werden würden (vgl. BT-Drs. 7/868 S. 31).

Ob eine Verzichtserklärung unwirksam im Sinne des § 46 Abs. 2 SGB I ist, muss der betroffene Sozialleistungsträger, gegenüber dem der Verzicht erklärt wird, von Amts wegen prüfen.

Ein klassisches Beispiel, dass eine Verzichtserklärung unwirksam im Sinne des § 46 Abs. 2 SGB I ist, ist ein Verzicht auf einen Krankengeldanspruch oder auf eine Rentenleistung, wenn stattdessen das Jobcenter Bürgergeld leisten müsste. Gleiches gilt bei einem Verzicht auf Krankengeld oder eine Rentenleistung, wenn dadurch der Betroffene zu leistende Unterhaltsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Ein weiteres Beispiel, wann eine Verzichtserklärung unwirksam ist, ist der Verzicht auf Rentenleistungen, wenn dadurch ein anderer Sozialleistungsträger keinen Erstattungsanspruch (nach § 103 SGB X) mehr geltend machen könnte.

Es kann auch nicht auf einzelne Berechnungselemente innerhalb einer Rentenberechnung verzichtet werden, wenn sich hierdurch eine höhere Rente ergeben würde.

Bei Hinterbliebenenrenten (Waisenrenten, Witwen-/Witwerrenten) kann stets nur der Hinterbliebene auf die Rentenleistung verzichten. Der Versicherte selbst kann keinen Verzicht erklären, dass im Falle des Todes die Hinterbliebenen keine Hinterbliebenenrenten erhalten.

Handlungsfähigkeit muss gegeben sein

Damit ein Verzicht auf Sozialleistungen erklärt werden kann, muss der betroffene Leistungsberechtigte handlungsfähig im Sinne des § 36 SGB I sein. Grundsätzlich besteht im Sozialversicherungsrecht die Handlungsfähigkeit ab dem vollendeten 15. Lebensjahr. In Bezug auf den Verzicht auf Sozialleistungen enthält allerdings § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB I eine Einschränkung dahingehend, dass in diesen Fällen stets der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung erteilen muss. Ein Anspruchsberechtigter auf Sozialleistungen kann damit erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr eigenständig auf Sozialleistungen verzichten.

Ein Verzicht auf die Sozialleistungen ist auch dann nicht möglich, wenn der Betroffene nicht voll geschäftsfähig ist.

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