Das Verbot nachteiliger Vereinbarungen nach § 32 SGB I

Mit § 32 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wird geregelt, dass privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuchs abweisen nichtig sind.

Allgemeines zur Rechtsvorschrift

Die Rechtsvorschrift des § 32 SGB I befindet sich im dritten Abschnitt des Ersten Buches Sozialgesetzbuch. Dieser Abschnitt enthält die Rechtsvorschriften, welche die „Gemeinsamen Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche“ regeln. Das bedeutet, dass das Verbot von nachteiligen Vereinbarungen für alle Bereiche der Sozialversicherung bzw. für das gesamte Sozialversicherungsrecht gilt.

Der § 32 SGB I wurde bereits zum 01.01.1976 in das Erste Buch Sozialgesetzbuch aufgenommen. Für den Rechtskreis Ost – also für die neuen Bundesländer – gilt der § 32 SGB I seit dem 01.01.1991.

Die Vorgänger-Rechtvorschrift zum § 32 SGB I war der § 139 Reichsversicherungsordnung (RVO), wenngleich diese Rechtsvorschrift nur in einer abgeschwächten Form Wirkung hatte. Nach § 139 RVO wurde nämliche „nur“ eine Übereinkunft oder Arbeitsordnung zwischen Arbeitgebern und Angestellten untersagt, welche die Vorschriften der RVO vollständig oder nur teilweise ausschließen.

Durch die Rechtsvorschrift des § 32 SGB I wird die Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergänzt bzw. für das Sozialversicherungsrecht konkretisiert, dass Rechtsgeschäfte nichtig sind, wenn diese gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen (§ 134 BGB).

Inhalt der Rechtvorschrift

Durch die Rechtsvorschrift des § 32 SGB I wird gesetzlich angeordnet, dass Vereinbarungen, durch die Rechte oder Pflichten durch Vertragsbestimmungen zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten getroffen werden, nichtig sind. Damit soll erreicht werden, dass es zu keiner Beeinträchtigung im sozialen Schutz dieser Personen kommt bzw. kommen kann. Ob ein Sozialleistungsanspruch bereits entstanden ist oder nicht, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Kommt es zu einer Nichtigkeit einer Vereinbarung nach § 32 SGB I, wirkt diese Nichtigkeit vollumfänglich für und gegen alle. Wird beispielsweise zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber eine Vereinbarung getroffen, welche nach § 32 SGB I nichtig ist, wirkt diese Nichtigkeit nicht nur gegen den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber, sondern auch gegen den Sozialversicherungsträger (z. B. gegen die Krankenkasse oder den Rentenversicherungsträger). Für den Sozialversicherungsträger wäre eine solche Vereinbarung damit so gestellt, als wäre diese nicht getroffen worden.

Beispiel:

Ein Arbeitgeber vereinbart mit seinem Arbeitnehmer, dass eine nach den gesetzlichen Vorschriften sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht als eine solche angesehen wird und damit keine Meldungen erstellt und auch keine Beiträge abgeführt werden.

Da der Versicherungsschutz – auch wenn dies mit einer Beitragszahlung verbunden ist – von Vorteil für die Betroffenen angesehen wird, ist die getroffene Vereinbarung nach § 32 SGB I nichtig.

Privatrechtliche Vereinbarungen im Sinne von § 32 SGB I

Der § 32 SGB I bezieht sich auf „privatrechtliche Vereinbarungen“, welche nichtig sind, wenn sie zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten getroffen werden. Bei diesen privatrechtlichen Vereinbarungen handelt es sich um Vereinbarungen, Absprachen und Übereinkünfte, welche auf Basis des Zivilrechts getroffen werden. Die Form der privatrechtlichen Vereinbarung ist in diesem Zusammenhang irrelevant. So kann die privatrechtliche Vereinbarung einerseits in Schriftform, andererseits aber auch mündlich oder in einem bestimmten Handeln geschlossen werden, welche nach § 32 SGB I stets nur Nichtigkeit führt. Auch eine stillschweigende Verabredung führt zur Nichtigkeit.

Bei den privatrechtlichen Vereinbarungen im Sinne des § 32 SGB I handelt es sich nicht nur um Einzelvereinbarungen bzw. Einzelabsprachen. Auch Kollektivverträge bzw. kollektivrechtliche Vereinbarungen wie Betriebsvereinbarungen oder auch Tarifverträge sind nichtig, wenn diese zu Nachteilen von einen oder mehreren Sozialleistungsberechtigten führen würden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.10.1990, Az. 12 RK 40/89 sind auch gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche in zivilrechtlichen und arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 32 SGB I nichtig, wenn diese für einen Sozialleistungsberechtigten nachteilig sind.

Dadurch, dass § 32 SGB I ausschließlich privatrechtliche Vereinbarungen nennt, sind öffentlich-rechtliche Verträge von dieser Rechtsvorschrift nicht betroffen.

Der Sozialleistungsberechtigte

Die Rechtsvorschrift spricht nicht von Mitgliedern oder Versicherten, sondern von Sozialleistungsberechtigten, die keine privatrechtlichen Vereinbarungen abschließen sollen bzw. die bei Abschluss nichtig sind. Damit werden alle Bürger erfasst, die Rechte und Pflicht im System der Sozialversicherung haben. Diesbezüglich muss für einen Sozialleistungsberechtigten nicht schon ein Sozialleistungsanspruch entstanden sein. Es genügt, wenn der Sozialleistungsberechtigte zu diesem anspruchsberechtigten Personenkreis gehört oder auch erst künftig diesem Personenkreis angehören wird.

Die Vereinbarungen „zum Nachteil“ des Sozialleistungsberechtigten

Es werden nur Vereinbarungen nach § 32 SGB I als nichtig betrachtet, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten abgeschlossen werden. Sofern eine Vereinbarung dem Sozialleistungsberechtigten (ausschließlich) einen Vorteil bietet, führen diese nicht zur Nichtigkeit. Ein Nachteil liegt für einen Sozialleistungsberechtigten vor, wenn die Rechtsposition zu seinen Ungunsten verändert wird. Der Nachteil kann sich sowohl in vermögensrechtlicher Sicht als auch in ideeller Natur ergeben.

Beispiel:

Als Beispiel einer nicht zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten führenden Vereinbarung wäre zu nennen, wenn ein Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis einen höheren Beitragsanteil bei den Sozialversicherungsbeiträgen als den gesetzlich vorgeschriebenen übernehmen würde.

Sollte eine Vereinbarung sowohl Vor- als auch Nachteile für den Sozialleistungsberechtigten ergeben, ist der Teil nichtig, der zu Nachteilen führt. Insofern ist dann die Vereinbarung teilnichtig.

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