Die Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I

Mit § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) gelten im Sozialversicherungsrecht besondere Regelungen, wer fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Leistungsberechtigten erhalten kann. Diese Sonderregelung gilt in Abweichung der erbrechtlichen Regelungen, welche das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorsieht. Diese besondere Regelung, welche § 56 SGB I beschreibt, heißt „Sonderrechtsnachfolge“.

Die laufenden Geldleistungen gehen nach dem Tod eines Leistungsberechtigten nach § 56 SGB I auf die sogenannten Sonderrechtsnachfolger über, sofern dies nicht nach § 59 Satz 2 SGB I ausgeschlossen ist.

Allgemeines zur Sonderrechtsnachfolge

Die Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I tritt aufgrund des Todes eines Leistungsberechtigten ein. Diese hat die gleichen Auswirkungen bzw. die gleiche „Qualität“ wie die im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Erbenregelung.

Die Sonderrechtsnachfolger können die Leistungsansprüche nach dem Tod des Leistungsberechtigten geltend machen, wie diese dem verstorbenen Versicherten zustanden. Der mittels Sonderrechtsnachfolge übergegangene Leistungsanspruch wird vom Nachlass des Verstorbenen nicht erfasst. Mit Urteil vom 13.09.1994, Az. 5 R7 44/93 hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass in allen Fällen, in denen bei rückständigen Ansprüchen eine Sonderrechtsnachfolge besteht, die Nachlassgläubiger mit ihren allein gegen den Erben gerichteten Forderungen insoweit leer ausgehen.

Sollte ein Sonderrechtsnachfolge auch Erbe sein, verdrängen im Rahmen des § 56 SGB I übergegangenen Leistungsansprüche die erbrechtlichen Ansprüche. Das Landessozialgericht Saarland hat mit Urteil vom 15.03.2001, Az. L 4 KN 4/00 P ausgeführt, dass bei Ausschlagung des Erbes dadurch nicht auch die Ansprüche aus der Sonderrechtsnachfolge ausgeschlagen werden.

Rangfolge der Berechtigten

§ 56 Abs. 1 SGB I regelt die Rangfolge, in der fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen auf den bzw. die Berechtigten übergehen. Nach dieser Rechtsvorschrift wird folgende Rangfolge bestimmt:

  1. Ehegatte
  2. Lebenspartner
  3. Kinder
  4. Eltern
  5. Haushaltsführer

Nachdem es sich bei der Aufzählung in § 56 Abs. 1 SGB I um eine Rangfolge handelt, schließt der vorrangig genannte Personenkreis – sofern dieser vorhanden ist – den bzw. die jeweils nachfolgenden in der Sonderrechtsnachfolge aus.

Bei allen o. g. Personenkreise ist Voraussetzung, dass diese mit dem Berechtigten zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind.

Sofern mehrere Personen einer Gruppe vorhanden sind, stehen die Ansprüche diesen zu gleichen Teilen zu.

Die Personenkreise nach § 56 Abs. 1 SGB I

Folgend sind die Personenkreise, welche als Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 Abs. 1 SGB I in Frage kommen, näher definiert.

Ehegatte

Als Ehegatte im Sinne des § 56 SGB I gilt die Person, die mit dem Leistungsberechtigten zum Zeitpunkt des Todes rechtsgültig verheiratet war. Dies bedeutet, dass geschiedene Ehegatten und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sonderrechtsnachfolge ausgeschlossen sind.

Lebenspartner

Neben den Ehegatten gelten seit dem 01.08.2001 auch Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetztes (LPartG) als Sonderrechtsnachfolger. Voraussetzung hierfür ist, dass zum Zeitpunkt des Todes mit dem Leistungsberechtigten eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestand.

Kinder

Als Kinder im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB I kommen in erster Linie die leiblichen Kinder des Leistungsberechtigten in Betracht. Bei den leiblichen Kindern wird keine Differenzierung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern vorgenommen. Als leibliche Kinder einer Mutter gelten die Kinder, welche von ihr geboren wurden (§ 1593 BGB). Als leibliche Kinder eines Vaters gelten die Kinder, welche von seiner Ehefrau geboren wurden, welche von ihm anerkannt wurden oder für die die Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.

Auch Adoptivkinder gelten als Kinder im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Adoptivkinder sind Kinder, mit denen durch Vertrag die Annahme als Kind begründet wird. Durch die Adoption erhält ein Kind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes.

Neben den leiblichen Kindern kommen nach § 56 Abs. 2 SGB I noch weitere Kinder in Betracht. In dieser Rechtsvorschrift werden die

  • Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen wurden,
  • Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind) und die
  • Geschwister des Leistungsberechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen wurden,

genannt.

Damit gelten auch Stiefkinder als Kinder im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB I. Stiefkinder wurden mit den gesetzlichen Vorschriften nicht definiert. Jedoch werden als Stiefkinder die Kinder erfasst, die in die Ehe eingebracht wurden, von dem einbringenden Ehegatten stammen, aber nicht von dem anderen Ehegatten. Wird die Ehe später aufgelöst, bleibt der Status „Stiefkind“ dennoch weiterhin erhalten.

Bei den Pflegekindern handelt es sich um Personen, die in den Haushalt des Leistungsberechtigten aufgenommen wurden und auch mit ihm durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis wie Kinder mit Eltern verbunden sind. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.04.2004, Az. B 2 U 12/03 R setzt ein Pflegekindschaftsverhältnis voraus, dass die Beziehung des Kindes zu den leiblichen Eltern gelöst wurde. Kinder, die mit einem leiblichen Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, kommen damit nicht als Pflegekinder in Betracht. Sollten gelegentliche Besuche der leiblichen Eltern erfolgen oder Unterhalt von den leiblichen Eltern gezahlt werden, spricht dies nach Auffassung des Bundessozialgerichts (SozR 3-1200 § 56 Nr. 3,5) nicht gegen das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses.

Geschwister gelten ebenfalls als „Kinder“ im Sinne der Sonderrechtsnachfolge, wenn diese in den Haushalt des Leistungsberechtigten aufgenommen wurden. Damit werden nach den gesetzlichen Vorschriften die Geschwister des Verstorbenen den Kindern gleichgestellt, sofern eine Aufnahme in den Haushalt erfolgt ist. Auch Halb- und Stiefgeschwister gelten als Geschwister. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes, dass Geschwister mit den Kindern gleichgestellt werden, wird verlangt, dass der Leistungsberechtigte den Geschwistern gegenüber eine Elternersatzrolle eingenommen hat. Hauptsächlich ist dies bei behinderten oder auch deutlich jüngeren Geschwistern gegeben (vgl. hierzu auch Groth, juris—IG zu § 56 SGB I, Rd-Nr. 39).

Eltern

Als Eltern kommen die leiblichen Eltern des Leistungsberechtigten in Betracht. Aber auch Adoptivelter, Stiefeltern, Pflegeeltern und Verwandte in der gerade aufsteigenden Linie (Großeltern und Urgroßeltern) kommen als Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 3 SGB I in Betracht.

Haushaltsführer

Als letzte Möglichkeit, wenn weder Ehegatten/Lebenspartner, Kinder noch Eltern vorhanden sind, werden die Haushaltsführer als Sonderrechtsnachfolger des Leistungsberechtigten erfasst. Die „Haushaltsführer“ werden in § 56 Abs. 4 SGB I definiert. Hierbei handelt es sich um denjenigen Verwandten oder Verschwägerten, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat. Zudem muss der Leistungsberechtigte vom Haushaltsführer überwiegend unterhalten worden sein.

Der Haushaltsführer hat den Leistungsberechtigten dann überwiegend unterhalten, wenn der Unterhalt des Leistungsberechtigten zu mehr als die Hälfte getragen wurde.

Haushaltsführer, die mit dem Berechtigten weder verwandt noch verschwägert sind, scheiden als Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 SGB I aus.

Eine Lebensgefährtin bzw. ein Lebensgefährte ist weder verwandt noch verschwägert, sodass diese als Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 Abs. 4 SGB I ausscheiden.

Gemeinsamer Haushalt oder wesentlicher Unterhalt

Ist eine Person vorhanden, die zum Personenkreis nach § 56 Abs. 1 SGB I (Ehegatten/Lebenspartner, Kinder, Eltern, Haushaltsführer) zählt, ist zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Sonderrechtsnachfolge, dass ein gemeinsamer Haushalt bestand oder ein wesentlicher Unterhalt geleistet wurde.

Ein gemeinsamer Haushalt liegt dann vor, wenn ein gemeinsamer Wohnsitz oder gemeinsame Lebens- und Wirtschaftsführung in gemeinsamen Räumen gegeben war. Die Nachweisführung des gemeinsamen Haushalts wird durch eine Meldebestätigung des Einwohnermeldeamtes erbracht.

Bestand kein gemeinsamer Haushalt, ist die Sonderrechtsnachfolge dennoch möglich, wenn seitens des Leistungsberechtigten ein wesentlicher Unterhalt geleistet wurde. Ein wesentlicher Unterhalt wurde dann geleistet, wenn der Ausfall die bisherige Lebensführung des Angehörigen gefährden würde. Hierzu sind die Gegebenheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein überwiegender Unterhalt wird durch die gesetzlichen Vorschriften nicht gefordert. In der Praxis können Unterhaltszahlungen als wesentlich betrachtet werden, wenn diese mindestens in Höhe von 25 Prozent des Bedarfs erfolgt sind.

Laufende Geldleistungen

Es werden „nur“ die laufenden Geldleistungen von der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I erfasst. Zu den laufenden Geldleistungen zählen unter anderem Rentenzahlungen, Pflegegeldzahlungen, laufende Zahlungen der Sozialhilfe, Krankengeldzahlungen, Zahlungen von Übergangsgeld und Verletztengeld und Zuschüsse zur Krankenversicherung (nach § 106 SGB VI).

Einmalige Geldleistungen, wie z. B. das Sterbegeld aus der Gesetzlichen Unfallversicherung, Abfindungen von Witwen- und Witwerrenten (nach § 107 SGB IV) oder auch Beitragserstattungen (nach § 210 SGB VI) werden nicht von der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I erfasst. Für die einmaligen Geldleistungen kommen daher nur die Vorschriften des Erbrechts nach dem BGB in Betracht.

Hinweis: Mit § 59 SGB I wird geregelt, dass die Ansprüche auf Geld- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. In die Sonderrechtsnachfolge können aufgrund der Bestimmungen in § 56 SGB I nur die laufenden, nicht die einmaligen Geldleistungen fallen.

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