Die Ersatzzeiten im Rentenrecht

Die Ersatzzeiten sind im Rentenrecht eine besondere Art von rentenrechtlichen Zeiten. Ersatzzeiten sollen bei Versicherten rentenrechtliche Lücken schließen, wenn diese aufgrund außergewöhnlicher Umstände und politischen Ereignissen, die sie nicht zu vertreten haben, keine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben bzw. keine freiwilligen Beiträge entrichten konnten. Zusammenfassend dargestellt handelt es sich bei Ersatzzeiten um rentenrechtliche Zeiten, die Beitragszeiten ersetzen und rentenversicherungsrechtliche Nachteile ausgleichen sollen. Für die Ersatzzeiten entrichten die Betroffenen keine Beiträge.

Als Ersatzzeiten können entsprechend § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – nur Zeiten anerkannt werden, welche vor dem 01.01.1992 liegen. Zudem können Ersatzzeiten einem Versicherten frühestens mit Vollendung des 14. Lebensjahres zugesprochen werden. Dadurch, dass § 250 SGB VI von „Versicherten“ spricht, wird verdeutlicht, dass Ersatzzeiten nur dann berücksichtigt werden können, wenn mindestens ein (Pflicht- oder freiwilliger) Beitrag zur Gesetzlichen Rentenversicherung rechtswirksam entrichtet wurde oder Entgeltpunkte aus einem Versorgungsausgleich, aus einem Rentensplitting oder aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob) dem Rentenversicherungskonto gutgeschrieben wurden.

Mögliche Ersatzzeitbestände

§ 250 Abs. 1 SGB VI nennt die möglichen Tatbestände, für die eine Anerkennung einer Ersatzzeit möglich ist.

Militärischer oder militärähnlicher Dienst

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI können als Ersatzzeiten Zeiten eines militärischen Dienstes (§ 2 Bundesversorgungsgesetz, BVG) und Zeiten eines militärähnlichen Dienstes (§ 3 BVG) während des Ersten und Zweiten Weltkrieges anerkannt werden. Ebenfalls werden Zeiten der gesetzlichen Wehrpflicht ab 21.05.1935 oder Dienstpflicht erfasst.

Kriegsgefangenschaft, Minenräumdienst

§ 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI erkennt auch Zeiten als Ersatzzeiten an, in denen ein Versicherter als Kriegsgefangener zählt. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen/militärähnlichen Verband von einer feindlichen ausländischen Macht gefangen genommen und in Gewahrsam gehalten wurde. Das bedeutet, dass Zivilpersonen nicht als Kriegsgefangene im Sinne dieser Rechtsvorschrift gelten können.

Auch Zeiten des Minenräumdienstes können als Ersatzzeiten anerkannt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass hierfür kein Entgelt gezahlt wurde. Sollte ein Entgelt gezahlt worden sein, wurden auch Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Dies schließt eine Anerkennung als Ersatzzeit aus. Als Zeiten des Minenräumdienstes kommen Zeiten nach dem 08.05.1945 in Frage. Ab diesem Zeitpunkt – also ab Ende des Zweiten Weltkriegs – haben die alliierten Siegermächte für den Minenräumdienst u. a. die deutschen Kriegsgefangenen eingesetzt.

Die Ersatzzeiten aufgrund militärischem oder militärähnlichem Dienst, Kriegsgefangenschaft oder Minenräumdienst können zum Beispiel über den Entlassungsschein, Eintragungen im Soldbuch oder im Wehrpass oder durch Bescheinigungen von Einwohnermeldeämtern dem Rentenversicherungsträger nachgewiesen werden. Sollten entsprechende Zeiten im Rentenversicherungskonto der Betroffenen noch nicht enthalten sein, sollte eine Kontenklärung (Klärung des Rentenversicherungskontos) durchgeführt werden, wozu registrierte Rentenberater kompetent zur Verfügung stehen.

Internierung und Verschleppung

§ 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI beschreibt, dass Zeiten der Internierung und Verschleppung als Ersatzzeiten anerkannt werden können. Die Ersatzzeiten können dann anerkannt werden, wenn der Versicherte:

  • keinem militärischen oder militärähnlichen Verband angehört hat – also Zivilperson war – und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt wurde,
  • aus der Internierung oder Verschleppung erst nach dem 08.05.1945 entlassen wurde,
  • dessen Internierung bzw. Verschleppung im ursächlichen Zusammenhang mit den Kriegsereignissen stand und auf die deutsche Staatsangehörigkeit oder die deutsche Volkszugehörigkeit zurückzuführen war und
  • innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand vom 03.10.1990 genommen hat.

Rückkehrverhinderung, Festgehaltenwerden

§ 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI erkennt auch Zeiten als Ersatzzeiten an, in denen Versicherte, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, während oder nach dem Ende eines Krieges durch feindliche Maßnahmen bis einschließlich 30.06.1945 daran gehindert waren, aus Gebieten außerhalb der Geltungsbereiche der Reichsversicherungsgesetze zurückzukehren.

Die Ersatzzeiten können für Versicherte wegen Rückkehrverhinderung bzw. Festgehaltenwerdens dann anerkannt werden, wenn sie während der Verhinderung an der Rückkehr oder des Festgehaltenwerdens Zivilpersonen waren und während dieser Zeit deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkzugehörige gewesen sind. Zudem müssen die betroffenen Versicherten bis einschließlich 30.06.1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze – also Ausland – oder danach außerhalb des Geltungsbereichs des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, soweit es sich nicht um die neuen Bundesländer handelt, durch feindliche Maßnahmen an der Rückkehr gehindert oder festgehalten worden sein. Während der gesamten Zeit muss der Versicherte darüber hinaus rückkehrwillig bzw. ausreisewillig gewesen sein.

Verfolgungszeiten

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI können auch Verfolgungszeiten als Ersatzzeiten anerkannt werden. Sofern Versicherte zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetzes, BEG) zählen, kommen als Verfolgungszeiten folgende Zeiten als Ersatzzeiten in Betracht:

  • Zeiten eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes bis 31.12.1949.
  • Zeiten der Freiheitsentziehung und -einschränkung (nach § 43 und § 47 BEG). Nach § 43 BEG zählt als Freiheitsentziehung in diesem Sinne beispielsweise eine Inhaftierung durch die NSDAP, eine Strafhaft, besonders militärische oder polizeiliche Haft, KZ- und Ghetto-Aufenthalte. Eine Freiheitseinschränkung nach § 47 BEG ist gegeben, wenn der Verfolgte unter menschenunwürdigen Bedingungen im Inland oder Ausland in der Illegalität gelebt hat oder den Judenstern tragen musste.
  • Zeiten einer Arbeitslosigkeit, welche verfolgungsbedingt entstand, bis längstens 31.12.1946. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stand.

Zeiten des Gewahrsams

Auch Zeiten des Gewahrsams können nach § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI als Ersatzzeiten im rentenrechtlichen Sinne anerkannt werden. Dies ist bei Versicherten möglich, die zum Personenkreis nach § 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) gehören bzw. nur deshalb nicht gehören, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet vor dem 03.10.1990 genommen haben. Nach § 1 Häftlingshilfegesetz zählen die folgenden Personen zum dem Personenkreis:

  • Personen, die deutsche Staatsangehörige sind oder die deutsche Volkszugehörigkeit haben und die aus freiheitlich demokratischer Auffassung und politischen, von ihnen nicht zu vertretenden Gründen, in Gewahrsam genommen wurden
  • nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder
  • nach dem 08.05.1945 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) oder Berlin (Ost) oder

in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebieten (hierzu gehören u. a. Lettland, Litauen, Danzig, Bulgarien, …)

Freiheitsentzug im Beitrittsgebiet

Nach § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI zählen zu den Ersatzzeiten auch Zeiten des politisch bedingten Freiheitsentzugs vom 08.05.1945 bis 30.06.1994 im Beitrittsgebiet (neue Bundesländer).

Damit die Zeit des Freiheitsentzugs als Ersatzzeit anerkannt werden kann, muss eine Rehabilitierung oder Aufhebung erkennende gerichtliche Entscheidung ergangen sein.

Vertreibung, Umsiedlung, Flucht, Aussiedlung

Zeiten der Vertreibung, Umsiedlung, Flucht und Aussiedlung können nach § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI als Ersatzzeiten anerkannt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der betroffene Versicherte zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) gehört. Dies sind Vertriebene (§ 1 BFVG), Heimatvertriebene (§ 2 BFVG), DDR-Flüchtlinge (§ 3 BFVG) und Spätaussiedler (§ 4 BFVG).

Anschluss-Ersatzzeiten

Sofern an Zeiten, welche als Ersatzzeiten anerkannt werden können, sich Zeiten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit anschließen, können auch diese Zeiten ggf. als Ersatzzeiten anerkannt werden. Hier spricht man von den Anschlussersatzzeiten – s. hierzu: Rentenrechtliche Zeiten | Anschlussersatzzeiten

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