Die Berücksichtigungszeiten im Rentenrecht

Eine Art von rentenrechtlichen Zeiten sind die Berücksichtigungszeiten. Diese Zeiten wurden durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) neu eingeführt. Das Sechste Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – kennt als Berücksichtigungszeiten die Kinderberücksichtigungszeiten und die Pflegeberücksichtigungszeiten.

Durch die Berücksichtigungszeiten verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass eventuelle Lücken in den Rentenversicherungsverläufen, welche aufgrund einer Kindererziehung oder einer Pflege eines Pflegebedürftigen im häuslichen Bereich entstehen, geschlossen werden. In der Praxis profitieren von den Berücksichtigungszeiten somit Eltern, vorwiegend Mütter und ehrenamtliche Pflegepersonen, die wegen der Kindererziehung bzw. Pflege keiner oder nur eingeschränkt einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten. Allerdings gilt zu beachten, dass Berücksichtigungszeiten im Vergleich zu den Beitragszeiten und den beitragsfreien Zeiten eine eher untergeordnete Bedeutung haben. In den folgenden Fällen entwickeln die Berücksichtigungszeiten eine positive Wirkung:

  • Durch die Berücksichtigungszeiten kann ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung aufrecht erhalten werden.
  • Die Berücksichtigungszeiten werden auf die Wartezeit bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI) und auf die Altersrente für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) angerechnet.
  • Die Berücksichtigungszeiten wirken sich bei der Berechnung der Rentenhöhe positiv aus, da sie die Bewertung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung erhöhen.
  • Die Berücksichtigungszeiten werden bei den erforderlichen 35 Jahren an rentenrechtlichen Zeiten angerechnet, die bei der Mindestbewertung geringer Arbeitsentgelte erforderlich sind.
  • Die Berücksichtigungszeiten werden seit dem Jahr 2012 nach § 50 Abs. 5 SGB VI auch bei den erforderlichen 45 Jahren an rentenrechtlichen Zeiten angerechnet, welche für die Erfüllung der Wartezeit bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlich sind.

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung

Wird ein Kind bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr erzogen, wird diese Zeit entsprechend § 57 SGB VI als Kinderberücksichtigungszeit einem Elternteil dem Rentenversicherungskonto – sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen – gutgeschrieben.

Voraussetzung Anerkennung Kinderberücksichtigungszeit

Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kinderberücksichtigungszeit sind mit den Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit identisch. Eine Kinderberücksichtigungszeit kann damit dann anerkannt werden, wenn

  • die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erfolgt ist bzw. einer solchen gleichsteht,
  • die Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen ist, der die Kinderberücksichtigungszeit geltend macht und
  • der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

Als Elternteile im Sinne der Kinderberücksichtigungszeit kommen alle erziehenden Elternteile in Frage. Dies sind die leiblichen Eltern (Mutter und Vater), Adoptiveltern (Adoptivmutter und Adoptivvater), Stiefmütter und Stiefväter, Pflegemütter und Pflegeväter. Bei den Stief- und Pflegeeltern ist zudem Voraussetzung, dass das Kind in den Haushalt aufgenommen wurde. Darüber hinaus muss bei der Pflegemutter bzw. dem Pflegevater das Kind durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis verbunden sein.

Die Kinderberücksichtigungszeiten können, wie auch die Kindererziehungszeiten, nur dann angerechnet werden, wenn das Kind innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder der ehemaligen DDR oder im Geltungsbereich der früheren Reichsversicherungsgesetze erzogen wurde und sich die/der Versicherte mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Irrelevant ist dabei die Staatsangehörigkeit sowohl des Kindes als auch des Elternteils. Eine Erziehung des Kindes im Ausland kann nur unter bestimmten Voraussetzungen einer Erziehung im Inland gleichgesetzt werden.

Die Kinderberücksichtigungszeiten können nur bei Elternteilen angerechnet werden, die nach dem 31.12.1920 geboren wurden (alte Bundesländer). Hatte ein Elternteil am 18.05.1990 den gewöhnlichen Aufenthalt in der damaligen DDR, können diese nur angerechnet werden, wenn sie nach dem 31.12.1926 geboren wurden.

Beginn und Ende der Anrechnung

Eine Kinderberücksichtigungszeit beginnt mit dem Tag der Geburt des Kindes. Das Ende der Berücksichtigungszeit ist der Tag, an dem das Kind das zehnte Lebensjahr vollendet. Sollte aus einem Grund die Erziehung des Kindes vor dessen Vollendung des zehnten Lebensjahres enden (zum Beispiel durch Tod oder Adoption des Kindes), endet die Berücksichtigungszeit mit dem Ende des jeweiligen Monats.

Sollten mehrere Kinder erzogen werden, verlängert sich die Kinderberücksichtigungszeit nicht für die Dauer der zeitlich gleichzeitigen Erziehung. Hier besteht ein Unterschied zu den Kindererziehungszeiten. Für den Fall, dass mehrere Kinder gleichzeitig erzogen werden, beginnt die Kinderberücksichtigungszeit mit der Geburt des ältesten Kindes und endet mit Vollendung des zehnten Lebensjahres des jüngsten Kindes.

Wem die Kinderberücksichtigungszeit zugeordnet wird

Grundsätzlich wird die Kinderberücksichtigungszeit der Mutter zugeordnet. Hierfür ist kein gesonderter Antrag  bzw. keine gesonderte Erklärung notwendig. Bei einer gemeinsamen Erziehung des/der Kind/er kann die Kinderberücksichtigungszeit auch ganz oder teilweise dem anderen Elternteil – also dem Vater – zugeordnet werden. Hierfür ist allerdings eine übereinstimmende Erklärung beider Elternteile erforderlich. Dem Vater kann in dem Fall, dass keine übereinstimmende Erklärung abgegeben wird, die Kinderberücksichtigungszeit seinem Rentenversicherungskonto nur gutgeschrieben bekommen, wenn er nachweist, dass er das Kind überwiegend erzogen hat. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erziehungsurlaub durch den Vater beansprucht wurde und die Mutter einer Beschäftigung nachging.

Berücksichtigungszeiten wegen Pflege

Mit dem RRG 1992 wurde auch die Pflegeberücksichtigungszeit eingeführt. Diese hatte der Gesetzgeber deshalb vorgesehen, um einer ehrenamtlichen Pflegeperson, die einen pflegebedürftigen Versicherten pflegt, die soziale Absicherung zu verbessern. Dies vor dem Hintergrund, weil durch die ehrenamtliche Pflege meist keine oder keine volle Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt werden konnte.

Nach der damaligen Fassung des § 177 SGB VI war es möglich, dass ehrenamtliche Pflegepersonen, die aufgrund der Pflegetätigkeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübten, freiwillige Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung zahlen konnten. Diese freiwilligen Beitragszahlungen konnten auf Antrag als Pflichtbeitragszeiten gewertet werden. Konnte eine Pflegeperson aufgrund der Pflegetätigkeit nur noch eingeschränkt einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen, konnten die Pflichtbeiträge – die dann entsprechend geringer waren – mit weiteren Beitragszahlungen aufgestockt werden. Auf Antrag war es möglich, die Beiträge zwischen dem tatsächlichen Arbeitsentgelt bis zum doppelten Arbeitsentgelt, maximal jedoch bis zur Beitragsbemessungsgrenze aufzustocken.

Die Pflegepersonen hatten, unabhängig von einer weiteren Beitragsleistung die Möglichkeit, die Pflegezeiten als Berücksichtigungszeiten anrechnen zu lassen (§ 57 Abs. 2 SGB VI alte Fassung). Hierzu war allerdings eine rechtzeitige Antragstellung erforderlich. Wurde der Antrag auf Anerkennung einer Pflegeberücksichtigungszeit innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt, wurde die Zeit ab Beginn der Pflege berücksichtigt. Wurde der Antrag später gestellt, konnten die Zeiten außerhalb der Dreimonatsfrist liegenden Kalendermonate nicht mehr berücksichtigt werden.

Hinweis

Am 01.01.1995 wurde die Soziale Pflegeversicherung als fünfter Zweig der Sozialversicherung eingeführt (s. Geschichte der Pflegeversicherung). Ab dem 01.04.1995, also ab dem Zeitpunkt, ab dem erstmals ambulante Pflegeleistungen gewährt wurden, wurde die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der ehrenamtlichen Pflegepersonen neu geregelt. Seitdem waren ehrenamtliche Pflegepersonen grundsätzlich versicherungspflichtig, wenn diese mindestens 14 Stunden wöchentlich einen Pflegebedürftigen pflegten und keine Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Stunden wöchentlich ausüben. Durch die Pflegereform im Jahr 2017 (Pflegestärkungsgesetz II) wurde der Eintritt der Versicherungspflicht erleichtert. Eine Pflegeperson ist ab 01.01.2017 bereits dann rentenversicherungspflichtig, wenn die Pflege an mindestens zehn Stunden, verteilt auf mindestens zwei Tage/Woche ausgeübt wird (weiterhin ist Voraussetzung, dass keine Erwerbstätigkeit von mehr als 30 Stunden wöchentlich ausgeübt wird). In diesen Fällen zahlt die zuständige Pflegekasse Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung; diese Zeiten zählen daher als Pflichtbeitragszeiten (s. auch: Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen).

Aufgrund der Neuordnung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von Pflegepersonen ab 01.04.1995 können Pflegeberücksichtigungszeiten auch nur für die Zeit vom 01.01.1992 bis 31.03.1995 in Frage kommen.

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