Die Rentenversicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 SGB VI

Für bestimmte Personenkreise eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass für diese auf Antrag eine Pflichtversicherung in der Gesetzlichen Rentenversicherung eintritt. Zu diesem Personenkreis gehören auch Selbstständige. Die Rechtsgrundlage für die Rentenversicherungspflicht auf Antrag von Selbstständigen ist § 4 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Historie

In den alten Bundesländern (Rechtskreis West) wurde die Möglichkeit für Selbstständige, sich auf Antrag einer Versicherungspflicht (RV-Pflicht) zu unterwerfen, bereits ab Oktober 1972 geschaffen. Dies erfolgte mit dem Rentenreformgesetz vom 16.10.1972 (die damaligen Rechtsvorschriften hierfür waren § 1227 Abs. 1 Nr. 9 RVO (Reichsversicherungsordnung) und § 2 Nr. 11 AVG (Angestelltenversicherungsgesetz). Mit Inkrafttreten des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ab 01.01.1992 wurde die Möglichkeit der Versicherungspflicht auf Antrag für Selbstständige in § 4 Abs. 2 SGB VI übernommen.

Selbstständige in den neuen Bundesländern können sich ab dem 01.08.1991 auf Antrag der Pflichtversicherung unterwerfen.

Personenkreis

Zum Personenkreis der Selbstständigen, die auf Antrag nach § 4 Abs. 2 SGB VI pflichtversichert werden können, gehören alle Personen, die nicht nur vorübergehend selbstständig tätig sind. Selbstständige in diesem Sinne sind alle Personen, die eine gewerbliche oder sonstige berufliche Tätigkeit zur Erzielung von Einkommen ausüben. Das Einkommen kann sowohl aus einem Gewerbebetrieb, einer sonstigen selbstständigen Arbeit oder aus der Land- und Forstwirtschaft erzielt werden.

Wird das Einkommen ausschließlich aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen bezogen oder aus einer nicht selbstständigen Tätigkeit, scheidet die Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 2 SGB VI aus.

Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht auf Antrag

Voraussetzung für die Rentenversicherungspflicht Selbstständiger auf Antrag ist, dass aufgrund der selbstständigen Tätigkeit nicht bereits aufgrund anderweitiger gesetzlicher Regelung die Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt. Tritt beispielsweise die Rentenversicherungspflicht Gewerbetreibender in Handwerksbetrieben nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI oder von selbstständigen Lehrern und Erziehern nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI – also nach Gesetz – ein, scheidet eine Rentenversicherungspflicht auf Antrag aus. Diesbezüglich hat eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes immer Vorrang vor einer Versicherungspflicht auf Antrag.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die selbstständige Tätigkeit nicht nur vorübergehend ausgeübt wird. Die vorübergehende Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ist dann nicht gegeben, wenn diese zum Zeitpunkt der Antragstellung schon mehr als zwei Monate ausgeübt wurde oder wenn die selbstständige Tätigkeit nicht innerhalb der nächsten zwei Monate nach der Antragstellung auf die Versicherungspflicht beendet werden soll.

Nachdem in der Rentenversicherung eine Mehrfachversicherung möglich ist, ist eine Versicherungspflicht (auf Antrag) nach § 4 Abs. 2 SGB VI nicht ausgeschlossen, wenn parallel eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird. Ebenfalls führt eine Versicherungspflicht in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht zum Ausschluss der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 2 SGB VI. Gleiches gilt auch bei einer Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte.

Die selbstständige Tätigkeit muss innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt werden, damit der Antrag auf die Versicherungspflicht gestellt werden kann. Die Staatsangehörigkeit ist ohne Bedeutung.

Die Antragstellung und die Antragsfrist

Der Antrag auf die Versicherungspflicht für Selbstständige ist beim Rentenversicherungsträger zu stellen. Nach den Regelungen in § 4 Abs. 2 SGB VI muss der Antrag innerhalb von fünf Jahren

  • nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder
  • nach dem Ende einer Versicherungspflicht aufgrund dieser Tätigkeit

gestellt werden.

Grundsätzlich hat in der Praxis die erste Variante Bedeutung, dass der Antrag innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gestellt werden muss. Die zweite genannte Variante, dass der Antrag auch innerhalb von fünf Jahren nach dem Ende der bzw. einer Versicherungspflicht gestellt werden kann, kommt nur dann zum Tragen, wenn es sich um dieselbe Tätigkeit handelt, welche weiter ausgeführt wird (und die anfänglich zur Rentenversicherungspflicht geführt hat).

Bei der gesetzlich genannten Antragsfrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Das heißt, dass nach Ablauf dieser Fünf-Jahres-Frist kein Antrag auf die Versicherungspflicht mehr gestellt werden kann.

Die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit ist dem Rentenversicherungsträger nachzuweisen. Hierfür kommen alle Unterlagen in Betracht, aus denen sich der Beginn der selbstständigen Tätigkeit und auch die Art der ausgeübten Tätigkeit ergibt.

Beginn und Ende der Versicherungspflicht

Der Beginn der Rentenversicherungspflicht Selbstständiger auf Antrag ist in § 4 Abs. 4 SGB VI geregelt. Nach dieser Rechtsvorschrift beginnt die Rentenversicherungspflicht mit dem Tag, an dem erstmals die Voraussetzungen vorliegen, wenn der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Selbstständigen Tätigkeit gestellt wurde.

Wird der Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gestellt, beginnt die Versicherungspflicht auf Antrag mit dem Tag, der dem das des Eingangs des Antrags folgt.

Beispiel:

Die selbstständige Tätigkeit, welche nicht zur Rentenversicherungspflicht führt, wird am 01.01.2023 aufgenommen.

  1. Der Selbstständige stellt den Antrag auf die Rentenversicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 SGB VI am 08.03.2023.
  2. Der Antrag auf Rentenversicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 SGB VI wird vom Selbstständigen am 17.05.2023 gestellt.

Konsequenz:

  1. Die Rentenversicherungspflicht beginnt am 01.01.2023.
  2. Die Rentenversicherungspflicht beginnt am 18.05.2023

Das Ende der Rentenversicherungspflicht auf Antrag wird ebenfalls in § 4 Abs. 4 SGB VI geregelt. Danach endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen weggefallen sind. Dies kann die Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit oder der Eintritt einer Versicherungspflicht in dieser selbstständigen Tätigkeit nach anderen Vorschriften sein.

Wird die selbstständige Tätigkeit nur kurzfristig unterbrochen, führt dies nicht zum Ende der Rentenversicherungspflicht. Als kurzfristige Unterbrechung werden hierbei in analoger Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zwei Monate angesehen. Das heißt, dass bei einer Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit von bis zu zwei Monate die Rentenversicherungspflicht weiter bestehen bleibt. Sollte die Unterbrechung die Zwei-Monats-Grenze überschreiten, ist – sofern dies gewollt ist – die Rentenversicherungspflicht nach erneuter Aufnahme wieder zu beantragen.

Unterbrechung der Versicherungspflicht

Handelt es sich bei der selbstständigen Tätigkeit um eine geringfügige Tätigkeit, welche Versicherungsfreiheit zur Folge hat, wird für diesen Zeitraum die Rentenversicherungspflicht unterbrochen. Sobald die Geringfügigkeitsgrenzen wieder überschritten werden, tritt die Versicherungspflicht ohne erneute Antragstellung wieder ein.

Bei einer Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit wird für die Unterbrechung der Versicherungspflicht auf Antrag gefordert, dass der Betrieb ruht.

Beitragstragung bei Versicherungspflicht auf Antrag

Wird eine Versicherungspflicht von selbstständig Tätigen beantragt, müssen diese hierfür die Beiträge selbst aufbringen. Dies ergibt sich aus § 169 SGB VI. Nach dieser Rechtsvorschrift müssen die Beiträge in voller Höhe vom selbstständig Tätigen alleine getragen werden.

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