Die Übergangszeiten im gesetzlichen Rentenrecht
Bei Übergangszeiten im gesetzlichen Rentenrecht handelt es sich um eine spezielle Art von Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Zeiten, welche zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegen, werden als „Übergangszeiten“ bzw. „Übergangszeit-Anrechnungszeiten“ im Rentenversicherungskonto aufgenommen, sofern diese Zeiten unvermeidbar waren.
Mit den Übergangszeiten werden Lücken im Rentenversicherungsverlauf geschlossen, zugleich werden diese auf die Wartezeit von 35 Jahren (diese Wartezeit hat für die „Altersrente für langjährig Versicherte“ Bedeutung) angerechnet. Ebenfalls werden die Übergangszeiten auch auf die Wartezeit von 25 Jahren angerechnet, welche erforderlich ist, dass (ab 01.01.1992) zeitgleich verlaufende Kinderberücksichtigungszeiten mit zusätzlichen Entgeltpunkten bewertet werden.
In den Rentenbescheiden sind die Übergangszeit-Anrechnungszeiten daran erkennbar, dass diese in der Anlage „Versicherungsverlauf“ in der Spalte „Art der Zeit, Anmerkungen“ als „Übergangszeit“ ausgewiesen sind.
Der Rentenversicherungsträger nimmt die Übergangszeit-Anrechnungszeiten bei Erfüllung der Voraussetzungen im Rentenversicherungsverlauf auf, wenn diese Zeiten entsprechend nachgewiesen werden. Als Nachweise eignen sich z. B. Zeugnisse, Bescheinigungen der jeweiligen Schule, Fachschule oder Hochschule oder Diplomurkunden.
Berücksichtigungsfähige Übergangszeiten zwischen Ausbildungen
Handelt es sich um unvermeidbare Zeiten, welche zwischen zwei Ausbildungszeiten liegen, handelt es sich rentenrechtlich um Übergangszeiten, welche als solche im Rentenversicherungsverlauf aufgenommen werden müssen. Im Regelfall handelt es sich hierbei um Zeiten der Schul- und Semesterferien. Die Übergangszeiten werden als Anrechnungszeiten berücksichtigt, obwohl in diesen Zeiten keine Ausbildung stattgefunden hat.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Übergangszeit als Übergangszeit-Anrechnungszeit ist, dass die Zeit aufgrund der Organisation des Unterrichtswesens typisch ist und damit auch generell nicht vermieden werden konnte.
Früher wurden nur die Zeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, welche selbst als Anrechnungszeiten qualifiziert wurden, als Übergangszeiten anerkannt. Das Bundessozialgericht hatte jedoch entschieden, dass auch eine versicherungspflichtige berufliche Ausbildung als nächster Ausbildungsabschnitt im Sinne der Übergangszeit zu berücksichtigen ist.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit Übergangszeiten werden als Übergangszeit-Anrechnungszeit anerkannt:
- Beim ersten Ausbildungsabschnitt muss es sich um eine anerkannte Anrechnungszeit aufgrund einer Ausbildung handeln. Das heißt, dass die Zeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI oder § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI als Anrechnungszeit anerkannt werden muss.
- Auch bei der an die Übergangszeit anschließenden Ausbildung muss es sich um eine anerkannten Anrechnungszeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI oder § 252 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI handeln. Alternativ kann es sich auch um eine rentenrechtliche Zeit handeln, welche zum Zeitpunkt der Ableistung zur Zahlung von Pflichtbeiträgen geführt hat oder als Pflichtbeitragszeit nach § 247 Abs. 2a SGB VI zu qualifizieren ist.
- Bei der Übergangszeit muss es sich um eine unvermeidbare, typische, organisationsbedingte und von vorneherein begrenzte Zeit handeln.
- Die Übergangszeit darf die Höchstdauer von vier Kalendermonate nicht überschreitet.
Höchstdauer von vier Kalendermonaten
Die Übergangszeit wird nur dann anerkannt, wenn die Zwischenzeit zwischen den Ausbildungsabschnitten vier Kalendermonate nicht überschreitet. Sollte die Zwischenzeit vier Kalendermonate überschreiten, kann diese grundsätzlich nicht mehr als Übergangszeit berücksichtigt werden.
Eine Ausnahme stellen längere Zwischenzeiten dar, wenn diese durch die Ableistung eines Wehr- oder Zivildienstes entstanden sind. Wenn beispielsweise die Fachschul- bzw. Hochschulausbildung aufgrund der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes nicht aufgenommen werden konnte, handelt es sich bei den Zeiträumen zwischen dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts und dem Beginn des Wehr-/Zivildienstes und dem Ende des Wehr-/Zivildienstes und dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts um Übergangszeit-Anrechnungszeiten, wenn die einzelnen Zeitabschnitte vier Monate nicht überschreiten. Diese Sonderregelung gilt deshalb, weil der Ausbildungswillige „von hoher Hand“ – hier vom Staat – daran gehindert wurde, die weitere Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt fortzusetzen.
Für die Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes (da die gesetzliche Wehrpflicht zum 01.07.2011 ausgesetzt wurde), gelten die o. g. Ausnahmeregelungen nicht, welche für den gesetzlichen Wehr-/Zivildienst gelten.
Entstand die längere Übergangzeit durch die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder freiwilligen ökologischen Jahres, rechtfertigt dies nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.04.2007, Az. B 5 R 62/06 R nicht die Anerkennung als Übergangszeit. Dies gilt jedoch nicht, wenn das freiwillige soziale bzw. ökologische Jahr anstelle des Zivildienstes (im Rahmen des § 14c ZDG) absolviert wurde; hier kann die Zwischenzeit als Übergangszeit-Anrechnungszeit anerkannt werden.
Im Ausnahmefall kann die Übergangszeit auch dann anerkannt werden, wenn die nachfolgende Ausbildung im Laufe des fünften Kalendermonats nach Beendigung der vorherigen Ausbildungszeit begonnen wird. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die längere Zwischenzeit nicht durch den Auszubildenden verursacht wurde. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der erste Tag des fünften Kalendermonats auf einen arbeitsfreien Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt.
Kalendermonatsprinzip
Bei der Berücksichtigung einer Übergangszeit findet das Kalendermonatsprinzip Anwendung. Das bedeutet, dass ausschließlich volle Kalendermonate als Übergangszeit berücksichtigt werden. Daher beginnen die Übergangszeiten stets mit dem ersten Tag eines Kalendermonats und enden mit dem letzten Tag eines Kalendermonats.
Ist ein Kalendermonat mit einer anderen – wenn auch nur zum Teil – rentenrechtlichen Zeit belegt, kann dieser nicht als Übergangszeit berücksichtigt werden.
Beispiel 1:
Das 17. Lebensjahr hat ein Versicherter am 16.05.1994 vollendet, die allgemeine Schulausbildung wurde am 31.07.1994 abgeschlossen. Die berufliche Ausbildung wurde am 01.09.1994 aufgenommen.
Konsequenz:
Da die Zeit der Schulausbildung ab dem vollendeten 17. Lebensjahr als Anrechnungszeit gilt, erhält der Versicherte vom 16.05.1994 bis 31.07.1994 eine Anrechnungszeit als Schulausbildung. Die Lücke im August 1994 muss als Übergangszeit-Anrechnungszeit anerkannt werden, da die Lücke bis zum folgenden Ausbildungsabschnitt ab 01.09.1994 vier Monate nicht überschreitet.
Beispiel 2:
Am 15.08.1994 vollendete ein Versicherter das 17. Lebensjahr. Zum Abschluss der allgemeine Schulausbildung kam es am 31.07.1994. Am 01.10.1994 wurde die berufliche Ausbildung aufgenommen.
Konsequenz:
Die Lücke im September 1994 kann nicht durch eine Anrechnungszeit-Übergangszeit geschlossen werden. Da das 17. Lebensjahr – ab dem frühestens Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung berücksichtigt werden können – erst nach Beendigung der allgemeinen Schulausbildung vollendet wurde, liegt vor der möglichen Anrechnungszeit-Übergangszeit keine anerkennungsfähige Ausbildung vor.
Beispiel 3:
Die Fachschulausbildung wurde am 10.07.1992 (nach Vollendung des 17. Lebensjahres) abgeschlossen. Der nächste Ausbildungsabschnitt war eine Hochschulausbildung, welche am 01.10.1992 begonnen wurde.
Konsequenz:
Der August und der September 1992 kann als Übergangszeit-Anrechnungszeit im Rentenversicherungskonto aufgenommen werden, da die Lücke zwischen den zwei Ausbildungsabschnitten vier Monate nicht überschreitet. Irrelevant ist dabei, ob die Fachschulausbildung bzw. die Hochschulausbildung abgeschlossen oder nicht abgeschlossen wurde.
Günstigerprinzip muss beachtet werden
Was die rentenrechtliche Bewertung der Übergangszeit betrifft, ist diese nach dem Günstigerprinzip vorzunehmen. Handelt es sich um eine Übergangszeit, welche an eine Fachschulausbildung anschließt, ist diese bei der Bewertung als Fachschulzeit (also wie der Übergangszeit nachfolgenden Zeit) zu berücksichtigen.
Verbindet eine Übergangszeit jedoch eine Fachschulzeit mit einer anschließenden Hochschulzeit, ist die Übergangszeit in diesem Fall wie die vorherige Fachschulzeit und nicht wie die anschließende Hochschulzeit zu berücksichtigen. Dieses Günstigerprinzip hat deshalb Bedeutung, da die Fachschulausbildung mit Entgeltpunkten bei der Rentenberechnung bewertet wird (mit 75 Prozent des Gesamtleistungswertes, maximal 0,0625 Entgeltpunkte/Kalendermonat), während für die Hochschulausbildung keine Entgeltpunkte berücksichtigt werden.
Im o. g. Beispiel 3 wird beispielsweise der August und September 1992 wie eine Zeit der Fachschulausbildung bewertet, also mit 75 Prozent des Gesamtleistungswertes, maximal mit 0,0625 Entgeltpunkten je Kalendermonat.