Anteil der Besteuerung von Renten der Gesetzlichen Rentenversicherung
Nachdem schon im Jahr 2002 das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 06.03.2002, Az. 2 BvL 17/99) die damalige Besteuerung von Beamtenpensionen im Vergleich zu Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung für verfassungswidrig bestätigt hat, musste der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Besteuerungsregelung schaffen. Die Verfassungswidrigkeit bzw. die Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) entstand dadurch, dass die Beamtenpensionen stärker als die gesetzlichen Renten steuerlich belastet wurden.
Die steuerliche Neuregelung setzte der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen“ (kurz: „Alterseinkünftegesetz“ bzw. „AltEinkG“) ab dem 01.01.2005 (bis zu diesem Tag hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber Zeit für eine Neuregelung gegeben) um. Das Alterseinkünftegesetz wurde am 09.07.2004 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat zum 01.01.2005 in Kraft.
Mit dem Alterseinkünftegesetz wird eine nachgelagerte Besteuerung der Renten umgesetzt. Das heißt, dass ab dem Jahr 2005 die Renten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung – hierzu zählen die Altersrenten, die Renten wegen Erwerbsminderung und die Hinterbliebenenrenten (Renten wegen Todes) – schrittweise besteuert werden. Im Gegenzug werden die Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich freigestellt; auch dies erfolgt schrittweise.
Ab dem Jahr 2040 ist die steuerliche Neuordnung abgeschlossen. Das heißt, dass die Altersbezüge dann zu 100 Prozent steuerpflichtig sind.
Im Jahr 2024 – Jahr des Rentenbeginns – beträgt der steuerpflichtige Anteil der Brutto-Rente 84 Prozent!
Besteuerungsanteil nach Jahr des Rentenbeginns
Der folgenden Tabelle kann der Besteuerungsanteil entnommen werden. Für Rentner, die bereits vor dem 01.01.2005 im Rentenbezug standen und für alle Neurentner des Jahres 2005 beträgt der Besteuerungsanteil der Rente 50 Prozent.
In den Jahren 2005 bis 2020 wurde der Besteuerungsanteil jährlich um zwei Prozent erhöht, ab dem Jahr 2021 bis 2040 um jährlich ein Prozent.
Jahr des Rentenbeginns | Besteuerungsanteil in Prozent |
2005 | 50 |
2006 | 52 |
2007 | 54 |
2008 | 56 |
2009 | 58 |
2010 | 60 |
2011 | 62 |
2012 | 64 |
2013 | 66 |
2014 | 68 |
2015 | 70 |
2016 | 72 |
2017 | 74 |
2018 | 76 |
2019 | 78 |
2020 | 80 |
2021 | 81 |
2022 | 82 |
2023 | 83 |
2024 | 84 |
2025 | 85 |
2026 | 86 |
2027 | 87 |
2028 | 88 |
2029 | 89 |
2030 | 90 |
2031 | 91 |
2032 | 92 |
2033 | 93 |
2034 | 94 |
2035 | 95 |
2036 | 96 |
2037 | 97 |
2038 | 98 |
2039 | 99 |
2040 | 100 |
Der anteilige Besteuerungsanteil wird für jede Rente gesondert ermittelt. Als Bemessungsgrundlage für den Besteuerungsanteil wird die Brutto-Rente (Jahresbetrag) des Jahres herangezogen, welcher sich im Jahr nach dem Beginn der Rente ergibt. Diesbezüglich beginnt eine Rente zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rentenzahlung tatsächlich bewilligt wird (gegebenenfalls auch nach rückwirkender Zubilligung).
Beispiel:
Ein Versicherter erhält ab dem 01.09.2018 die Regelaltersrente (Altersrente mit den geringsten Zugangsvoraussetzungen). Die Rente beträgt monatlich 1.700,00 Euro. Aufgrund der jährlichen Rentendynamisierungen wurde die Rente erstmalig zum 01.07.2019 (um 3,18 Prozent) erhöht und beträgt dann 1.754,06 Euro.
Konsequenz:
Da die Rente des Versicherten im Jahr 2018 beginnt, liegt der prozentuale Besteuerungsanteil bei 76 Prozent. Damit wird im Jahr 2018 für die Besteuerung ein Betrag von (4 Monate x 1.700,00 Euro x 76 Prozent) 5.168,00 Euro herangezogen.
Im Kalenderjahr 2019 beträgt die Jahres-Bruttorente (6 Monate x 1.700,00 Euro + 6 Monate x 1.754,06 Euro) 20.724,36 Euro. Der Besteuerungsanteil beträgt folglich (20.724,36 Euro x 76 Prozent) 15.750,51 Euro.
Der Rentenfreibetrag liegt damit bei (20.724,36 Euro abzgl. 15.750,51 Euro) 4.973,85 Euro.
Der Betrag von 4.973,85 wird dem Versicherten künftig jedes Jahr als Rentenfreibetrag gewährt.
Der errechnete Rentenfreibetrag bleibt grundsätzlich für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs bestehen. Das heißt, dass dieser unverändert bleibt, wenn es zu den gewöhnlichen jährlichen Rentendynamisierungen (immer zum 01.07. eines Jahres) kommt und sich die Brutto-Rente damit erhöht.
Freistellung der Altersvorsorgeaufwendungen
Im Gegenzug zur Erhöhung des Besteuerungsanteils auf Renten werden die Altersvorsorgeaufwendungen steuerlich freigestellt. Die steuerliche Freistellung erfolgt auf Beiträge zu Leibrentenversicherungen, bei denen die erworbenen Anwartschaften nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht kapitalisierbar und nicht veräußerlich sind.
Die vollständige Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen kann ebenfalls nur schrittweise umgesetzt werden. Die schrittweise Umsetzung erfolgt, indem bis zum Jahr 2025 der Prozentsatz jährlich nach der folgenden Tabelle angehoben wird:
Jahr | Prozentsatz |
2005 | 60 Prozent |
2006 | 62 Prozent |
2007 | 64 Prozent |
2008 | 66 Prozent |
2009 | 68 Prozent |
2010 | 70 Prozent |
2011 | 72 Prozent |
2012 | 74 Prozent |
2013 | 76 Prozent |
2014 | 78 Prozent |
2015 | 80 Prozent |
2016 | 82 Prozent |
2017 | 84 Prozent |
2018 | 86 Prozent |
2019 | 88 Prozent |
2020 | 90 Prozent |
2021 | 92 Prozent |
2022 | 94 Prozent |
2023 | 96 Prozent |
2024 | 98 Prozent |
2025 | 100 Prozent |
Ab dem Jahr 2015 richtet sich der Höchstbetrag an der Beitragsbemessungsgrenze und dem Beitragssatz der knappschaftlichen Rentenversicherung. Der Höchstbetrag, bis zu dem Altersvorsorgeaufwendungen steuerfrei gestellt werden, lag im Kalenderjahr 2022 bei 25.639,00 Euro für Ledige und bei 51.278,00 Euro für Verheiratete und Lebenspartner. Im Kalenderjahr 2023 liegt der Höchstbetrag bei 26.528,00 Euro für Ledige und bei 53.056,00 Euro für Verheiratete und Lebenspartner.
Wichtiges in Kürze
- Der steuerpflichtige Anteil einer gesetzlichen Rente wird aus der Brutto-Rente vor Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung errechnet.
- Der prozentuale Besteuerungsanteil der Rente wird anhand des Jahres des Rentenbeginns festgesetzt (s. Tabelle oben). Bis zum Jahr 2039 kommt es zu einer Übergangsregelung; ab dem Jahr 2040 ist die schrittweise Erhöhung des Besteuerungsanteils abgeschlossen, sodass die Renten dann vollständig bei der Besteuerung berücksichtigt werden.
- Rentenbeginn ist der Zeitpunkt, zu dem die Rentenzahlung tatsächlich bewilligt wird.
- Die Abfindungsbeträge bei Witwen-/Witwerrenten nach Wiederheirat (§ 107 SGB V) und die Renten der Gesetzlichen Unfallversicherung sind steuerfrei.
Mütterrente und die Besteuerung
Zum 01.07.2014 hat der Gesetzgeber die Mütterrente eingeführt. Die Mütterrente stellt keine eigenständige Rentenleistung dar. Vielmehr wird die Rente der Gesetzlichen Rentenversicherung erhöht, indem Versicherte für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder einen zusätzlichen Entgeltpunkt bzw. ein weiteres Jahr Kindererziehung bei der Rentenberechnung anerkannt bekommen.
Mit Erlass vom 10.11.2014 hat das Finanzministerium Schleswig-Holstein (VI 307-S 2255-152) ausgeführt, dass es sich bei der Mütterrente um keine regelmäßige Rentenerhöhung handelt. Der Jahresbetrag der Rente muss durch die Einführung der Mütterrente neu festgesetzt werden, was bedeutet, dass auch der steuerfreie Anteil der Rente neu berechnet werden muss.
Zum 01.01.2019 wurde die Mütterrente II eingeführt. Mit dieser Rente erhalten die Versicherten für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder einen weiteren halben Entgeltpunkt bzw. ein weiteres halbes Jahr Kindererziehung bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Folglich muss – wie bereits bei der Mütterrente – auch der steuerfreie Anteil der Rente neu berechnet werden.
Rechtsprechung – Bundesfinanzhof bestätigte Verfassungsmäßigkeit
Dass die seit dem Jahr 2005 schrittweise umgesetzte nachgelagerte Besteuerung verfassungsgemäß ist, bestätigte der Bundesfinanzhof. Gegen die neuen Besteuerungsregelungen hatte ein ehemals selbstständiger Rechtsanwalt geklagt. Er erhält bereits seit dem Jahr 2001 zwei Renten: eine Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung und eine Rente aus dem Rechtsanwaltsversorgungswerk.
Der Rechtsanwalt klagte, weil er für die früheren Vorsorgeaufwendungen im Vergleich zu einem ehemals angestellten Rentner eine geringere steuerliche Entlastung erfährt. Hier sah der Rechtsanwalt eine Ungleichbehandlung, welche ihn zur Klage motiviert hatte.
Mit Urteil vom 28.11.2008 (Az. X R 15/07) kam der Bundesfinanzhof (BFH) in München zu dem Ergebnis, dass die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung verfassungskonform ist. In der Urteilsbegründung führte der BFH aus, dass dem Gesetzgeber größere Generalsierungen und Typisierungen zugestanden werden müssen, wenn es sich um komplexe Sachverhalte, wie hier der Neuregelung der Besteuerung, handelt.
Hinweis
Fragen zur Besteuerung von Renten können die Finanzämter und die Steuerberater beantworten. Für alle weiteren Fragen zu den Renten der Gesetzlichen Rentenversicherung und auch für die Überprüfung von Rentenbescheiden und Rentenberechnungen stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung.