Der Beginn des Verfahrens in der GRV nach § 115 SGB VI
Mit § 115 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) wird der Beginn des Verfahrens in der Gesetzlichen Rentenversicherung geregelt. Die Rechtsvorschrift befindet sich im Zweiten Kapitel (Leistungen), Sechsten Abschnitt (Durchführung), Erster Unterabschnitt (Beginn und Abschluss des Verfahrens) im SGB VI.
Insgesamt werden mit der Vorschrift des § 115 SGB VI die möglichen Varianten geregelt, wann in der Gesetzlichen Rentenversicherung ein Verfahren beginnt und welche Verpflichtungen die Rentenversicherungsträger haben, in geeigneten Fällen einen Berechtigten darauf hinzuweisen, dass er Leistungen erhalten kann, wenn diese beantragt werden.
Antragsprinzip
Die Rechtsvorschrift des § 115 Abs. 1 SGB VI bestimmt, dass ein Verfahren mit dem Antrag beginnt, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist.
Ein Antrag hat für die Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) eine verfahrensauslösende Wirkung.
Bei einem Antrag handelt es sich um eine Willenserklärung. Der Antrag ist grundsätzlich beim zuständigen Versicherungsträger zu stellen. Der Antrag kann auch bei allen anderen Leistungsträgern und allen Gemeinden (bei Personen, die sich im Ausland aufhalten auch bei den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland) gestellt werden, die den Antrag dann nach § 16 Abs. 2 SGB I (Erstes Buch Sozialgesetzbuch) unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterleiten müssen.
Anträge können hingegen nicht bei Behörden, die keine Leistungsträger sind, gestellt werden. Damit scheiden beispielsweise Polizeibehörden und Finanzämter als Stellen aus, bei denen Rentenanträge rechtswirksam gestellt werden können. Auch Privatpersonen scheiden als Personen bzw. „Stellen“ aus, bei denen ein Rentenantrag gestellt werden kann.
Der Antrag, der das Verwaltungsverfahren nach § 115 SGB VI beginnen lässt, ist an keine besondere Form gebunden. Das bedeutet, dass der Antrag mündlich, schriftlich oder elektronisch gestellt werden kann.
§ 115 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sieht noch eine Ausnahme bei Änderung der Verhältnisse vor. Danach bedarf es eines Antrags nicht, wenn eine Rente wegen der Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in niedrigerer als der bisherigen Höhe zu leisten ist. Diese Regelung hat unter anderem dann Bedeutung, wenn wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nur noch eine geringere Teilrente zu leisten ist. In diesen Fällen beginnt das Verfahren nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen.
Witwen-/Witwerrente – Antragsfiktion
§ 115 Abs. 2 SGB VI beschreibt eine Antragsfiktion für Anträge auf eine Witwenrente bzw. Witwerrente. Wird für diese Hinterbliebenenrente ein Antrag auf Zahlung eines Vorschusses auf der Grundlage der für den Sterbemonat an den verstorbenen Ehegatten (bzw. Lebenspartner) geleisteten Rente gestellt, gilt dieser Antrag als Antrag auf die Rente. Mit dem Antrag auf Vorschuss beginnt damit auch das Verfahren.
Diese gesetzliche Regelung dient dem Schutz der/des Hinterbliebenen, dass aufgrund einer verspäteten Antragstellung ggf. Nachteile entstehen können. Der Vorschuss auf die Zahlung der Hinterbliebenenrente ist beim Rentenservice der Deutschen Post AG innerhalb von 30 Tagen nach dem Todestag zu stellen.
Mit diesem Antrag auf Zahlung wird zugleich ein Antrag auf die Witwen-/Witwerrente gestellt, sollte der Verstorbene im Todesmonat eine Rente bezogen haben; dies gilt auch dann, wenn der Antrag außerhalb der genannten 30-Tage-Frist gestellt wird.
Rentenverfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden
In bestimmten Fällen werden Rentenverfahren vom Rentenversicherungsträger von Amts wegen eingeleitet, also ohne gesonderte Antragstellung durch den Versicherten bzw. Berechtigten. Einen Tatbestand definiert § 115 Abs. 3 SGB VI, wonach das Rentenverfahren von Amts wegen eingeleitet wird, wenn Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen haben. In diesen Fällen ist im Anschluss an die Rente die Regelaltersrente zu leisten, außer der Versicherte bestimmt etwas anderes.
Der zuständige Rentenversicherungsträger versenden in der Praxis etwa drei Monate vor Erreichen der Regelaltersrente – also etwa drei Monate, bevor der Anspruch auf die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder die Erziehungsrente endet – die relevanten Antragsvordrucke. Sollten die Rentenanträge nicht zurückgesandt werden, muss der Rentenversicherungsträger die Regelaltersrente feststellen.
Von Amts wegen wird vom Rentenversicherungsträger auch die große Witwenrente bzw. die große Witwerrente geleistet, wenn bis zum Erreichen der maßgebenden Altersgrenze die kleine Witwenrente bzw. die kleine Witwerrente geleistet wurde.
Leistungen zur Teilhabe von Amts wegen
Nach § 115 Abs. 4 SGB VI können Leistungen zur Teilhabe auch von Amts wegen erbracht werden, wenn der Versicherte dem zustimmt. Die Zustimmung gilt dann als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe.
Sollte der Rentenversicherungsträger z. B. nach einer Antragstellung auf einen Rentenantrag auf eine Erwerbsminderung auf Anregung eines behandelnden Arztes oder eines Arztes im Krankenhaus im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt zu dem Ergebnis kommen, dass Leistungen zur Teilhabe voraussichtlich erfolgreich sein können, kann das Antragsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden.
Rentenauskünfte von Amts wegen
Nach § 115 Abs. 5 SGB VI werden Rentenauskünfte auch von Amts wegen erteilt. Ab welchem Lebensalter und in welchem Turnus die Rentenauskünfte zu erteilen sind, wird in § 109 SGB VI geregelt. Danach erhalten die Versicherten ab dem vollendeten 55. Lebensjahr die Rentenauskünfte im Drei-Jahres-Turnus. Der Versand der Rentenauskünfte erfolgt von Amts wegen und muss daher vom Versicherten nicht gesondert beantragt werden.
Hinweispflichten nach § 115 Abs. 6 SGB VI
Die Rentenversicherungsträger sind nach § 115 Abs. 6 SGB VI verpflichtet, Berechtigte in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn diese beantragt wird. Neben der allgemeine Beratungspflicht nach § 14 SGB I besteht mit dieser gesetzlichen Regelung eine weitere Hinweispflicht – eine weitere Informationsverpflichtung – für die Rentenversicherungsträger.
Voraussetzung für diese Hinweispflicht durch den Träger der Rentenversicherung ist, dass dieser über entsprechende Daten verfügt. Die Daten müssen beim Rentenversicherungsträger gespeichert und aufgrund allgemeiner Kriterien auch abrufbar sein. Dies ist beispielsweise bei der Regelaltersrente der Fall, wenn der Anspruch ohne Rückfrage beim Versicherten festgestellt werden kann (vgl. Urteil vom Bundessozialgericht vom 22.10.1996, Az.: 13 RJ 23/95).
Nach § 115 Abs. 6 SGB VI kann die Rentenversicherung Bund in Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Hinweise an den Berechtigten erfolgen sollen. Diese Richtlinien hat der Rentenversicherungsträger für die Zeit ab 01.07.1998 erstellt (eine Neufassung ist am 01.09.2008 in Kraft getreten). Bei den Richtlinien handelt es sich um die „Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI“.
Text der Richtlinien nach § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI
Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI
Präambel
Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) - Sechstes Buch (VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. In Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund kann bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (§ 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI).
Entsprechende Hinweise der Rentenversicherungsträger erfolgen in den Fällen, in denen es nahe liegt, dass Versicherte eine Leistung in Anspruch nehmen wollen und diese Ansprüche ohne weitere Ermittlungen lediglich aus den Versicherungskonten der Versicherten ersichtlich sind. Vor diesem Hintergrund beschließen die Träger der Rentenversicherung auf der Grundlage des § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI die folgenden Richtlinien:
§ 1
Versicherte, die ausweislich ihres Versicherungskontos die allgemeine Wartezeit erfüllen und eine Versichertenrente der Rentenversicherung weder beziehen noch beantragt haben, werden spätestens im Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze darauf hingewiesen, dass sie Regelaltersrente rechtzeitig erhalten können, wenn sie diese bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragen, in dem sie die Regelaltersgrenze erreichen.
§ 2
Versicherte, die eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen, werden rechtzeitig vor Ablauf der Befristung darauf hingewiesen, dass sie die Rente weiter erhalten können, wenn sie die Weiterzahlung beantragen und die Leistungsminderung fortdauert. Dies gilt entsprechend für Hinterbliebene, die eine befristete große Witwenrente oder große Witwerrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit beziehen.
§ 3
Witwen und Witwer, deren versicherte Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben oder deren Ehegatten bis zu ihrem Tod eine Rente bezogen haben, werden darauf hingewiesen, dass sie Witwen- oder Witwerrente rechtzeitig erhalten können, wenn sie diese beantragen. Ein entsprechender Hinweis wird erteilt, wenn nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Ehegatten ein Rentenantrag gestellt worden ist. In diesem Zusammenhang wird ergänzend darauf hingewiesen, dass auch für den Erhalt von Waisenrenten eine Antragstellung erforderlich ist.
§ 4
§§ 1 und 2 treten mit Beginn des Kalendermonats nach Veröffentlichung im Amtlichen Mitteilungsblatt der Deutschen Rentenversicherung Bund in Kraft.
§ 3 tritt am 1. Januar 2013 in Kraft.
Diese Richtlinien ersetzen die Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI in der am 1. September 2008 in Kraft getretenen Fassung.
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