Zusätzliche Entgeltpunkte für vor 1992 geborene Kinder ab 01.01.2019

Mit Einführung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Rahmen des Rentenreformgesetzes 1992 wurde die Kindererziehungszeit auf drei Jahre verlängert. Dies hatte zur Folge, dass Versicherte für Kinder, die ab dem 01.01.1992 geboren wurden insgesamt drei Jahre Kindererziehungszeit – entspricht etwa drei Entgeltpunkte – bei der Rentenberechnung berücksichtigt bekommen. Für Kinder, die hingegen bis 31.12.1991 geboren wurden, wurde als Kindererziehungszeit weiterhin „nur“ ein Jahr anerkannt, was in etwa einen Entgeltpunkt (exakt: 0,9996 Entgeltpunkte) entspricht.

Die ungleiche Behandlung von Kindern, die bis 31.12.1991 bzw. ab 01.01.1992 geboren wurden, wurde seitens des Bundesverfassungsgerichts nicht beanstandet. Dennoch kam es bereits ab Juli 2014 zu einer Verbesserung, welche im Rahmen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes umgesetzt wurde. Durch die Neuregelung, der Einführung der sogenannten Mütterrente, erhielten Versicherte je Kind, welches vor dem 01.01.1992 geboren und erzogen wurde, ein weiteres Jahr Kindererziehungszeit bzw. einen weiteren Entgeltpunkt gutgeschrieben. Dadurch wurde die bis dahin bestehende Ungleichbehandlung ein Stück weit minimiert.

Ab dem Jahr 2019 wird es für Mütter und Väter eine weitere Verbesserung geben. Diese Verbesserung wird mit dem „Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ (kurz: RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) umgesetzt. In diesem Zusammenhang spricht man von der sogenannten Mütterrente II. Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und –Stabilisierungsgesetz werden einige Punkte umgesetzt, welche die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgesehen hat.

Kindererziehungszeiten werden weiter verbessert

Im Rahmen der Mütterrente II werden die Kindererziehungszeiten von Müttern und Vätern für Kinder, die vor dem 01.01.1992 geboren wurden, nochmals ausgedehnt. Hier werden weitere sechs Monate an Kindererziehungszeit anerkannt, was in etwa einen halben Entgeltpunkt entspricht; die Mütterrente II bedeutet damit eine verlängerte Kindererziehungszeit für die betroffenen Versicherten.

Die zusätzlichen sechs Monate bzw. den zusätzlichen halben Entgeltpunkt erhalten die betroffenen Versicherten je Kind unabhängig davon, wie viele Kinder erzogen wurden. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens war einmal angedacht, nur Eltern von vor dem 01.01.1992 geborenen Kindern besserzustellen, die mehr als zwei Kinder erzogen haben. Dieser Punkt wurde allerdings verworfen.

Wichtig: Auch wenn bei der Leistungsverbesserung in der Praxis von der „Mütterrente II“ gesprochen wird, erhalten auch Väter die erweiterte Kindererziehungszeit bzw. den Zuschlag eines halben Entgeltpunktes, wenn diese die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Zumeist kommt die Leistungsverbesserung Müttern zugute, weshalb diese mit „Mütterrente II“ tituliert wird.

Die Umsetzung der Mütterrente II

Für die Einführung bzw. Umsetzung der Mütterrente II muss unterschieden werden, ob die bzw. der anspruchsberechtigte Versicherte bereits im Rentenbezug steht oder eine Rente erst ab dem Jahr 2019 beantragt.

Wird ab dem Jahr 2019 erst eine Rente beantragt, wird die erweiterte Kindererziehungszeit von dann 2,5 Jahren bzw. 30 Monaten bei der Rentenberechnung „normal“ berücksichtigt.

Handelt es sich allerdings um Versicherte, die am 01.01.2019 bereits im Rentenbezug stehen, wird pauschal ein Zuschlag von einem halben Entgeltpunkte ausgezahlt. Ein Entgeltpunkt beträgt im Jahr 2019 (bis 30.06.2019) in den alten Bundesländern (Rechtskreis West) 32,03 Euro und in den neuen Bundesländern (Rechtskreis Ost) 30,69 Euro, ein halber Entgeltpunkt damit 16,02 Euro bzw. 15,35 Euro. Dieser Zuschlag in Höhe eines halben Entgeltpunktes entspricht einem halben Kindererziehungsjahr.

Wird einem anspruchsberechtigten Versicherten bereits ein Zuschlag aus der Mütterrente, die zum 01.07.2014 eingeführt wurde, gezahlt, wird dieser Zuschlag um einen halben Entgeltpunkt pauschal erhöht.

Voraussetzung für die Gewährung eines Zuschlags in Höhe eines (weiteren) halben Entgeltpunktes ist, dass vom Versicherten im 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt das Kind tatsächlich erzogen wurde. Dies hat zur Folge, dass es beispielsweise dann zu keiner Gutschrift eines (weiteren) halben Entgeltpunktes kommt, wenn des Kind im 20. Lebensmonat verstorben ist.

Bei der Umsetzung der Mütterrente II mit der pauschalen Gutschrift eines Zuschlags werden grundsätzlich die gleichen Regelungen angewandt, welche bereits im Juli 2014 praktiziert wurden. Mit dieser Regelung werden die Rentenkassen von der enormen Verwaltungstätigkeit befreit, sämtliche Renten nach dem neuen Recht neu berechnen und feststellen zu müssen.

Den Zuschlag von einem halben Entgeltpunkte bzw. sechs Monaten Kindererziehungszeit erhalten auch Mütter, die im Jahr 1986 – also in dem Jahr, in dem erstmalig Kindererziehungszeiten gesetzlich eingeführt wurden – bereits im Rentenalter waren und daher eine Kindererziehungsleistung erhalten.

Auch wenn auf den Zuschlag im Rahmen der Mütterrente II ein Anspruch ab Januar 2019 besteht und dieser von den Rentenkassen von Amts wegen ausgezahlt wird, müssen sich die anspruchsberechtigten Versicherten noch ein wenig gedulden. Aufgrund des Organisationsaufwandes wird es wahrscheinlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 zur Auszahlung des Zuschlags kommen.

Antragsrecht für bestimmte Versicherte

Die Gewährung der Mütterrente II muss beim Rentenversicherungsträger nicht gesondert beantragt werden. Beginnt eine Rente erst im Jahr 2019, wird die Leistungsverbesserung im Rahmen Mütterrente II bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Bei Versicherten, die sich am 01.01.2019 bereits im Rentenbezug befinden, wird der Zuschlag von den Rentenversicherungsträgern von Amts wegen aufgegriffen und ausgezahlt. Dieser muss daher nicht explizit beantragt werden.

Für bestimmte Versicherte wird allerdings ein Antragsrecht vorgesehen. Hierbei handelt es sich um Versicherte, die zum 01.07.2014 keinen Zuschlag im Rahmen der Mütterrente erhalten haben, weil diese im 12. Kalendermonat im Rentenversicherungskonto keine Kindererziehungszeit abgespeichert hatten. Das vorgesehene Antragsrecht greift für alle Versicherten, die keinen Zuschlag bekommen, weil im 12. bzw. 24. Kalendermonat keine Kindererziehungszeit vorhanden ist, auf die allerdings abgestellt wird. Denkbar sind hier Fallkonstellationen, bei denen im 12. bzw. 24 Kalendermonat keine Kindererziehungszeit im Rentenversicherungskonto vorhanden ist, weil z. B. erst danach (nach einer Rückkehr aus dem Ausland) die Kindererziehung im Inland erfolgte oder erst danach eine Adoption erfolgte. Sollte für einen anderen Versicherten – also dem anderen Elternteil – die erweiterte Kindererziehungszeit oder der Zuschlag im Rahmen der Mütterrente II bereits gutgeschrieben worden sein, kann diese bzw. dieser nach einem Antrag nicht nochmals bewilligt werden.

Grundsätzlicher Rentenanspruch aufgrund Mütterrente II

Wie bereits bei Einführung der Mütterrente kann sich auch durch die Einführung der Mütterrente II für manche Versicherten erstmalig ein grundsätzlicher Rentenanspruch ergeben. Wurde die Wartezeit (Vorversicherungszeit) für eine Altersrente – bei der Regelaltersrente ist eine Wartezeit von fünf Jahren bzw. 60 Kalendermonaten erforderlich – (knapp) noch nicht erfüllt und wurde die Wartezeit auch nicht durch die Zahlung von freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen „aufgefüllt“, kann sich durch die Anerkennung eines weiteren halben Jahres Kindererziehungszeit je Kind, das vor dem 01.01.1992 geboren wurde, erstmalig ein Rentenanspruch ergeben. In diesen Fällen kann die Rente beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt werden.

Auswirkungen auf Witwen-/Witwerrente

Der höhere Rentenbetrag, der im Rahmen der Mütterrente II gewährt wird, hat auch Auswirkungen auf die Witwen- und Witwerrente, welche von einer Versicherten bzw. einem Versicherten bezogen wird.

Da eine Altersrente auf die genannten Hinterbliebenenrenten angerechnet wird und damit zu einer Rentenkürzung führen kann, kann es durch die zusätzliche Gewährung der Mütterrente II zu einer (weiteren) Rentenkürzung bei der Witwen- bzw. Witwerrente kommen. Auf die Witwen-/Witwerrente wird ein Einkommen, zu dem eine eigene Altersrente zählt, zu 40 Prozent angerechnet, sofern der aktuellen Freibetrag von 845,49 Euro (Rechtskreis West) bzw. 810,22 Euro (Rechtskreis Ost) – Werte gültig bis 30.06.2019 – überschritten wird.

Durch die Gewährung der Mütterrente II kann sich auch eine Erhöhung einer Witwen-bzw. Witwerrente ergeben. Wurden die Kindererziehungszeiten im Rentenversicherungskonto des Verstorbenen anerkannt, erhöht sich die Witwen-/Witwerrente entsprechend.

Finanzaufwand durch Einführung der Mütterrente II

Die Einführung der Mütterrente II in Form einer um sechs Monate erweiterten Kindererziehungszeit bzw. eines Zuschlags in Höhe eines halben Entgeltpunkte wurde mit etwa 3,8 Milliarden Euro kalkuliert.

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