Die Inhalte des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes

Das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (kurz: RV-Leistungsverbesserungsgesetz) wurde als Entwurf am 29.01.2014 vom Bundeskabinett und am 23.05.2014 vom Bundestag beschlossen. Am 13.06.2014 wurde das Gesetz vom Bundesrat beschlossen. Mit diesem Gesetz sollen die rentenpolitischen Maßnahmen, welche der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vorsieht, umgesetzt werden. Die wesentlichen Teile des Gesetzes treten zum 01.07.2014 in Kraft.

Mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz werden vier rentenrechtliche Themen aufgriffen. Dies sind die Einführung einer Mütterrente, die Einführung einer abschlagsfreien Altersrente ab dem vollendeten 63. Lebensjahr, die Verbesserung bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten und die Anhebung des Reha-Deckels. Die Umsetzungspunkte kommen vom Bundestagswahlkampf der Union (Mütterrente) und der SPD (abschlagsfreie Altersrente ab 63).

Mütterrente

Zu Beginn der Reformdiskussionen in der vergangenen Legislaturperiode standen die Zuschuss-  oder Lebensleistungsrenten im Vordergrund, mit denen Geringverdiener rentenrechtlich (besser) abgesichert werden sollten. Allerdings rückte im Laufe der Zeit immer mehr die bessere rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten in den Fokus. So wurde bereits im November 2012 von der Bundesregierung die Prüfabsicht verkündet, welche finanziellen Spielräume für die Verbesserung der Kindererziehungszeiten von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, vorhanden sind. Im Koalitionsvertrag wurde dann festgelegt, die Rente von Müttern und Vätern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, zu erhöhen. Die Erhöhung soll ab Juli 2014 umgesetzt werden. Wird zu diesem Zeitpunkt bereits eine Rente geleistet, wird diese erhöht.

Die Einführung der Mütterrente sieht vor, dass die betroffenen Versicherten, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, anstatt einen Entgeltpunkt insgesamt zwei Entgeltpunkte für die Kindeerziehung erhalten. Damit erhöht sich die Rente (nach dem aktuellen Rentenwert) im Westen um etwa 28 Euro (28,61 Euro) und im Osten um etwa 26 Euro (26,39 Euro) monatlich. Hier handelt es sich allerdings um Brutto-Beträge, von denen dann noch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen sind.

Für die Finanzierung der Mütterrente werden über einen relativ langen Zeitraum jährlich mehrere Milliarden Euro an Mehrausgaben entstehen. Die Mehrausgaben belaufen sich im Jahr 2014 auf etwa 3,3 Milliarden Euro, im Jahr 2015 auf etwa 6,7 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 wird mit Mehrausgaben von insgesamt etwa 100 Milliarden Euro gerechnet. Der Gesetzgeber beabsichtigt die Mütterrente nur zu einem geringen Teil aus Steuergeldern zu finanzieren, sodass den wesentlichen Teil die Beitragszahler aufbringen müssen, auch wenn die rentenrechtliche Bewertung der Kindererziehungszeiten eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

Von der Mütterrente profitieren auch alle Versicherten, die bereits im Rentenbezug stehen. Das bedeutet, dass die Rentenversicherungsträger insgesamt 9,5 Millionen laufende Renten aufgreifen und erhöhen müssen. Die betroffenen Versicherten erhalten einen Zuschlag zu ihrer bisherigen Rentenzahlung; für Neu-Rentner ab dem 01.07.2014 wird anstatt des Zuschlags ein weiteres Jahr Kindererziehungszeit dem Rentenversicherungskonto gutgeschrieben.

Eine Änderung bei der Anerkennung von Kindererziehungsleistungen Mütter und Väter, deren Kinder ab 01.01.1992 geboren wurden, gibt es nicht. Hier werden weiterhin pro Kind drei Jahre Kindererziehungszeiten berücksichtigt.

Abschlagsfreie Altersrente ab 63

Das RV-Leistungsverbesserungsgesetz sieht auch die Einführung einer abschlagsfreien Altersrente mit 63 Jahren vor. Hierzu werden die Anspruchsvoraussetzungen für die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ verbessert. Wer 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder mit Berücksichtigungszeiten vorweisen kann, kann ab dem 01.07.2014 bereits mit dem vollendeten 63. Lebensjahr die abschlagsfreie Altersrente beanspruchen. Die Altersgrenze wird mit dieser Änderung vom bisher vollendeten 65. Lebensjahr um zwei Jahre herabgesetzt. Zusätzlich werden in die Wartezeit von 45 Jahren ab 01.07.2014 auch noch weitere rentenrechtliche Zeiten angerechnet werden, z. B. die Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung und Leistungen bei Krankheit sowie Übergangsgeld, wenn diese Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind. Ebenfalls werden ab Juli 2014 freiwillige Beitragszeiten bei der Wartezeit angerechnet, sofern der Versicherte mindestens 18 Jahre an Pflichtbeitragszeiten für eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorweisen kann.

Weiterhin werden jedoch die Zeiten von Arbeitslosengeld II-Bezug und Arbeitslosenhilfe nicht angerechnet.

Ein großes Thema im Gesetzgebungsverfahren war die Anrechnung von Arbeitslosengeld I-Bezugszeiten. Es wurde nun ein rollierender Stichtag eingeführt. Danach werden die Bezugszeiten von Arbeitslosengeld I in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn grundsätzlich bei der Wartezeit nicht berücksichtigt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Arbeitslosigkeit aufgrund einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers eingetreten ist.

Die Altersgrenze vom vollendeten 63. Lebensjahr soll allerdings nicht dauerhaft bestehen bleiben. Ab dem Geburtsjahrgang 1953 wird die Altersgrenze wieder schrittweise auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben, sodass für die Geburtsjahrgänge ab 1964 (wieder bzw. weiterhin) die Altersgrenze vom vollendeten 65. Lebensjahr gilt. Wie die schrittweise Anhebung umgesetzt wird, kann der folgenden Tabelle entnommen werden:

Geburtsjahrgang des Versicherten Anhebung der Altersgrenze um ... Monate

auf das Alter

Jahre                      Monat

bis 1952 0 63 0
1953 2 63 2
1954 4 63 4
1955 6 63 6
1956 8 63 8
1957 10 63 10
1958 12 64 0
1959 14 64 2
1960 16 64 4
1961 18 64 6
1962 20 64 8
1963 22 64 10
ab 1964 24 65 0

Versicherte, die bereits eine Altersrente mit Rentenabschlägen in Anspruch nehmen und bei Einführung der Neuregelung zum 01.07.2014 auch die Voraussetzungen für die abschlagsfreie Altersrente erfüllen, können nicht in die abschlagsfreie neue Altersrente wechseln. Der Wechsel zwischen den Altersrenten wird durch § 34 Abs. 4 SGB VI ausgeschlossen.

Im Jahr 2012 nahmen die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ (in diesem Jahr wurde diese neue Altersrente eingeführt) etwa 12.300 Versicherte in Anspruch. Aufgrund der Verbesserungen zum 01.07.2014 ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Versicherten steigt, die diese Altersrente beantragen. Durch diese besondere Altersrente wird die finanziell entlastende Wirkung der Rente mit 67 gemindert. Hochrechnungen zufolge wird die Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu Leistungsausgaben in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro führen. Durch die Absenkung der Altersgrenze von 65 auf 63 Jahre rechnet die Bundesregierung im Jahr 2014 mit Mehrkosten von etwa 0,9 Milliarden Euro, im Jahr 2030 werden Mehrkosten von 3,1 Milliarden Euro geschätzt.

Verbesserung bei Berechnung Erwerbsminderungsrenten

Die unzureichende Absicherung von erwerbsgeminderten Menschen ist ein aktuelles sozialpolitisches Problem. Daher wird schon seit geraumer Zeit die Verbesserung der Absicherung dieses Personenkreises diskutiert. Während im Jahr 2001 ein Erwerbsgeminderter eine durchschnittliche Rente von 676 Euro monatlich erhielt, waren es im Jahr 2012 nur noch 607 Euro. Die Ursache für die sinkenden Rentenzahlungen liegen unter anderem in der Einführung der Rentenabschläge, aber auch in der Einführung der Versicherungspflicht für Arbeitslosengeld II-Bezieher. Arbeitslosengeld II-Bezieher konnten seit dem Jahr 2005 Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente realisieren; zuvor hatte dieser Personenkreis als Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Hier ist anzumerken, dass seit dem Jahr 2011 keine Beiträge für Arbeitslosengeld II-Bezieher mehr entrichtet werden, wodurch diese Zeit bei der erforderlichen Wartezeit für die Erwerbsminderungsrenten nicht mehr berücksichtigt werden kann. Durch das starke Sinken der Rentenzahlungen wird eine Erwerbsminderung immer mehr zum Armutsrisiko, weshalb der Gesetzgeber nun mit Verbesserungen in diesem Bereich reagiert.

Die Verbesserungen erfolgen dadurch, dass in der Rentenberechnung die Zurechnungszeit um zwei Jahre verlängert wird. Bislang wird bei der Berechnung der Rentenhöhe ein Erwerbsgeminderter so gestellt, als hätte er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres gearbeitet; es wird also eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 60. Lebensjahr berücksichtigt. Damit fehlen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahren fünf Jahre. Dieser Abstand wird aufgrund der Anhebung der Regelaltersgrenze auf das vollendete 67. Lebensjahr auf sieben Jahre schrittweise vergrößert. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wird eine Zurechnungszeit ab Juli 2014 bis zum vollendeten 62. Lebensjahr berücksichtigt. Von dieser Verbesserung profitieren alle Versicherten, die vor Vollendung des 62. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Zu diesem Personenkreis gehören etwa 96 Prozent der Renten-Neuzugänge. Die Höhe der zusätzlichen Rente, welche sich durch Verlängerung der Zurechnungszeit auf das vollendete 62. Lebensjahr ergibt, ist von der individuellen Erwerbsbiographie abhängig, also wann diese beginnt, zu welchem Zeitpunkt die Erwerbsminderung eintritt und wie viele Entgeltpunkte bis zum Eintritt der Erwerbsminderung „erwirtschaftet“ wurden.

Im Durchschnitt wird sich für die Erwerbsgeminderten durch die Verlängerung der Zurechnungszeit eine um etwa 45 Euro höhere monatliche Rentenzahlung ergeben.

Eine weitere Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten sieht das RV-Leistungsverbesserungsgesetz durch eine geänderte rentenrechtliche Bewertung der letzten vier Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung vor. In den meisten Fällen ist das sozialversicherungspflichtige Entgelt vor Eintritt der Erwerbsminderung gesunken, sodass weniger Rentenanwartschaften aufgebaut werden konnten. Ein steigender Anteil der Erwerbsminderungsrentner ist vor Beginn der Rente arbeitslos. Aus diesem Grund werden die letzten vier Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht bei der Bewertung der Zurechnungszeit berücksichtigt, wenn sich dadurch für den Erwerbsgeminderten eine höhere Rentenzahlung durch eine höhere Bewertung der Zurechnungszeit ergibt. Das RV-Leistungsverbesserungsgesetz sieht hier also eine sogenannte „Günstigerprüfung“ vor. Diese Leistungsverbesserung wird voraussichtlich zu höheren Leistungsausgaben von zirka 0,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 führen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Bestandsrentner von der Neuregelung ab 01.07.2014 nicht profitieren. Das heißt, dass es zu keiner neuen Rentenberechnung kommt, wenn die Rente vor dem 01.07.2014 begonnen hat. Dies gilt auch dann, wenn eine Erwerbsminderungsrente befristet bewilligt wurde (was der Regelfall ist) und in der Zeit ab 01.07.2014 lediglich verlängert wird. War beispielsweise eine Erwerbsminderungsrente bis 30.09.2014 befristet und wird anschließend verlängert, werden die Änderungen durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz nicht berücksichtigt, da es sich lediglich um eine Verlängerung handelt und es beim ursprünglichen Rentenbeginn bleibt. Hier liegt kein neuer Leistungsfall vor. Auch allein die Neufeststellung einer Rente, weil beispielsweise neue Versicherungszeiten nachgewiesen werden, führt ebenfalls nicht zu einer Verlängerung der Zurechnungszeit. Wird hingegen eine Nachfolgerente bewilligt – beispielsweise eine Hinterbliebenenrente nach einer Erwerbsminderungsrente – wird die verlängerte Zurechnungszeit berücksichtigt.

Anhebung Reha-Deckel

Schon seit längerer Zeit fordert die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) eine Anhebung des Reha-Budgets, um ein adäquates Versorgungsniveau mit Leistungen zur Rehabilitation aufrecht erhalten zu können. Diese Forderung wurde nun auch mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz aufgegriffen und die Fortschreibung an die demographische Entwicklung gekoppelt.

Hintergrund der Neuregelung ist, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, also die Anhebung der Altersgrenzen für den Bezug einer Altersrente bzw. auch der Wegfall der Altersrente für Frauen und der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit zu einem steigenden Rehabilitationsbedarf führt. Aktuell sind die finanziellen Mittel der Rentenversicherungsträger auf jährlich etwa 5,8 Milliarden Euro gedeckelt; die Fortschreibung erfolgt bislang ausschließlich nach der Lohnentwicklung der Beschäftigten.

Die Leistungsverbesserungen im Rehabilitationsbereich erfolgen, dass der Reha-Deckel (rückwirkend) zum 01.01.2014 bis zum 31.12.2050 auch unter Berücksichtigung einer Demographiekomponente fortgeschrieben wird.

Berücksichtigung Hinzuverdienst bei Ehrenbeamten

Einkünfte von kommunalen Ehrenbeamten, von Versichertenältesten, Versichertenberatern oder Vertrauenspersonen der Sozialversicherungsträger und von Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane werden aufgrund der vom Gesetzgeber geschaffenen Vertrauensregelung nicht als Hinzuverdienst bei den Renten angerechnet. Es handelte sich hier bislang um eine Übergangsregelung, welche bis zum 30.09.2015 befristet war. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde die Übergangsregelung um weitere zwei Jahre bis zum 30.09.2017 verlängert.

Fazit

Durch die im RV-Leistungsverbesserungsgesetz wird es bis zum Jahr 2020 zu Mehrausgaben im Volumen von etwa 60 Milliarden Euro kommen. Diese zusätzlichen Ausgaben werden zu 60 Prozent von den Beitragszahlern in Form einer höheren Beitragszahlung aufgebracht. 15 Prozent der Mehrausgaben werden durch die Steuerzahler aufgebracht, da hier der Bund den Rentenkassen höhere Zuschüsse zur Verfügung stellt. 25 Prozent der Mehrausgaben müssen von den Rentnerinnen und Rentnern durch höhere Beitragssätze und dadurch aufgebracht werden, dass die künftigen Rentenanpassungen gedämpft werden und damit das Rentenniveau weiter sinken wird.

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