Bundessozialgericht vom 12.12.2011, Az. B 13 R 29/11 R

Im Herbst 2011 zog ein Rechtstreit vor dem Bundessozialgericht das Interesse zahlreicher Rentner auf sich. Die Bundesrichter mussten entscheiden, ob die letzten drei Monate vor der Rente für die Rentenberechnung korrekt beurteilt wurden und ob ggf. tausende Rentner eine zu niedrige Rente erhalten.

Nun liegt die Urteilsbegründung des Bundessozialgerichts vor. Das Urteil kann für die Rentner mehr Geld bedeuten. Doch hier muss der Einzelfall betrachtet werden.

Die Rentenhochrechnung

Geht ein Arbeitnehmer in Rente, besteht grundsätzlich Interesse daran, dass sich die Rentenzahlung möglichst nahtlos an die bisherige Beschäftigung anschließt. Die Rente soll also zeitnah ausgezahlt werden, ohne dass zwischen der letzten Entgeltzahlung des Arbeitgebers und der ersten Rentenzahlung in finanzielles „Vakuum“ entsteht. Der Gesetzgeber räumt hier den Neu-Rentnern die Möglichkeit ein, dass die letzten drei Monate vor Rentenbeginn hochgerechnet werden. Das heißt, dass ein Durchschnitt der letzten zwölf Monate errechnet wird und dieser für das letzte Vierteljahr vor Rentenbeginn maßgebend ist.

Bekommt der Arbeitnehmer in den letzten drei Monaten des Beschäftigungsverhältnisses noch ein Entgelt, welches höher als der Durchschnitt der letzten zwölf Monate davor ist, müssen daraus Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden. Die Rente wird jedoch nur aus dem geringeren, hochgerechneten Entgelt berechnet. Dies kann im Einzelfall zu einer geringeren Rente führen.

Ein Rentner hat gegen die sogenannte Hochrechnung der letzten drei Monate geklagt, da ihm bei einer Berechnung nach dem tatsächlichen Entgelt eine – wenn auch nur geringfügig – höhere Rente zugestanden hätte als nach dem hochgerechneten, fiktiven Entgelt.

Richter bestätigen grundsätzlich die Hochrechnung

Die Hochrechnung, so wie sie das Gesetz vorsieht, wurde von den Richtern des Bundessozialgerichts grundsätzlich bestätigt (Urteil vom 12.12.2011, Az. B 13 R 29/11 R), also als rechtlich korrekt angesehen. Dennoch wurde der Rechtstreit an das zuständige Landessozialgericht zurückgegeben. Nach Ansicht des Gerichts wurde der Kläger nämlich nicht ausreichend über die Konsequenzen einer Hochrechnung aufgeklärt. Auch die Rentenformulare sind nicht eindeutig genug, damit der Rentenantragsteller die Folgen genau erkennen kann, welche mit einer Hochrechnung einhergehen. Diese Frage muss jetzt das Landessozialgericht nochmals klären. Anhand dieses Ergebnisses wird entschieden, ob die Rente neu – also nach dem tatsächlichen und nicht nach dem hochgerechneten Entgelt – berechnet werden muss.

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Was muss bei einem Rentenantrag beachtet werden?

Werden in den letzten drei Monaten vor Rentenbeginn noch Zahlungen erwartet, die über das übliche Maß bzw. die üblichen Zahlungen hinausgehen, sollte auf keinen Fall einer Rentenhochrechnung zugestimmt werden. Hier empfiehlt es sich, die Meldung des Arbeitgebers abzuwarten, mit der das tatsächliche beitragspflichtige Arbeitsentgelt gemeldet wird. Die Entgeltmeldung muss der Arbeitgeber spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Beschäftigung erstellen.

Um welche Zahlungen kann es sich hier handeln?

Bei den Zahlungen des Arbeitgebers, die über die bisher bezogenen Arbeitsentgelte hinausgehen, kann es sich um Zahlungen handeln, welche wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geleistet werden. Als Beispiele sind hier Abfindungen, Prämien, Abgeltung von Urlaubsansprüchen usw. zu nennen.

Ich habe eine Rentenhochrechnung beantragt. Soll ich eine Neuberechnung der Rente fordern?

Hier ist zwingend der Einzelfall zu betrachten! Wurden in den letzten drei Monaten der Hochrechnung keine außergewöhnlichen Arbeitsentgelte bezogen, wird auch eine Neuberechnung zu keiner höheren Renten führen. Lagen jedoch beitragspflichtige Zahlungen vor, welche über das in der Hochrechnung gemeldete Entgelt hinausgehen, muss ein sogenannter „sozialrechtlicher Herstellungsanspruch“ geprüft werden. War die Beratung diesbezüglich nur unzureichend, weil Sie die konkrete Auswirkung der Hochrechnung nicht kennen konnten bzw. die Rentenantragsformulare missverständlich waren, besteht durchaus eine Erfolgsaussicht, eine höhere Rente zu erlangen.

Die Hochrechnung wurde jetzt ja gerichtlich bestätigt. Was müssen Neu-Rentner künftig beachten?

Rentenantragsteller müssen sich genau überlegen, ob sie einer Rentenhochrechnung zustimmen und sich über die Auswirkungen konkret beraten lassen. Werden vom Arbeitgeber noch Zahlungen erwartet, die über die bisherigen Zahlungen hinausgehen, sollte einer Hochrechnung nicht zugestimmt werden. Empfehlenswert ist hier, die korrekte Meldung des Arbeitgebers abzuwarten. Die Rente wird dann zwar nicht zeitnah nach dem Ende der Beschäftigung ausgezahlt, jedoch geht keine Zahlung verloren. Wurde die Rente berechnet, wird diese auch rückwirkend nachgezahlt.

Hochrechnung versus Vorschuss nach § 42 SGB I

Mit § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) wird geregelt, dass Versicherte beim zuständigen Leistungsträger bei einem Anspruch auf eine Geldleistung einen Vorschuss geltend machen können (s. hierzu auch Vorschüsse nach § 42 SGB I). Wird eine gesetzliche Rente als Vorschuss gewährt, spricht man von der sogenannten „Vorschussrente“.

Einen Vorschuss kann der zuständige Leistungsträger von Amts wegen gewähren. Der Vorschuss auf die Geldleistung kann jedoch auch explizit beantragt werden. In diesen Fällen muss der Leistungsträger dann – sofern die Voraussetzungen für die Gewährung des Vorschusses gegeben sind – den Vorschuss auch gewähren.

In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, insbesondere wenn die beantragte Rentenhochrechnung zu einer geringen Rentenhöhe und damit zu finanziellen Einbußen führen würde, ob die Rente dann nicht als Vorschussrente beantragt werden kann. Die zwei Möglichkeiten (Hochrechnung der Rente / Vorschussrente), eine zeitnahe Rentenbescheiderteilung zu erzielen, stehen jedoch nicht im Gegensatz. Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass ein Verzicht auf die Hochrechnung nicht automatisch (von Amts wegen durch den Rentenversicherungsträger) zur Bewilligung einer Vorschussrente führt, da dies gegen den Sinn und Zweck der Hochrechnung spricht. Sollten besondere Umstände zu einer verzögerten Rentenfeststellung führen, steht eine Gewährung einer Vorschussrente dem nicht entgegen. Die verzögerte Rentenfeststellung kann beispielsweise dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber die Abmeldung verspätet erstellt.  

Zu beachten ist, dass die Antragsformulare auf eine Rente keine gesonderte Frage beinhalten, ob die Rente als Vorschuss beantragt wird. Wenn der Vorschuss geltend werden soll, muss dies dem Rentenversicherungsträger daher gesondert mitgeteilt und bei diesem beantragt werden, beispielsweise durch einen Vermerk auf den Formvordrucken oder durch ein gesondertes formloses Anschreiben.