BSG bestätigt Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten

Mit vier Urteilen vom 14.08.2008 (Az.: B 5 R 32/07 R; B 5 R 88/07 R; B 5 R 140/07 R und B 5 R 98/07 R) hat das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit der Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem vollendeten 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, bestätigt. Damit hat das höchste Sozialgericht eine einheitliche Rechtsauffassung vertreten.

Hintergrund

Mit Wirkung ab 01.01.2001 wurde mit § 77 Abs. 2 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI – geregelt, dass sich der Zugangsfaktor für die Berechnung der Entgeltpunkte bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den die Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres beansprucht wird, um 0,3 Prozent vermindert.

Wird die Rente vor dem 60. Lebensjahr beansprucht, gilt die Zeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als eine Zeit der vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit dieser Regelung stellte der Gesetzgeber sicher, dass die Rentenabschläge auf maximal 10,8 Prozent (36 Monate x 0,3 Prozent) beschränkt sind.

Gegenteiliges BSG-Urteil

Da bereits eine Klägerin gegen die Regelung der Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten geklagt hatte, hatte das Bundessozialgericht (5. Senat) im Mai 2006 mit einem Urteil (Az. B 4 RA 22/05) der Klägerin Recht gegeben. Hierbei hatte das BSG u. a. ausgeführt:

Das Gesetz schließt ausdrücklich einen verringerten Zugangsfaktor (Rentenabschlag) für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus. Vielmehr legt das Gesetz fest, dass Erwerbsminderungsrenten erst dann einer Bestimmung des Zugangsfaktors unterworfen sind, wenn der Rentner das 60. Lebensjahr vollendet hat und damit erstmals ein Ausweichen vor Abschlägen bei Altersrenten überhaupt theoretisch möglich wird“.

Aufgrund des für die Klägerin positiven Urteils hatte die Thematik in der Öffentlichkeit reges Interesse erzeugt. In der Folge wurden Widersprüche gegen die Praxis der Rentenversicherungsträger, die in der Praxis weiterhin Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten berechneten, eingelegt.

Nun wurden vier weitere Muster-Streitverfahren vor das Bundessozialgericht gebracht, über die nun der 4. Senat entschieden hatte.

Rentenabschläge rechtmäßig

In den vier Urteilen des 4. Senats des Bundessozialgerichts wurde eine einheitliche Rechtsauffassung vertreten und explizit bestätigt, dass bei den Erwerbsminderungsrenten, die vor dem vollendeten 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, ein Rentenabschlag von maximal 10,8 Prozent korrekt ist.

Begründet wurden die Klagen u. a. damit, dass niemand den Zeitpunkt bestimmen kann, wann eine Erwerbsminderung eintritt. Daher ist die seit 2001 geltende Regelung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten sowohl unsozial als auch verfassungswidrig.

Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts

Die höchsten Sozialrichter sahen mit der Abschlagsregelung jedoch keine Rechtswidrigkeit. Denn der Gesetzgeber hat die Regelung vor allem deshalb eingeführt, um die Rentenkassen finanziell zu entlasten. Dieser Schritt wurde deshalb notwendig, da es aufgrund der Bevölkerungsentwicklung immer mehr Rentner gibt und zudem sich die Rentenbezugszeiten verlängern. Dass der Gesetzgeber sich zu diesem Schritt entschlossen hat, kann nicht beanstandet werden. Dies steht in seiner Entscheidungsfreiheit und geschah nicht willkürlich.

Hätte der Gesetzgeber die Rentenabschläge bei den Erwerbsminderungsrenten nicht eingeführt, müssten die Rentenkassen jährlich zusätzlich 1,8 Milliarden Euro höhere Rentenausgaben leisten. Dadurch wäre ein um 0,2 Prozentpunkte höherer Beitragssatz erforderlich.

Das Bundessozialgericht stellte auch die mit der Einführung der Rentenabschläge bei den Erwerbsminderungsrenten zusätzliche Verlängerung der Zurechnungszeit bis zum vollendeten 63. Lebensjahr heraus. Auf diesen Punkt wurde durch die Kläger gänzlich nicht eingegangen.

Eventuell Verfassungsbeschwerde

Mit der BSG-Entscheidung vom 14.08.2008 können nun alle Widerspruchsverfahren bzw. Überprüfungsverfahren, die zum Ruhen gebracht wurden, grundsätzlich abgeschlossen werden.

Es kann jedoch sein, dass das Thema „Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten“ nun doch noch nicht endgültig entschieden ist. Die Kläger bzw. deren Rechtsvertreter überlegen derzeit, ob eventuell noch eine Verfassungsbeschwerde erfolgt. Sollte tatsächlich das Bundesverfassungsgericht wegen dieser Thematik angerufen werden, ist dessen Entscheidung noch abzuwarten. In diesem Fall können die aktuell zum Ruhen gebrachten Widerspruchsverfahren und Überprüfungsverfahren noch nicht zum Abschluss gebracht werden.

Fazit

Mit den vier gleichlautenden Urteilen vom 14.08.2008 des Bundesgerichts wird ein jahrelanger Rechtsstreit bezüglich der Rechtmäßigkeit der Rentenabschläge bei Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr beansprucht werden, beendet. Nachdem bereits im Mai 2006 ein Senat des BSG eine gegenteilige Auffassung vertreten hatte, hat die gesamte Thematik sogar das Bundessozialgericht gespalten.

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