Der Rentenbeginn von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Das gesetzliche Rentenrecht kennt drei Arten von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Hierbei handelt es sich um die „Rente wegen voller Erwerbsminderung“, der „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung“ und der „Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit“.

Sofern die Anspruchsvoraussetzungen auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt sind, muss der Rentenbeginn beurteilt werden. Der Beginn einer Erwerbsminderungsrente beurteilt sich grundsätzlich nach § 99 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Bei den Erwerbsminderungsrente gibt es jedoch auch Besonderheiten hinsichtlich des Rentenbeginns. Diese Besonderheiten sind in § 101 Abs. 1 und Abs. 1a SGB VI definiert.

Grundsatz nach § 99 SGB VI

Mit § 99 SGB VI wird der grundsätzliche Rentenbeginn von Renten aus eigener Versicherung – zu denen die Erwerbsminderungsrenten gehören – geregelt. Nach dieser Rechtsvorschrift beginnt die Rente von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, sofern die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

Bei späterer Antragstellung wird die Rente von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

Die Rechtsvorschrift des § 99 SGB VI stellt diesbezüglich eine Grundnorm dar, welche sowohl bei der Erstbewilligung der Rente als auch bei der Weiterzahlung anzuwenden ist. Ebenfalls findet die gesetzliche Regelung des § 99 SGB VI Anwendung, wenn während einer laufenden Rentenzahlung ein Anspruch auf eine höhere Rentenart entsteht. Das heißt, dass § 99 SGB VI zur Anwendung kommt, wenn bei einem laufenden Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bzw. einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit) die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt werden.

Beispiel:

Ein Versicherter ist ab dem 15.06.2023 erwerbsgemindert. Die Erwerbsminderung liegt auf Dauer vor, sodass die Erwerbsminderungsrente unbefristet (bis zur Regelaltersgrenze) bewilligt werden muss.

A: Die Rente wird am 12.07.2023 beantragt.
B: Die Rente wird am 04.10.2023 beantragt.

Konsequenz – Variante A:

Der erste Monat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ist der Juli 2023. Damit beginn die Rente am 01.07.2023, da auch die Antragstellung innerhalb der Drei-Kalendermonats-Frist (01.07.2023 bis 30.09.2023) erfolgt.

Konsequenz – Variante B:

Der erste Monat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ist der Juli 2023. Die Antragstellung erfolgt allerdings außerhalb der Drei-Kalendermonats-Frist (01.07.2023 bis 30.09.2023), sodass die Rente am 01.10.2023 – also mit Beginn des Antragsmonats – beginnt.

Hinweis: Tritt an einem Monatsersten die Erwerbsminderung ein, beginnt – bei einer rechtzeitigen Antragstellung – der Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente am Monatsersten des Folgemonats. Dies ist deshalb der Fall, da die Erwerbsminderung stets erst im Laufe des Tages des festgestellten Eintritts der Erwerbsminderung beginnt und damit noch nicht zu Monatsbeginn (also um 0:00 Uhr am Monatsersten) vorlag.

Sollte der letzte Tag der Drei-Kalendermonats-Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fallen, verlängert sich die Frist bis zum nächsten Werktag.

Sonderfall nach § 101 Abs. 1 SGB VI (befristete Erwerbsminderungsrenten)

Die Rechtsvorschrift des § 101 Abs. 1 SGB VI enthält eine Sondervorschrift zum Beginn von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Danach werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

Da Erwerbsminderungsrente grundsätzlich auf Zeit – also befristet – geleistet werden (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) handelt es sich bei dem Sonderfall nach § 101 Abs. 1 SGB VI eigentlich um den „Standard“, nachdem der Rentenbeginn beurteilt werden muss. Nur wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder behoben wird, wird die Rente unbefristet (bis zur Regelaltersgrenze) bewilligt und es kommt § 99 SGB VI zur Anwendung.

Bei den befristeten Renten spricht man auch von sogenannten Zeitrenten.

Dass befristete Erwerbsminderungsrenten nicht vor dem Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Erwerbsminderung geleistet werden, bedeutet eine „Wartezeit“ von sechs Monaten. Diese Wartezeit hat der Gesetzgeber deshalb eingeführt, da damit eine Risikoverteilung zwischen der Krankenversicherung oder auch der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung angestrebt wird. Im Regelfall zahlen unmittelbar nach Eintritt der Erwerbsminderung die Krankenkassen zunächst die Entgeltersatzleistung Krankengeld oder das Arbeitsamt Arbeitslosengeld (bzw. Leistungsfortzahlung von Arbeitslosengeld für bis zu sechs Wochen).

Grundsätzlich besteht auch bei den befristeten Erwerbsminderungsrenten eine Antragsfrist von drei Kalendermonaten. Eine Antragstellung erst nach der Drei-Kalendermonats-Frist hat aufgrund des späteren Leistungsbeginns für den Versicherten keine negative Auswirkung. Die negative Auswirkung würde erst dann eintreten, wenn der Rentenantrag auf die Erwerbsminderungsrenten erst nach Ablauf des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung gestellt werden würde.

Beispiel:

Ein Versicherter ist ab dem 15.02.2023 erwerbsgemindert. Die Erwerbsminderungsrente wird zunächst befristet für drei Jahre bewilligt, da nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder behoben wird.

A: Die Rente wird am 12.04.2023 beantragt.
B: Die Rente wird am 07.11.2023 beantragt.

Konsequenz – Variante A:

Die Rente beginnt, da sie innerhalb der Sechs-Kalendermonats-Frist (01.03.2023 bis 31.08.2023) beantragt wird, am 01.09.2023.

Konsequenz – Variante B:

Die Rente wird nicht innerhalb der Sechs-Kalendermonats-Frist (01.03.2023 bis 31.08.2023) beantragt, sodass sie erst mit dem Monat der Rentenantragstellung beginnt. Dies ist in diesem Fall der 01.11.2023.

Hinweis: Unter bestimmten Voraussetzungen gilt ein Rehabilitationsantrag als Rentenantrag. Wenn die Rentenantragsfiktion des § 116 SGB VI zum Tragen kommt, gilt der Tag der Antragstellung auf die Rehabilitationsmaßnahme als Tag der Rentenantragstellung, der dann auch für die Beurteilung des Rentenbeginns herangezogen wird. S. hierzu: Rentenantragsfiktion | § 116 SGB VI

Sonderfall nach § 101 Abs. 1a SGB VI

Mit § 101 Abs. 1a SGB VI wird ein weiterer Sonderfall definiert, mit dem der Beginn von befristeten Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, geregelt wird.

Diese Rechtsvorschrift ist erforderlich, damit für die Versicherten eine Sicherungslücke durch die grundsätzliche sechsmonatige Wartezeit geschlossen wird.

Damit ein Rentenbeginn vor Ablauf der Sechs-Kalendermonats-Frist zum Tragen kommt, muss vor Erreichung des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung ein Anspruch auf Arbeitslosigkeit entfallen aufgrund der Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger entfallen.

Ebenfalls kommt die Sonderregelung des § 101 Abs. 1a SGB VI zum Tragen, wenn der Anspruch auf Krankengeld von der Gesetzlichen Krankenversicherung wegen Erreichens der Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V (s. Krankengeld | Höchstanspruch | § 48 SGB V) bzw. auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nach der Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Rentenversicherungsträger endet.

Die Erwerbsminderungsrenten werden in den Sonderfällen des § 101 Abs. 1a SGB VI von dem Tag an geleistet, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Krankentagegeld endet.

Beispiel:

Ein Versicherter ist ab dem 15.02.2023 voll erwerbsgemindert. Die Erwerbsminderungsrente wird zunächst befristet für drei Jahre bewilligt, da nicht unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder behoben wird.

Der Versicherte beantragt die Rente am 19.03.2023. Nach Feststellung der vollen Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger am 03.04.2023 endet der Krankengeldanspruch aufgrund des Erreichens der Höchstbezugsdauer (§ 48 SGB V) am 14.04.2023.

Konsequenz:

Grundsätzlich würde die Erwerbsminderungsrente – da auch eine rechtzeitige Rentenantragstellung gegeben ist – mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung beginnen. Dies wäre hier der 01.09.2023.

Da die Anspruchsvoraussetzungen des § 101 Abs. 1a SGB VI vorliegen, beginnt die volle Erwerbsminderungsrente am Tag nach dem Ende des Krankengeldanspruchs. In diesem Beispiel beginnt die Erwerbsminderungsrente am 15.04.2023.

Weiterzahlung von befristeten Renten

Bei einer Weiterzahlung einer befristeten Erwerbsminderungsrente wird nicht mehr auf den Antragszeitpunkt abgestellt. Das bedeutet, dass bei einer verzögerten Antragstellung nicht mehr auf § 101 SGB VI abgestellt wird, sofern die Voraussetzungen für die Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente über den ursprünglichen Befristungszeitraum weiterhin vorliegen. Die Erwerbsminderungsrente wird dann unabhängig vom Antragszeitpunkt nahtlos weitergezahlt, sofern die Leistungsansprüche nicht nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verjährt sind.

Weitere Artikel zum Thema:

Rentenversicherung

Rentenversicherung

Gesetzliche Rentenversicherung

Krankenversicherung

Krankenversicherung

Gesetzliche Krankenversicherung

Pflegeversicherung

Pflegeversicherung

Gesetzliche Pflegeversicherung

Unfallversicherung

Unfallversicherung

Gesetzliche Unfallversicherung