Zugangsfaktor

Der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI

Der Zugangsfaktor spielt im Rahmen der Rentenberechnung – Berechnung einer gesetzlichen Rente – eine bedeutende Rolle. Die im Rahmen der Rentenberechnung ermittelten Entgeltpunkte werden durch Multiplikation mit dem Zugangsfaktor zu den persönlichen Entgeltpunkten.

Mit dem Zugangsfaktor werden die in einer Rente zu berücksichtigenden Rentenabschläge und Rentenzuschläge rechnerisch umgesetzt. Der Zugangsfaktor wird in der Rechtsvorschrift des § 77 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt.

Mit § 77 Abs. 1 SGB VI wird geregelt, dass sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod richtet und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind.

Historie

Der Zugangsfaktor ist seit dem 01.01.1992, also seit Einführung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, in dem die Gesetzliche Rentenversicherung geregelt wird, Bestandteil der Rentenberechnung.

Für die Zeit bis 31.12.2000 hatte es einen von 1,0 abweichenden Zugangsfaktor nur für die Altersrenten gegeben. Ab dem 01.01.2001 wurde der von 1,0 abweichende Zugangsfaktor mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (kurz: EM-ReformG) auch auf die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die Hinterbliebenenrenten und die Erziehungsrenten ausgedehnt.

Zugangsfaktor 1,0

Sofern der Zugangsfaktor 1,0 beträgt, sind die errechneten Entgeltpunkte mit den persönlichen Entgeltpunkten identisch.

Nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 SGB VI beträgt der Zugangsfaktor 1,0, wenn:

  • eine Altersrente mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnt,
  • eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Erziehungsrenten mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird,
  • bei einer Hinterbliebenenrente der Versicherte erst im Kalendermonat oder nach Ablauf des Kalendermonats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wurde, verstirbt.

Zugangsfaktor kleiner als 1,0

Beträgt der Zugangsfaktor weniger als 1,0, dann liegen die persönlichen Entgeltpunkte unter den errechneten Entgeltpunkten.

Der Zugangsfaktor ist kleiner als 1,0, wenn:

  • eine Altersrente vor dem für diese Rente maßgebenden Lebensalter beansprucht wird,
  • eine Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Erziehungsrente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres beansprucht wird,
  • eine Hinterbliebenenrente beansprucht wird und der Verstorbene vor Ablauf des Kalendermonats verstirbt, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wurde (sofern der Verstorbene noch keine Rente beansprucht hat).

Die Minderung des Zugangsfaktor beträgt 0,003 je vollen Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme. Dies entspricht einem Abschlag von 0,3 Prozent je Kalendermonat. Bei den Erwerbsminderungsrenten, Erziehungsrenten und Hinterbliebenenrenten beträgt der Rentenabschlag maximal 10,8 Prozent, sodass der Zugangsfaktor mindestens 0,892 entspricht.

Beispiel:

Ein Versicherter ist am 15.03.1956 geboren. Die abschlagsfreie Altersrente kann im Februar 2022 beansprucht werden.

Da der Versicherte die Voraussetzungen für die Altersrente für langjährig Versicherte erfüllt, nimmt er diese Rente vorzeitig ab April 2019 in Anspruch.

Konsequenz:

Die Altersrente wird ab April 2019 um 34 Monate vorzeitig in Anspruch genommen. Das heißt, dem Versicherten werden Rentenabschläge von (34 Monate x 0,3 Prozent) 10,2 Prozent in Abzug gebracht.

In der Rentenformel werden die Abschläge umgesetzt, indem der Zugangsfaktor mit 0,898 festgesetzt wird.

Zugangsfaktor größer als 1,0

Beträgt der Zugangsfaktor mehr als 1,0, dann liegen die persönlichen Entgeltpunkte über den errechneten Entgeltpunkten.

Wird eine Altersrente nicht bereits mit Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen, der Zeitpunkt der Inanspruchnahme also hinausgeschoben, erhöht sich der Zugangsfaktor. Die Erhöhung erfolgt im Umfang von 0,005 je Monat der späteren Inanspruchnahme. Dies entspricht einem Zuschlag von 0,5 Prozent je Kalendermonat.

Die Regelaltersgrenze wird für Versicherte der Geburtsjahrgänge bis 1963 schrittweise vom vollendete 65. Lebensjahr auf das vollendete 67. Lebensjahr angehoben. Die je Geburtsjahrgang maßgebende Regelaltersgrenze kann unter: Anhebung Regelaltersgrenze nachgelesen werden. Für die Geburtsjahrgänge ab 1964 gilt dann einheitlich das vollendete 67. Lebensjahr als Regelaltersgrenze.

Beispiel:

Ein Versicherter erreicht die Regelaltersgrenze ab April 2020, sodass ab diesem Monat die Regelaltersrente in Anspruch genommen werden kann.

Die Rente wird jedoch erst für die Zeit ab April 2021 beantragt.

Konsequenz:

Die Inanspruchnahme der Altersrente wird vom Versicherten um 12 Monate hinausgeschoben. Das heißt, dass ein Rentenzuschlag von (12 Monate x 0,5 Prozent) 6,0 Prozent zu gewähren ist.

In der Rentenformel werden die Zuschläge umgesetzt, indem der Zugangsfaktor auf 1,060 festgesetzt wird.

Waren bei einem Versicherten trotz Erreichen der Regelaltersgrenze Entgeltpunkte noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten, wird für diese auch bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente der Zugangsfaktor im 0,005 erhöht.

Die Erhöhung des Zugangsfaktors hat seit 01.07.2017 (Änderungen im Rahmen der Flexirente) an Bedeutung gewonnen. Seitdem können auch über den Rentenbeginn bzw. über das Erreichen der Regelaltersgrenze noch Beiträge geleistet werden können. Diese hieraus – aus den Beiträgen, welche nach Erreichen der Regelaltersgrenze geleistet werden – zu errechnenden Entgeltpunkte erfahren ebenfalls einen Rentenzuschlag von 0,5 Prozent je Monat (§ 77 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Renten, deren Berechnung 40 Pflichtbeitragsjahre zugrunde liegen

Mit § 77 Abs. 4 SGB VI wird geregelt, dass bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Hinterbliebenenrenten, deren Berechnung 40 Jahre mit den in § 51 Abs. 3a und 4 SGB VI und mit den in § 52 Abs. 2 SGB VI genannten Zeiten zugrunde liegen, die Absätze 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle der Vollendung des 65. Lebensjahres die Vollendung des 63. Lebensjahres und an die Stelle der Vollendung des 62. Lebensjahres die Vollendung des 60. Lebensjahres tritt.

Der § 77 Abs. 4 SGB VI wurde durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz eingeführt. Diese Regelung wurde aufgrund der neuen „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“, welche nach 45 Pflichtbeitragsjahren beansprucht werden kann (wenn das hierfür maßgebende Lebensalter erreicht ist), geschaffen. Für die Versicherten gilt mit 40 Pflichtbeitragsjahren noch das bisherige Recht.

Die Regelung des § 77 Abs. 4 SGB VI wird für die Berechnung der Erwerbsminderungsrenten und der Hinterbliebenenrenten angewandt. Die Erziehungsrente wird hiervon nicht erfasst, da es sich bei dieser Rente um keine Hinterbliebenenrente handelt.

Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rentenberechnung waren

Grundsätzlich wird bei den Entgeltpunkten, welche bei einer evtl. früheren Rentenberechnung (z. B. Bezug einer Erwerbsminderungsrente vor dem Bezug einer Altersrente) noch nicht als Berechnungsgrundlage herangezogen wurden, der für diese Rente maßgebende Zugangsfaktor angesetzt.

Entgeltpunkte, welche hingegen bereits bei einer früheren Rentenberechnung die Grundlage waren, behalten hierauf nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin den früheren Zugangsfaktor.

Beispiel:

Ein Versicherter bezog eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Bei der Berechnung der Rente wurden 48,0000 Entgeltpunkte errechnet. Da es sich bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente um die halbe Rente handelt, wurde eine Rentenleistung aus 24,0000 Entgeltpunkten gewährt. Diese 24,0000 Entgeltpunkte wurden mit dem Zugangsfaktor 0,892 in persönliche Entgeltpunkte umgerechnet (bei Erwerbsminderungsrenten ist grundsätzlich ein Rentenabschlag von 10,8 Prozent in Kauf zu nehmen).

Während des Bezugs der teilweisen Erwerbsminderungsrente hat der Versicherte noch teilweise eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, im Rahmen derer Pflichtbeiträge geleistet wurden.

Bei der Berechnung der Altersrente, welche abschlagsfrei in Anspruch genommen wird, errechnen sich 65,0000 Entgeltpunkte.

Konsequenz:

24,0000 Entgeltpunkte werden weiterhin mit dem Zugangsfaktor von 0,892 in persönlichen Entgeltpunkte umgerechnet.

Die Differenz zu den errechneten Entgeltpunkten, also (65,0000 – 24,0000) 41,0000 Entgeltpunkte, werden mit den Zugangsfaktor 1,0 in persönliche Entgeltpunkte umgerechnet.

Zugangsfaktor für Zuschläge im Rahmen der Grundrente

Durch die Einführung der Grundrente zum 01.01.2021 im Rahmen des Grundrentengesetzes wurde dem § 77 SGB VI ein Absatz 5 angefügt. Dieser Absatz regelt, dass von § 77 SGB VI die Absätze 1 bis 4 entsprechend für die Ermittlung des Zugangsfaktors für die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB VI gesondert zu bestimmenden persönlichen Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung gelten.

Die Entgeltpunkte aus dem Zuschlag im Rahmen der Grundrente unterliegen einer separaten Einkommensanrechnung (nach § 97a SGB VI). Es muss deshalb für den Zuschlag ein eigener Zugangsfaktor bestimmt und fortgeschrieben werden, für den die allgemeinen Regelungen (des § 77 Abs. 1 bis 4 SGB VI und des § 263d SGB VI) gelten.

Liegt der Rentenbeginn vor dem 01.01.2021 (Bestandsrenten), wird der Zugangsfaktor nach § 307e Abs. 3 Satz 2 SGB VI und § 307f Abs. 7 SGB VI auf den Höchstwert 1,0 begrenzt.

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