Soziale Pflegeversicherung

 Allgemeines zur Sozialen Pflegeversicherung nach § 1 SGB XI

Mit der Rechtsvorschrift des § 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wird die Einführung der Sozialen Pflegeversicherung, die Grundstrukturen dieses Sozialversicherungszweigs und der versicherte Personenkreis im Allgemeinen beschrieben.

Der § 1 SGB XI befindet sich in den „Allgemeinen Vorschriften“, welche für die Soziale Pflegeversicherung gelten.

Schaffung eines eigenständigen Sozialversicherungszweigs

Mit § 1 Abs. 1 SGB XI wird bzw. wurde gesetzlich geregelt, dass zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit als neuer eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eine Soziale Pflegeversicherung geschaffen wird.

Diese gesetzliche Regelung wurde mit Artikel 1 des Gesetzes vom 26.05.1994 (Bundesgesetzblatt I S. 1014) für die Zeit ab 01.01.1995 eingeführt. Näheres zur Geschichte der Pflegeversicherung und deren Einführung im Jahr 1995 kann unter: Geschichte der Pflegeversicherung nachgelesen werden.

Die Soziale Pflegeversicherung gehört dem öffentlichen Recht an.

Die Einführung der Pflegeversicherung erfolgte nach der (damaligen) gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 5 SGB XI in Stufen. Für die Zeit ab 01.04.1995 wurden die Leistungen bei häuslicher Pflege und für die Zeit ab 01.07.1996 zusätzlich die Leistungen bei stationärer Pflege gewährt.

Soziale und Private Pflegeversicherung

§ 2 Abs. 2 SGB XI regelte, dass kraft Gesetzes alle in den Schutz der Sozialen Pflegeversicherung einbezogen werden, die in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Wer jedoch bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert ist, muss eine private Pflegeversicherung abschließen.

Anfangs verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, eine einheitliche Pflegeversicherung zu etablieren, in der die gesamte Bevölkerung versichert ist bzw. dieser Versicherung angehört. Dieses Ziel wurde jedoch am 27.05.1993 aufgegeben. Seinerzeit wurde beschlossen, dass es sowohl eine Soziale Pflegeversicherung als auch eine Private Pflegeversicherung geben wird, welche zusammen die gesetzliche Pflegeversicherung bilden.

Die Vorschriften, wann eine Person als pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung eingestuft wird, gelten für die Soziale und die Private Pflegeversicherung gleichermaßen. Dies gilt auch für die Art und Höhe der Leistungen, welche der Leistungskatalog vorsieht. Unterschiede zwischen den beiden Pflegeversicherung ergeben sich jedoch beim versicherten Personenkreis, bei den Beitragsregelungen und bei der Organisation.

Träger der Sozialen Pflegeversicherung

Nach § 1 Abs. 3 SGB XI sind die Pflegekassen die Träger der Sozialen Pflegeversicherung. Die Aufgaben der Sozialen Pflegeversicherung werden von den Krankenkassen wahrgenommen.

Mit dieser gesetzlichen Regelung wird aufgezeigt, dass die Aufgaben der Sozialen Pflegeversicherung hinsichtlich Wahrnehmung und Durchführung den gesetzlichen Krankenkassen obliegt. Hier wird auf § 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verwiesen. In § 4 SGB V werden die Kassenarten der Gesetzlichen Krankenversicherung (Allgemeine Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Krankenversicherung und die Ersatzkassen) aufgeführt.

Die Soziale Pflegeversicherung wurde also unter dem Dach der Gesetzlichen Krankenversicherung errichtet, womit kein neuer bzw. eigener Verwaltungsapparat geschaffen werden musste. Es konnte auf die Erfahrungen der Krankenkassen zurückgegriffen werden, welche bis zur Einführung der Sozialen Pflegeversicherung bereits Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach dem SGB V geleistet haben.

Der Verwaltungsaufwand, der den Pflegekassen für die Durchführung der Geschäfte der Pflegeversicherung entstehen, muss diesen einschließlich der Personalkosten jedoch erstattet werden (§ 46 Abs. 3 SGB XI).

Zielvorstellungen der Sozialen Pflegeversicherung

Mit § 1 Abs. 4 SGB XI wird die Zielvorstellung der Sozialen Pflegeversicherung im Allgemeinen beschrieben. Danach hat die Pflegeversicherung die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind.

Mit dieser Rechtsvorschrift wird bereits verdeutlicht, dass die Soziale Pflegeversicherung nicht als Vollversicherung ausgelegt ist und nicht jede Erscheinungsform von Pflegebedürftigkeit zu einem Leistungsanspruch führen kann. Die Soziale Pflegeversicherung soll auch nicht für Leistungen aufkommen müssen, sofern bei einem Versicherten nur kurzzeitig Hilfeleistungen erforderlich werden. Sofern eine Hilfeleistung ausschließlich in der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich wird, führt dies ebenfalls nicht zu einer Leistungspflicht der Sozialen Pflegeversicherung.

Die Solidargemeinschaft der Sozialen Pflegeversicherung soll erst dann mit Leistungen aufkommen müssen, wenn eine entsprechende Pflegebedürftigkeit vorliegt. Die Pflegebedürftigkeit, die zu einem Leistungsanspruch führt, war bis zum Jahr 2016 in Pflegestufen definiert. Ab dem Jahr 2017 bilden Pflegegrade (insgesamt gibt es fünf Pflegegrade) den Schweregrad der Pflegebedürftigkeit ab.

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Pflegebedürftigkeit

Nach § 1 Abs. 5 SGB XI sollen geschlechtsspezifische Besonderheiten bei der Pflege berücksichtigt werden. Damit wird die Pflegeversicherung verpflichtet, die individuellen und geschlechtsspezifischen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen zu beachten. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Pflegebedürftigkeit betreffen sowohl die Häufigkeit, die Art der Pflegebedürfnisse als auch die familiären und professionellen Unterstützungsstrukturen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede kann es beispielsweise dadurch geben, dass Männer oft Unterstützung bei körperlichen und praktischen Tätigkeiten, wie etwa bei der Körperpflege oder Ernährung, benötigen. Frauen benötigen hingegen oft Unterstützung bei sozialen oder emotionalen Bedürfnissen, wie Begleitung und Ansprache, zusätzlich zu körperlicher Pflege.

Ebenfalls soll nach § 1 Abs. 5 SGB XI einer kultursensiblen Pflege Rechnung getragen werden. Das bedeutet, dass die kulturell bedingten unterschiedlichen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen, speziell auch vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl pflegebedürftiger Menschen mit Migrationshintergrund, berücksichtigt werden sollen bzw. müssen. Die kultursensible Pflege bezeichnet eine Form der Pflege, die die kulturellen Hintergründe, Werte, Traditionen und individuellen Bedürfnisse von Pflegebedürftigen respektiert und in die Versorgung integriert. Grundlage hierfür ist ein Verständnis, dass kulturelle Unterschiede die Wahrnehmung von Krankheit, Gesundheit und Pflege beeinflussen können. Kultursensible Pflege erfordert Offenheit, Empathie und kulturelle Kompetenz seitens der Pflegekräfte. Sie trägt dazu bei, eine menschenwürdige und individuelle Pflege für alle zu gewährleisten, unabhängig von kulturellem Hintergrund oder Glauben.

Finanzierung

Die Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung wird in § 1 Abs. 6 SGB XI geregelt. Danach werden die Ausgaben der Pflegeversicherung durch Beiträge der Mitglieder und der Arbeitgeber finanziert. Die Beiträge richten sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Für versicherte Familienangehörige und eingetragene Lebenspartner (Lebenspartner) werden Beiträge nicht erhoben.

Wie auch die anderen Sozialversicherungszweige (Gesetzliche Krankenversicherung, Gesetzliche Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung) erfolgt die Finanzierung über Beiträge im sogenannten Umlageverfahren. Das bedeutet, dass die Ausgaben, welche in der Sozialen Pflegeversicherung in einem laufenden Jahr entstehen, im Wege der Umlage auf die Beitragszahler (Mitglieder, Arbeitgeber) verteilt werden.

In der Anfangszeit der Pflegeversicherung wurden die Beiträge solidarisch – jeweils zur Hälfte – von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen wurden. Seit der Einführung des sogenannten Kinderlosenzuschlags (Beitragszuschlag für Kinderlose) im Kalenderjahr 2005 erfolgt die Finanzierung nicht mehr vollständig solidarisch von den Arbeitnehmern und deren Arbeitgebern. Der Kinderlosenzuschlag (beträgt seit dem 01.07.2023 0,6 Prozent) muss von den Arbeitnehmern alleine getragen werden.

Ein weiteres „Aufweichen“ des Solidaritätsprinzips bei der Beitragstragung gab es für die Zeit ab dem 01.07.2023; ab diesem Zeitpunkt wird der Arbeitnehmeranteil reduziert, wenn der Versicherte mehrere Kinder hat, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Anzumerken ist noch, dass die Soziale Pflegeversicherung nicht ausschließlich die finanziellen Mittel aus den Beiträgen im Umlageverfahren erhält. Auch Bundeszuschüsse fließen der Pflegeversicherung zu.

Wie auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung werden von den versicherten Familienangehörigen und eingetragenen Lebenspartnern für den Versicherungsschutz in der Sozialen Pflegeversicherung keine Beiträge erhoben. Dieser Personenkreis genießt den Versicherungsschutz, ohne hierfür Beiträge aufbringen zu müssen.

Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

Mit § 1 Abs. 7 SGB XI wird noch geregelt, dass ein Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners gilt, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Diese Rechtsvorschrift wurde mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) für die Zeit ab 01.01.2019 eingeführt.

Mit dieser Regelung wird zum Ausdruck gebracht, dass eingetragene Lebenspartner im Hinblick auf alle Vorschriften innerhalb des Elften Buches Sozialgesetzbuch als Familienangehörige des jeweils anderen eingetragenen Lebenspartners gelten, unabhängig davon, ob sie im Zusammenhang mit den für Familienangehörige beziehungsweise Angehörige geltenden Regelungen in der jeweiligen Vorschrift explizit mit genannt werden oder nicht (vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz).

Bildnachweis: © Oneinchpunch | Bigstock

Weitere Artikel zum Thema: