Vorrang der ambulanten/häuslichen Pflege nach § 3 SGB XI
Mit der Rechtsvorschrift des § 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) wird geregelt, dass die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft von Angehörigen und Nachbarn unterstützen soll. Ziel dieser Regelung ist, dass Pflegebedürftige möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können.
Nach § 3 Satz 2 SGB XI wird zudem geregelt, dass die Leistungen der teilstationären Pflege und der Kurzzeitpflege vor den Leistungen der vollstationären Pflege vorgehen.
Historie
Die Rechtsvorschrift des § 3 SGB XI wurde bereits mit Einführung des Elften Buches Sozialgesetzbuch ab dem 01.01.1995 in dieses Gesetzbuch aufgenommen. Mit dieser Rechtsvorschrift wurde bereits von Beginn der Sozialen Pflegeversicherung an das wesentliche Ziel dieses Sozialversicherungszweiges herausgestellt und verdeutlicht, dass die häusliche Pflege in besonderem Maße zu unterstützen und zu fördern ist.
Darüber hinaus haben die Leistungen der teilstationären Pflege und der Kurzzeitpflege einen Vorrang vor der vollstationären Pflege. Damit werden diese beiden zeitlich begrenzten Formen der stationären Pflege vorrangig vor die vollstationären Pflegeleistungen gestellt.
Allgemeines zu § 3 SGB XI
Mit Einführung der Rechtsvorschrift des § 3 SGB XI wird die wesentliche Zielstellung des gesamten Pflegeversicherungsgesetzes bzw. des gesamten Zweiges der Sozialen Pflegeversicherung ausgedrückt, dass die häusliche bzw. ambulante Pflege im besonderen Maße zu fördern und zu unterstützen und dabei auch die Pflegebereitschaft von Angehörigen, Freunden und Nachbarn einzubeziehen ist. Es erfolgt mit § 3 SGB XI eine Normierung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“.
Nach der amtlichen Begründung zu § 3 SGB XI (BT-Drucksache 12/5262) bedeutet der gesetzlich definierte Vorrang der häuslichen Pflege nicht, dass vollstationäre Pflege- und Betreuungsleistungen als weniger human im Vergleich zu ambulanten Pflegeleistungen einzustufen sind. Ebenfalls wird mit der Regelung auch nicht bewirkt, dass eine eingeschränkte Berücksichtigung der individuellen Pflegesituation bei der Leistungsgewährung eintreten soll.
Wird eine angemessene Versorgung und Betreuung eines Pflegebedürftigen durch die häusliche Pflege nicht sichergestellt, hat die Rechtsvorschrift des § 3 SGB XI ihre Grenzen.
Wie auch im Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Pflegekassen auf Bundesebene zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB XI zu § 3 beschrieben ist, werden mit der Rechtsvorschrift die wesentlichen Ziele der Pflegeversicherung verdeutlich. Der Vorrang der häuslichen Pflege, deren Leistungen in den §§ 36 bis 40; § 45a und § 45b SGB XI geregelt ist, der teilstationären Pflege (§ 41 SGB XI) und der Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) wird mit dieser Rechtsvorschrift definiert.
Mit der Rechtsvorschrift des § 3 SGB XI kommt der Gesetzgeber vor allem auch den Bedürfnissen und Wünschen der Pflegebedürftigen nach. Die weit überwiegende Zahl der pflegebedürftigen Menschen möchte die Pflege und Betreuung so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung erhalten.
Mit dem § 3 SGB XI wird auch berücksichtigt, dass die stationäre Pflege und Betreuung auf Dauer teurer ist als die Versorgung mit den Leistungen der ambulanten Pflege. Daher dient die Regelung auch dem Interesse der Solidargemeinschaft, indem die begrenzten finanziellen Mittel in optimaler Weise genutzt werden müssen.
Ambulant vor stationär
Die ambulante Pflege, welche einen Vorrang in der Sozialen Pflegeversicherung haben soll, wird mit zahlreichen Pflegeleistungen finanziert. Hierzu gehören in erster Linie die Leistungen Pflegegeld, Pflegesachleistung und die Kombinationsleistung (Kombination von Pflegesachleistung mit Pflegegeld). Darüber hinaus erhalten Versicherte im ambulanten Bereich die Verhinderungspflege, Pflegehilfsmittel, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, zusätzliche Leistungen in ambulant betreuten Wohngruppen und ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen.
Zu den bedeutenden ambulanten Pflegeleistungen gehört auch der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI und der Umwandlungsanspruch des ambulanten Sachleistungsbetrags nach § 45a SGB XI.
Teilstationäre Pflege und Kurzzeitpflege
Bei den teilstationären Pflegeleistungen (Tagespflege, Nachtpflege) und bei der Kurzzeitpflege handelt es sich um Leistungen, welche zwar stationär durchgeführt werden, bei denen es sich jedoch nur um vorübergehende stationäre Pflegeleistungen handelt. Nach § 3 Satz 2 SGB XI haben auch diese Leistungen Vorrang vor den vollstationären Pflegeleistungen nach § 43 SGB XI.
Durch die teilstationären Pflegeleistungen nach § 41 SGB XI und bei der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI werden die Leistungen der häuslichen Pflege ergänzt bzw. zeitlich befristet ersetzt. Mit diesen Leistungen wird erreicht, dass die enge Beziehung der Pflegebedürftigen zu ihrer Familie und zu ihrem Wohnbereich aufrecht erhalten bleibt. Mit den Leistungen wird auch dazu beigetragen, dass die häusliche Pflege gefördert bzw. die ambulanten Pflegeleistungen ergänzt werden.
Bildnachweis: © New Africa | Bigstock
Weiteren Artikel zum Thema: