Arbeitsfreistellung bis zu sechs Monate nach dem Pflegezeitgesetz

Durch die Pflegezeit wird Beschäftigten die Möglichkeit eröffnet, dass für die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen eine vollständige oder teilweise Befreiung von der Arbeitsleistung für die Dauer von bis zu sechs Monaten erfolgen kann.

Für die Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase ist durch die Pflegezeit eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung für die Dauer von drei Monaten möglich.

Gesetzlich ist die bis zu sechsmonatige Freistellung für die Pflege bzw. dreimonatige Freistellung für die Begleitung eines Angehörigen in der letzten Lebensphase im Pflegezeitgesetz (Gesetz über die Pflegezeit, kurz: PflegeZG) geregelt.

Seitens der Sozialen Pflegeversicherung werden in bestimmten Fällen bei Inanspruchnahme der Pflegezeit zusätzliche Leistungen gewährt. Hierbei handelt es sich um Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Anspruchsgrundlage für diesen Leistungsanspruch ist § 44a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).

Die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz

Das Pflegezeitgesetz regelt in § 3, dass sich Beschäftigte vollständig oder teilweise von der Arbeitsleistung freistellen lassen können, wenn ein naher Angehöriger in häuslicher Umgebung gepflegt wird. Kein Anspruch auf die Pflegezeit besteht dann, wenn der Arbeitgeber weniger als 16 Beschäftigte hat.

Befreiung für minderjährige pflegebedürftige Angehörige

Wird ein minderjähriger pflegebedürftiger naher Angehöriger (in häuslicher oder außerhäuslicher Umgebung) gepflegt, kann ebenfalls eine vollständige oder teilweise Freistellung erfolgen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 5 PflegeZG. Auch für diese Freistellung besteht kein Anspruch, wenn der Arbeitgeber in der Regel weniger als 16 Beschäftigte hat.

Befreiung für Begleitung in letzter Lebensphase

Leidet ein naher Angehöriger an einer Erkrankung,

  • die progredient verläuft,
  • die bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
  • bei der eine Heilung ausgeschlossen,
  • bei der eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und
  • die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt

kann sich der Beschäftigte zur Begleitung ebenfalls von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freistellen lassen. Die Freistellung von der Arbeitsleistung des Angehörigen in der letzten Lebensphase kann nach § 4 Abs. 3 Satz 2 PflegeZG für längstens drei Monate erfolgen.

Die o. g. Punkte sind dem Arbeitgeber durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen. Auch im Zusammenhang mit der Befreiung von der Arbeitsleistung für die Begleitung eines Angehörigen in der letzten Lebensphase fordern die gesetzlichen Vorschriften, dass der Arbeitgeber in der Regel mindestens 16 Beschäftigte hat.

Während der Pflegezeit kann entweder eine vollständige oder eine teilweise Befreiung von der Arbeitsleistung erfolgen. Erfolgt die Freistellung von der Arbeitsleistung nur teilweise, muss über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit (nach § 3 Abs. 4 PflegeZG) eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden.

Nahe Angehörige

Die nahen Angehörigen, für die die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz in Anspruch genommen werden kann, sind in § 7 Abs. 3 PflegeZG definiert. Danach handelt es sich bei folgenden Personenkreisen um nahe Angehörige:

  • Großelter, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft
  • Geschwister, Geschwister der Ehegatten, Ehegatten der Geschwister, Geschwister der Lebenspartner, Lebenspartner der Geschwister
  • Kinder, Pflegekinder, Adoptivkinder, Schwiegerkinder, Enkelkinder
  • Kinder, Pflegekinder oder Adoptivkinder des Ehegatten/Lebenspartners

Ankündigung der Pflegezeit

Die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz muss dem Arbeitgeber mindestens zehn Arbeitstage vor deren Beginn schriftlich angezeigt werden. Gleichzeitig muss der Beschäftigte erklären, ab welchem Beginn, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Pflegezeit in Anspruch genommen werden möchte.

Ende der Pflegezeit

Wann die Pflegezeit endet, wird in § 4 Abs. 2 PflegeZG beschrieben. Nach dieser Rechtsvorschrift endet die Pflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Veränderte Umstände liegen vor, wenn der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig ist oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar ist.

Treten die veränderten Umstände ein, muss der Arbeitgeber hierüber unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern – unterrichtet werden.

Die Pflegezeit kann im Übrigen nur dann vorzeitig, also wenn keine veränderten Umstände vorliegen, beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

Darlehen

Für die Pflegezeit kann seit dem 01.01.2015 ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt werden. Ein solches Darlehen dient der Abfederung von Einkommensverlusten, welche durch die Pflegezeit entstehen.

Die soziale Absicherung während der Pflegezeit

Kranken-/Pflegeversicherung

Nach § 44 Abs. 1 SGB XI erhalten Beschäftigte, die nach § 3 des Pflegezeitgesetzes von der Arbeitsleistung vollständig freigestellt wurden oder deren Beschäftigung durch die Reduzierung der Arbeitszeit zu einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV wird, auf Antrag Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung. Mit diesen ergänzenden Versicherungsleistungen möchte der Gesetzgeber die arbeitsrechtlichen Regelungen ergänzen und sozial abfedern. Die Einzelheiten wurden in der Niederschrift über die Besprechung des Arbeitskreises Versicherung und Beiträge der Spitzenverbände der Krankenkassen am 12.06.2008 zusammengefasst.

Bei einer vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung entfällt die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung (durch den Wegfall des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses). Gleiches gilt, wenn nur eine teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung erfolgt und dadurch eine geringfügige Beschäftigung (sogenannter Minijob) vorliegt.

Auf Antrag übernimmt die zuständige Pflegekasse (Pflegekasse, bei der der Pflegebedürftige versichert ist) die Zuschüsse für den Kranken- und Pflegeversicherungsschutz, wobei die Zuschüsse sowohl für die Gesetzliche als auch die Private Kranken-/Pflegeversicherung gewährt werden. Die Zuschüsse werden für eine

  • freiwillige Krankenversicherung in der GKV inkl. der daran geknüpften Versicherungspflicht der Pflegeversicherung,
  • Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und
  • Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (substitutive Krankenversicherung)

geleistet. Eine Zuschussleistung scheidet hingegen aus, wenn während der Pflegezeit eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung besteht (mit Ausnahme der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, § 2 Abs. 1 Nr. 7 KVLG). Besteht beispielsweise eine Versicherungspflicht in der „Krankenversicherung der Rentner“ (KVdR), ist kein Anspruch auf die Zuschussleistung gegeben. Ebenfalls scheidet die Zuschussleistung aus, wenn ein Anspruch auf eine Familienversicherung nach § 10 SGB V realisiert werden kann.

Sofern kein Anspruch auf die Pflegezeit besteht, da der Arbeitgeber in der Regel weniger als 16 Beschäftigte hat, aber denn och die Pflegezeit dem Arbeitnehmer einräumt, ist eine Zuschussgewährung nach § 44 Abs. 1 SGB XI dennoch möglich. Keine Zuschussleistung wird hingegen erbracht, wenn die Befreiung von der Arbeitsleistung wegen familiärer Pflege unabhängig vom Pflegezeitgesetz erfolgt (z. B. Befreiung nach beamtenrechtlichen Vorschriften).

Bei der Berechnung des Zuschusses wird bei freiwillig Krankenversicherten der Beitrag hergezogen, welcher sich aus der Mindest-Beitragsbemessungsgrundlage und dem allgemeinen Beitragssatz und dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag errechnet. Für privat Krankenversicherte errechnet sich der Zuschuss nach der Mindest-Beitragsbemessungsgrundlage, dem allgemeinen Beitragssatz und dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz nach § 242a SGB V. Maximal wird stets der Zuschuss in Höhe der tatsächlichen Beiträge geleistet.

Zuschussfähig ist auch der Kinderlosenzuschlag in der Pflegeversicherung.

Rentenversicherung

Wird die Beschäftigung nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich ausgeübt, was bei einer vollständigen Befreiung im Rahmen der Pflegezeit der Fall ist bzw. bei einer teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung ebenfalls gegeben sein sollte, kommt die Rentenversicherungspflicht als ehrenamtliche/nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI in Frage.

Ehrenamtliche bzw. nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen sind rentenversicherungspflichtig, wenn sie einen Pflegebedürftigen, der mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet ist, wöchentlich mindestens zehn Stunden – verteilt auf mindestens zwei Wochentage – pflegen. Im Rahmen dieser Rentenversicherungspflicht übernimmt die Pflegekasse, bei der der Pflegebedürftige versichert ist, die Beitragszahlung.

Die Höhe der Beitragszahlung ist von der bezogenen Leistung des Pflegebedürftigen (Pflegegeld, Kombinationsleistung, Pflegesachleistung) und dessen Pflegegrad abhängig.

Die Rentenversicherungspflicht aufgrund der Pflegetätigkeit tritt – sofern sämtliche Voraussetzungen hierfür vorliegen – auch dann ein, wenn aufgrund der Beschäftigung noch die Rentenversicherungspflicht bestehen sollte. Anders als in der Arbeitslosenversicherung (s. unten) kann in der Rentenversicherung eine Mehrfachversicherung eintreten.

Näheres zur Rentenversicherungspflicht kann unter: Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen nachgelesen werden.

Arbeitslosenversicherung

Endet die Arbeitslosenversicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung, weil sich der Beschäftigte teilweise oder vollständig von der Arbeitsleistung befreien lässt, tritt die Versicherungspflicht in diesem Sozialversicherungszweig aufgrund der ehrenamtlichen bzw. nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit ein. Wie auch in der Gesetzlichen Rentenversicherung tritt die Arbeitslosenversicherungspflicht ein, wenn ein Pflegebedürftiger mindestens zehn Stunden wöchentlich – verteilt auf mindestens zwei Wochentage – gepflegt ist. Der Pflegebedürftige muss mindestens dem Pflegegrad 2 zugeordnet sein.

Die Beiträge für die Arbeitslosenversicherungspflicht übernimmt die Pflegekasse, bei der der Pflegebedürftige versichert ist.

Näheres zur Arbeitslosenversicherungspflicht von ehrenamtlichen Pflegepersonen kann unter: Arbeitslosenversicherungspflicht von Pflegepersonen nachgelesen werden.

Pflegeunterstützungsgeld und Familienpflegezeit

Neben der Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz kann ein Beschäftigter auch für akut auftretende Pflegesituationen eine zehntägige Befreiung von Arbeitsleistung beantragen. Der Ausfall des Entgeltes für diese Situationen wird über die Leistung „Pflegeunterstützungsgeld“ kompensiert.

Ebenfalls steht die Familienpflegezeit zur Verfügung, welche – zusammen mit der Pflegezeit – eine maximale teilweise Befreiung von der Arbeitsleistung für die Dauer von 24 Monaten vorsieht.

Rechtsprechung

LAG Baden-Württemberg vom 31.03.2010, Az.: 20 Sa 87/09

Mit Urteil vom 31.03.2010 hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 20 Sa 87/09 entschieden, dass die Pflegezeit nicht aufgeteilt werden kann. Das heißt, dass diese von Arbeitnehmern nur einmal in Anspruch genommen werden darf und keine Aufteilung in mehrere Abschnitte – anders als bei der Elternzeit – möglich ist.

In dem Klagefall hatte der Kläger zunächst die Pflegezeit für vier Tage beantragt, welche auch bewilligt wurde. Später erfolgte ein weiterer Antrag für weitere zwei Tage, welchen der Arbeitgeber abgelehnt hatte. Gegen diese Ablehnung klagte der Arbeitnehmer mit der Begründung, dass der gesetzliche Anspruch auf die Pflegezeit von bis zu sechs Monaten bei Weitem nicht ausgeschöpft wurde.

Das Landesarbeitsgericht lehnte die Klage mit der Begründung ab, dass die Verlängerung der Pflegezeit nur dann möglich ist, wenn sich diese unmittelbar an die bisherige Pflegezeit anschließt. Wäre eine Aufteilung in mehrere getrennte Zeitabschnitte möglich, würde der Sonderkündigungsschutz beliebig ausgedehnt werden können. Dies ist nicht im Sinne des Gesetzgebers. Eine Stückelung der Pflegezeit ist auch deshalb nicht erforderlich, da bei einem kurzfristigen und nicht vorhersehbaren Pflegebedarf das Pflegezeitgesetz den Arbeitnehmern die Möglichkeit gibt, die Befreiung von bis zu zehn Arbeitstagen zu beantragen.

Pflegeunterstützungsgeld | Pflegezeit | Familienpflegezeit

Die Unterschiede im Überblick:

  Pflege-unterstützungsgeld Pflegezeit Familienpflegezeit
Maximale Dauer 10 Arbeitstage sechs Monate 24 Monate
Entgeltersatz Pflegeunterstützungsgeld zinsloses Darlehen zinsloses Darlehen
Konstellation Freistellung für Akutfall
  • Pflege und Beruf in Teilzeit- oder Vollzeit
  • Begleitung letzte Lebensphase
  • Betreuung pflegebedürftiges Kind
  • Pflege und Beruf in Teilzeit
  • Betreuung eines pflegebedürftigen Kindes
Ankündigung beim Arbeitgeber ohne Ankündigungsfrist 10 Arbeitstage vor Beginn 8 Wochen vor Beginn
Umfang der Befreiung vollständig teilweise/vollständig teilweise
Kein Rechtsanspruch Unabhängig von Anzahl
an Beschäftigten
Arbeitgeber mit weniger als 16 Beschäftigten Arbeitgeber mit weniger als 26 Beschäftigten

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