Pflegegeld und Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI

§ 37 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) verpflichtet die Pflegebedürftigen, die Pflegegeld (bis 2016) beziehen, dass diese

  • bei Pflegestufe I und Pflegestufe II einmal halbjährlich und
  • bei Pflegestufe III einmal vierteljährlich

eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit durch eine

  • Vertrags-Pflegeeinrichtung,
  • von der Pflegekasse beauftragte (nicht bei ihr beschäftigte) Pflegefachkraft oder
  • von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegerischen fachlichen Kompetenz

abrufen.

Aufgrund der hohen psychischen und physischen Belastungen von Pflegepersonen, die Pflegebedürftige mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung pflegen, können – sofern sie zum anspruchberechtigten Personenkreis nach § 45a SGB XI zählen – den o. g. Beratungseinsatz innerhalb der genannten Zeiträume zweimal in Anspruch nehmen. Erfüllt der Pflegebedürftige hingegen noch nicht die Voraussetzungen für die Pflegestufe I, gehört jedoch zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 45a SGB XI, kann dieser den Beratungseinsatz einmal halbjährlich beanspruchen.

Ziel der Beratungseinsätze

Zielsetzung des Beratungseinsatzes ist es, dass sowohl dem Pflegebedürftigen als auch der Pflegeperson konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Pflegesituation gemacht werden und eventuelle Probleme erörtert werden. Vor allem die Pflegenden erhalten durch die Beratungseinsätze praktische pflegefachliche Unterstützung um die Versorgungssituation zu optimieren. Die Beratungseinsätze sollen auch dazu beitragen, dass alle an der Pflege Beteiligten, vor allem

  • die Pflegebedürftigen,
  • die Pflegenden und Angehörigen,
  • die Pflegekasse,
  • die Krankasse und
  • die Träger der Sozialhilfe

die Möglichkeiten zur Verbesserung der individuellen Pflegesituation umfassend ausschöpfen. Durch die Pflegeeinsätzen erfolgt damit eine Qualitätssicherung in der ambulanten Pflege.

Leistungsinhalt

Leistungsinhalt der Beratungseinsätze ist nach Punkt 4.3 zu § 37 SGB XI des Gemeinsamen Rundschreibens zu den leistungsrechtlichen Vorschriften vom 01.07.2008, dass die Pflegesituation bewertet wird. Dies geschieht unter anderem auf der Grundlage des Allgemein- und Ernährungszustandes des Pflegebedürftigen. Hierzu wird zum Beispiel der körperliche Zustand, der Zustand der Haut und der Hydrationszustand bewertet. Auch die Belastung der Pflegeperson selbst wird bei der Beurteilung der Pflegesituation mit einbezogen.

Durchführung der Beratungseinsätze

Der Pflegebedürftige kann mit der Durchführung der Beratungseinsätze einen Pflegedienst seiner Wahl beauftragen. In diesem Zusammenhang wird jedoch darauf hingewiesen, dass grundsätzlich immer der gleiche Pflegedienst in Anspruch genommen werden soll. Dadurch wird die Effektivität und Kontinuität der unterstützenden Beratung gewährleistet und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und gefestigt.

Die Beratungseinsätze sind bei dem Pflegebedürftigen durchzuführen, also in seiner Häuslichkeit. Dies kann entweder der Haushalt des Pflegebedürftigen, der Haushalt der Pflegeperson oder der Haushalt sein, in der der Pflegebedürftige aufgenommen wurde.

Die Erkenntnisse, die durch den Beratungseinsatz gewonnen werden, sind an die Pflegekasse des Pflegebedürftigen weiterzuleiten. Gegebenenfalls kann die Pflegekasse aufgrund der Dokumentationen weitere Schritte in die Wege leiten bzw. eine entsprechende Beratung durchführen, z. B. zur Empfehlung, dass die Leistung Pflegegeld von der Pflegeversicherung auf eine Kombinationsleistung umgestellt wird, eine höhere Pflegestufe beantragt wird, die Pflegeperson Pflegekurse besucht u.s.w.

Nachweis der Beratungseinsätze

Die Beratungseinsätze sind der Pflegekasse – entsprechend des Durchführungsintervalls nach der Pflegestufe – nachzuweisen. Der Nachweis gilt jedoch als erbracht, wenn Pflegeberater eine qualifizierte Beratung in der häuslichen Umgebung durchgeführt haben.

Auf die Notwendigkeit, den Beratungseinsatz nachzuweisen, machen die Pflegekassen im Bewilligungsbescheid bereits aufmerksam und weisen entsprechend darauf hin. Die Nachweispflicht besteht bei der halbjährlichen Durchführung (Pflegestufe I und Pflegestufe II) in der Zeit vom 01.01. bis 30.06. und vom 01.07. bis 31.12. Bei der vierteljährlichen Durchführung (Pflegestufe III) besteht die Nachweispflicht vom 01.01. bis 31.03.; vom 01.04. bis 30.06.; vom 01.07. bis 30.09. und vom 01.10. bis 31.12. Es handelt sich hier um starre 3- bzw. 6-Monats-Fristen. Ein verspätet durchgeführter Nachweis löst keine neue Frist aus.

Beispiel:

Mit Bescheid vom 10.04. erfolgt die Pflegegeldbewilligung nach der Pflegestufe II.

Konsequenz:

Der Nachweis über den durchgeführten Beratungseinsatz muss in der Zeit vom 01.07. bis 31.12. erfolgen. Der neue 6-Monats-Zeitraum beginnt dann am 01.01. und verläuft bis 30.06. des Folgejahres.

Kürzung des Pflegegeldes

Wenn der Nachweis über den Beratungseinsatz nicht rechtzeitig erbracht wird, muss die Pflegekasse das Pflegegeld anteilig (bis zu 50 Prozent) kürzen. Darüber wird der Leistungsempfänger unmittelbar nach Ablauf der 3- bzw. 6-Monatsfrist informiert. Ab dem 1. des auf die Mitteilung der Pflegekasse folgenden Monats erfolgt die Kürzung.

Wird während der bereits veranlassten Pflegegeldkürzung der Nachweis über den durchgeführten Beratungseinsatz erbracht, erfolgt die volle Pflegegeldzahlung wieder ab dem Tag, an dem der Beratungseinsatz durchgeführt wurde.

Beispiel:

Mit Bescheid vom 14.04. erfolgt die Pflegegeldbewilligung nach der Pflegestufe II. In der Zeit vom 01.07. bis 31.12. erfolgt kein Nachweis über einen durchgeführten Beratungseinsatz.

Konsequenz:

Anfang Januar informiert die Pflegekasse, dass aufgrund der Nicht-Meldung des Beratungseinsatzes das Pflegegeld gekürzt wird. Die Pflegegeldkürzung erfolgt dann ab dem 01.02. Mit diesem Schreiben weist die Pflegekasse gleichzeitig darauf hin, dass der nächste Beratungseinsatz in der Zeit vom 01.01. bis 30.06. erfolgen muss.

Sofern der Nachweis im Januar über den Beratungseinsatz für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12. erbracht wird, erfolgt die Kürzung des Pflegegeldes für die Zeit ab 01.02. nicht.

Hinweis

Im Gemeinsamen Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften vom 01.07.2008 zum SGB XI wird die Möglichkeit eröffnet, die Nachweisführung um einen Monat zu verlängern. Dies hat den Hintergrund, dass viele Pflegeeinrichtungen das Nachweisformular über den Beratungseinsatz erst mit der nächsten Monatsabrechnung der Pflegekasse zusenden. Erfolgte der Beratungseinsatz erst Ende Dezember, kann es in der Praxis vorkommen, dass der Nachweis erst Ende Januar bei der Pflegekasse vorliegt. In dem o. g. Fall hätte der Pflegebedürftige dann also erst Anfang Februar die Mitteilung über die Leistungskürzung für die Zeit ab 01.03. erhalten.

Wiederholter Nicht-Nachweis des Beratungseinsatzes

Wird der Beratungseinsatz auch im zweiten 3- bzw. 6-Monats-Zeitraum nicht nachgewiesen, handelt es sich um einen sogenannten Wiederholungsfall. In diesem Fall wird die Pflegegeldzahlung komplett beendet. Auch hierüber wird die Pflegekasse entsprechend den Pflegebedürftigen informieren. Das Pflegegeld wird ab dem 1. des auf die Mitteilung der Pflegekasse folgenden Monats beendet.

Beispiel:

Pflegegeld nach der Pflegestufe III wird mit Bescheid vom 16.06. erteilt. Der erste Vierteljahreszeitraum verläuft vom 01.07. bis zum 30.09. Ein Nachweis über einen durchgeführten Beratungseinsatz erfolgt nicht. Daraufhin verständigt die Pflegekasse den Pflegebedürftigen am 04.10., dass die Pflegegeldzahlung ab dem 01.11. gekürzt wird. Auch im darauf folgenden 3-Monatszeitraum erfolgt kein Nachweis über einen durchgeführten Beratungseinsatz.

Konsequenz:

Anfang Januar des Folgejahres erfolgt seitens der Pflegekasse die Mitteilung an den Pflegebedürftigen, dass die Pflegegeldzahlung ab dem 01.02. komplett eingestellt wird. Erfolgt im Januar des Folgejahres jedoch noch der Nachweis für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.12., wird die Pflegegeldzahlung nicht eingestellt.

Neue 3- bzw. 6-Monatsfrist nach Einstellung der Pflegegeldzahlung

Wurde die Pflegegeldzahlung bereits eingestellt, wird die Zahlung erst ab dem Tag wieder aufgenommen, an dem der Beratungseinsatz durchgeführt wurde. Hierdurch wird gleichzeitig eine neue 3- bzw. 6-Monatsfrist in Gang gesetzt.

Beispiel:

Wie oben – der Pflegebedürftige weist einen Beratungseinsatz vom 17.02. am 24.02. der Pflegekasse nach.

Konsequenz:

Das Pflegegeld wird wieder für die Zeit ab 17.02. gezahlt. Der nächste Beratungseinsatz ist in der Zeit vom 01.04. bis 30.06. nachzuweisen.

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