Nachrangigkeit, Nebeneinander und Vorrangigkeit von Pflegeleistungen

In § 13 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) enthalten die gesetzlichen Vorschriften der Sozialen Pflegeversicherung generelle Bestimmungen, in welchen Fällen die Pflegeleistungen im Vergleich zu anderen Sozialleistungen nachrangig sind, nebeneinander bestehen oder vorrangig sind (Verhältnis der Pflegeleistungen zu anderen Sozialleistungen).

Nachrangigkeit der Pflegeleistungen nach dem SGB XI

In welchen Fällen die Pflegeleistungen nach dem SGB XI nachrangig sind, ist in § 13 Abs. 1 SGB XI geregelt. Grundsätzlich kann bei der Nachrangigkeit der Pflegeleistungen nach dem SGB XI festgehalten werden, dass die Leistungen der anderen Sozialleistungsträger denselben Zweck erfüllen und denselben Ursprung haben, wie die Leistungen nach dem SGB XI.

Konkret wird in der genannten Rechtsvorschrift beschrieben, dass den Leistungen der Pflegeversicherung die Entschädigungsleistungen vorgehen, welche

  • nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
  • aus der Gesetzlichen Unfallversicherung und
  • aus öffentlichen Kassen aufgrund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge

geleistet werden.

Besteht sowohl ein grundsätzlicher Leistungsanspruch auf die Pflegeleistungen nach dem SGB XI als auch auf die genannten Pflegleistungen, wird in § 34 SGB XI geregelt, welche Folgen das Zusammentreffen der Leistungsansprüche hat. In § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI wird das Ruhen der Pflegeleistungen nach dem SGB XI (§§ 36 bis 43 b und 45b SGB XI) beschrieben, wodurch sichergestellt wird, dass ein Pflegebedürftiger immer die insgesamt höchste Leistung erhält.

Entschädigungsleistungen nach dem BVG

Erhält ein Versicherter ambulante Pflegeleistungen nach § 35 Abs. 1 BVG (z. B. Pflegezulage) oder eine stationäre Pflege nach § 35 Abs. 6 BVG ruht der Leistungsanspruch in der Sozialen Pflegeversicherung in Höhe dieser Leistung.

Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung

Erhält ein Versicherter Pflegeleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung (weil die Pflegebedürftigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls, eines Wegeunfalls oder einer Berufskrankheit eingetreten ist), ruht der Leistungsanspruch aus der Sozialen Pflegeversicherung in Höhe dieser Leistung. Bei den Pflegeleistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung handelt es sich beispielsweise um die Hauspflege, Anstaltspflege oder das Pflegegeld nach § 44 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Sollte der Leistungsanspruch der Sozialen Pflegeversicherung höher sein, als eine der Pflegeleistungen eines anderen Sozialleistungsträger, leistet die Pflegeversicherung maximal einen Leistungsbetrag in Höhe des Differenzbetrages.

Die Nachrangigkeit der Pflegeleistungen nach dem SGB XI mit der entsprechenden Ruhensvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI gilt nicht für Leistungen der Kriegsopferfürsorge (z. B. Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG, Wohnungshilfe nach § 27c BVG).

Beispiel:

Ein Pflegebedürftiger ist dem Pflegegrad 2 zugeordnet und nimmt sowohl die teilstationären Pflegeleistungen nach § 41 SGB XI als auch die Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI in monatlich gleichbleibender Höhe in Anspruch.

Der Pflegebedürftige hat Anspruch auf eine Pflegezulage nach § 35 BVG nach der Stufe IV in Höhe von monatlich 912,00 Euro (Stand: 07/2015).

Die grundsätzliche monatliche Pflegesachleistung beträgt ab Januar 2017 in Pflegegrad 2 689,00 Euro, die teilstationäre Pflege ebenfalls 689,00 Euro monatlich.

Folge:

Der Pflegebedürftige hat im Jahr 2017 grundsätzlich einen Anspruch auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI in Höhe von (12 x 689,00 Euro + 12 x 689,00 Euro) 16.536,00 Euro. Die Pflegezulage beträgt im Jahr 2017 (12 x 912,00 Euro) 10.944,00 Euro.

Damit kann der Pflegebedürftige noch Pflegeleistungen in Höhe von (16.536,00 Euro abzgl. 10.944,00 Euro) 5.592,00 Euro für das Jahr 2017 im Rahmen des SGB XI bei seiner Pflegekasse geltend machen.

Nebeneinander von Pflegeleistungen nach dem SGB XI und anderen Sozialleistungen

Die Pflegeleistungen nach dem SGB XI und die Leistungen anderer Sozialleistungsträger können in bestimmten Fällen nebeneinander gewährt werden. Dies sind Konstellationen, in denen die Leistungen unterschiedliche Zwecke erfüllen, die Leistungsinhalte sich jedoch teilweise überschneiden. Insoweit kommt es zu einem teilweisen Ruhen der Leistungsansprüche, welche in § 34 Abs. 2 SGB XI beschrieben sind.

Häusliche Krankenpflege

Der Anspruch auf die Leistungen der häuslichen Pflege ruht, soweit eine häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V in Anspruch genommen wird. Dies sind die Konstellationen, in denen im Rahmen der Krankenhausvermeidungspflege Grundpflege und Hauswirtschaft von der Gesetzlichen Krankenversicherung geleistet wird.

Das Pflegegeld wird jedoch für die Dauer von bis zu 28 Tage weitergezahlt (s. hierzu auch: Pflegegeld).

Der Anspruch auf Leistungen nach § 40 SGB XI (Pflege-Hilfsmittel, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen) ruht bei Bezug von häuslicher Krankenpflege allerdings nicht, da die Gesetzliche Krankenversicherung hier keine adäquaten Leistungen vorsieht.

Wird eine häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V (zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung) in Anspruch genommen, ruhen die Pflegeleistungen nach dem SGB XI nicht.

Haushaltshilfe

Bei Bezug von Haushaltshilfe ruhen grundsätzlich die Pflegeleistungen für die Dauer dieses Leistungsbezuges. Das Ruhen bezieht sich allerdings nur auf die Hilfen zur Haushaltsführung. Damit besteht ein Anspruch auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI nur noch für die Leistungen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen, da es keine Notwendigkeit einer doppelten Sicherstellung des Haushaltes gibt.

Ein Anspruch auf Pflegegeld kann neben dem Bezug von Haushaltshilfe bestehen.

Vollstationäre Krankenhausbehandlung/Rehabilitation

Wird eine vollstationäre Krankenhausbehandlung oder eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation/Vorsorge in Anspruch genommen, ruhen die Pflegeleistungen nach den §§ 36 bis 38, 39 und 40 SGB XI für die Dauer des Aufenthaltes. Durch die vollstationäre Versorgung werden alle Leistungsansprüche abgedeckt.

Allerdings wird das (anteilige) Pflegegeld für die ersten 28 Tage weitergezahlt. Sofern sich an eine stationäre Krankenhausbehandlung direkt eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme anschließt, verlängert sich der Anspruch auf Fortzahlung des Pflegegeldes nicht.

Beschäftigung von besonderen Pflegekräften (Assistenzkräften)

Sofern Pflegebedürftige besondere Pflegekräfte – sogenannte Assistenzkräfte – im Arbeitgebermodell beschäftigen, gelten grundsätzlich dieselben Ruhensvorschriften bei Bezug von häuslicher Krankenpflege, bei einer vollstationären Krankenhausbehandlung oder einer stationären Rehabilitationsmaßnahmen (s. oben). Allerdings kommt es nicht zum Ruhen des (anteiligen) Pflegegeldes bei Ablauf der vierten Woche, also ab dem 29. Tag. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass der Sozialhilfeträger sind entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII an den Kosten beteiligt.

Vorrangigkeit der Pflegeleistungen nach dem SGB XI

Grundsätzlich gilt, dass die Pflegeleistungen nach dem SGB XI vorrangig sind, wenn andere Leistungsträger die Pflegeleistungen in Abhängigkeit von einer Bedürftigkeitsprüfung erbringen können. Das bedeutet, dass die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung den fürsorgerischen Sozialleistungen zur Pflege vorgehen.

Sollte gegenüber der Sozialen Pflegeversicherung kein Leistungsanspruch bestehen, weil keine Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vorliegt oder der Hilfebedarf in anderen Bereichen als den nach § 14 Abs. 2 SGB XI besteht, bleibt der Anspruch, insbesondere auf Sozialhilfe, auf die fürsorgerischen Leistungen erhalten.

Besonderheit beim Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI

Der allgemeine Grundsatz der Vorrangigkeit von Pflegeleistungen nach dem SGB XI zu den Fürsorgeleistungen zur Pflege wird beim Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI durchbrochen. Der Entlastungsbetrag wird bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nicht berücksichtigt. Das heißt, dass beide Leistungsansprüche grundsätzlich nebeneinander bestehen. Sollten jedoch Leistungsansprüche nach § 66 (Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1) und § 64i SGB XII (Entlastungsbetrag bei den Pflegegraden 2 bis 5) im Rahmen der Sozialhilfe erbracht werden können und sind diese deckungsgleich mit den Entlastungsleistungen der Sozialen Pflegeversicherung, werden diese nach § 63b SGB XII nicht von der Sozialhilfe erbracht; in diesem Fall sind die Entlastungsleistungen der Pflegeversicherung also vorrangig.

Dies gilt allerdings nicht für die Erstattung der Aufwendungen für Angebote zur Unterstützung im Alltag, wenn hierfür bis zu 40 Prozent des Pflegesachleistungsbetrags umgewandelt werden (Umwandlungsanspruch nach § 45a SGB XI). In diesem Fall wird der umgewandelte Leistungsbetrag wie eine Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI behandelt. Das bedeutet, dass § 13 Abs. 3 SGB XI angewandt wird und folglich die Pflegeleistungen den Fürsorgeleistungen zur Pflege vorgehen.

Häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V

Die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V (Grundpflege und Hauswirtschaft) sind nachrangig gegenüber den Pflegeleistungen nach dem SGB XI. Das bedeutet, dass keine häusliche Krankenpflege durch die Gesetzliche Krankenversicherung geleistet werden kann, wenn Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vorliegt.

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