Die Überleitungsregelungen nach § 140 SGB XI

Zum 01.01.2017 führt der Gesetzgeber mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ein. Die Pflegebedürftigkeit orientiert sich ab dem Jahr 2017 ausschließlich daran, wie stark die Selbstständigkeit oder die Fähigkeiten des Menschen bei der Bewältigung seines Alltags beeinträchtigt sind. Die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit an einem in Minuten gemessenen Hilfebedarf gehört damit der Vergangenheit an.

Versicherte, die bereits am 31.12.2016 in eine Pflegestufe (bis 31.12.2016 gab es die Pflegestufen I bis III) eingestuft sind oder für die eine eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI in der am 31.12.2016 geltenden Fassung bestand, werden in einen Pflegegrad übergeleitet. Die Rechtsvorschrift für die Überleitung von einer Pflegestufe in einen Pflegegrad ist § 140 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).

Voraussetzungen für die Überleitung

Voraussetzungen für die Überleitung in einen Pflegegrad sind, dass

  • in der am 31.12.2016 geltenden Fassung des SGB XI eine Pflegestufe im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI vorliegt oder eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz entsprechend § 45a SGB XI festgestellt wurde und
  • spätestens am 31.12.2016 alle Anspruchsvoraussetzungen für regelmäßig wiederkehrende Leistungen der Pflegeversicherung vorliegen.

Die Überleitung von einer Pflegestufe in einen Pflegegrad nimmt die zuständige Pflegekasse von Amts wegen vor. Ein gesonderter Antrag muss hierfür nicht gestellt werden. Ebenfalls wird keine gesonderte Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder einen von der Pflegekasse beauftragten Gutachter erfolgen. Die Zuordnung in den neuen Pflegegrad wird von der Pflegekasse schriftlich mitgeteilt.

Überleitung – einfacher Stufensprung

Pflegebedürftige, für die nach dem am 31.12.2016 geltenden Recht eine Pflegestufe, aber keine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde, werden mittels einfachen Stufensprung in einen höheren Pflegegrad übergeleitet. Hier spricht man von einem einfachen Stufensprung.

von Pflegestufe in Pflegegrad
Pflegestufe I Pflegegrad 2
Pflegestufe II Pflegegrad 3
Pflegestufe III Pflegegrad 4
Pflegestufe III – Härtefall Pflegegrad 5

Überleitung – doppelter Stufensprung

Pflegebedürftige, für die nach dem am 31.12.2016 geltenden Recht eine Pflegestufe und zusätzlich eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurden, werden mittels doppelten Stufensprung in den übernächsten höheren Pflegegrad übergeleitet.

von Pflegestufe in Pflegegrad
Pflegestufe 0 Pflegegrad 2
Pflegestufe I + Pflegegrad 3
Pflegestufe II + Pflegegrad 4
Pflegestufe III + Pflegegrad 5
Pflegestufe III – Härtefall Pflegegrad 5

Zusammenfassend stellt sich die Überleitung wie folgt dar:

von Pflegestufe in Pflegegrad
Pflegestufe 0 Pflegegrad 2
Pflegestufe I Pflegegrad 2
Pflegestufe I + Pflegegrad 3
Pflegestufe II Pflegegrad 3
Pflegestufe II + Pflegegrad 4
Pflegestufe III Pflegegrad 4
Pflegestufe III + Pflegegrad 5
Pflegestufe III – Härtefall Pflegegrad 5

Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend

Der Zeitpunkt der Antragstellung ist dafür maßgebend, ob die Pflegebedürftigkeit nach dem bis 31.12.2016 oder dem ab 01.01.2017 geltenden Recht beurteilt wird. Wird der Antrag auf Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit bis zum 31.12.2016 gestellt, kommt noch das bis 31.12.2016 geltende Begutachtungsverfahren zur Anwendung – und zwar auch dann, wenn die Begutachtung erst im Jahr 2017 erfolgt.

Wird der Antrag auf Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit ab dem 01.01.2017 gestellt, kommen bereits die neuen Begutachtungs-Richtlinien zur Anwendung.

Beispiel:

Ein Versicherter stellt erstmalig einen Antrag auf Pflegeleistungen. Der Antrag geht bei der Pflegekasse am 22.12.2016 ein. Die Begutachtung erfolgt am 26.01.2017, die Bescheiderteilung durch die Pflegekasse erfolgt am 01.02.2017.

Folge:

Es kommen hier zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit noch die bis 31.12.2016 geltenden Begutachtungs-Richtlinien zur Anwendung, auch wenn die Begutachtung erst im Januar 2017 erfolgt.

Sollte eine Pflegestufe festgestellt werden, wird diese von der Pflegekasse verbeschieden und gleichzeitig entsprechend der oben genannten Überleitungsvorschriften eine Überleitung in einen Pflegegrad vorgenommen.

Besitzstandsschutzregelung

Im Rahmen der Überleitung von einer Pflegestufe in einen Pflegegrad wurde mit § 140 Abs. 3 SGB XI eine Besitzschutzregelung eingeführt.

Wird ein Pflegebedürftiger von einer Pflegestufe in einen Pflegegrad entsprechend § 140 SGB XI überführt/übergeleitet, bleibt dieser Pflegegrad auch dann bestehen, wenn nach dem ab 01.01.2017 geltenden Recht eine Begutachtung erfolgt. Der Besitzschutz auf den Pflegegrad bleibt auch bei einem Wechsel der Pflegekasse erhalten, wenn die neue Mitgliedschaft unmittelbar im Anschluss begründet wird.

Ausnahmen bei den Besitzschutzregelungen sind, wenn im Rahmen der erneuten Begutachtung ein höherer Pflegegrad festgestellt wird oder wenn im festgestellt wird, dass keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung mehr vorliegt.

Sollte ein höherer Pflegegrad im Rahmen einer Begutachtung ab dem 01.01.2017 festgestellt werden, wird dieser Pflegegrad bewilligt.

Sollte gar keine Pflegebedürftigkeit mehr (in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung) vorliegen, müssen die Pflegeleistungen mit Wirkung für die Zukunft eingestellt werden.

Beispiel 1:

Ein Pflegebedürftiger, der in die Pflegestufe II eingestuft ist, wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 3 übergeleitet.

Am 03.03.2017 erfolgt ein Antrag auf Höherstufung. Der MDK stellt im Rahmen seiner Begutachtung am 19.03.2017 fest, dass ab Februar 2017 der Pflegegrad 4 vorliegt.

Folge:

Da im Rahmen der Begutachtung ein höherer Pflegegrad festgestellt wurde, erhält der Versicherte die Pflegeleistungen ab Februar 2017 nach dem höheren Pflegegrad 4.

Beispiel 2:

Ein Pflegebedürftiger ist in die Pflegestufe II eingestuft. Zum 01.01.2017 erfolgt die Überleitung in den Pflegegrad 3.

Ein Antrag auf Höherstufung wird am 03.03.2017 gestellt. Der MDK stellt im Rahmen seiner Begutachtung am 19.03.2017 fest, dass nur noch der Pflegegrad 2 vorliegt.

Folge:

Im Vergleich zum Pflegegrad, welcher im Rahmen der Überleitungsvorschrift des § 140 SGB XI festgesetzt wurde, wird ein niedriger Pflegegrad festgestellt. Entsprechend der Besitzstandschutzregelung des § 140 Abs. 3 SGB XI bleibt der Pflegebedürftige weiterhin im Pflegegrad 3 und erhält die Pflegeleistungen auch weiterhin nach diesem Pflegegrad. Eine Herabgruppierung in den Pflegegrad 2 ist nicht möglich.

Beispiel 3:

Ein Pflegebedürftiger wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 2 übergeleitet.

Am 03.03.2017 erfolgt ein Antrag auf Höherstufung. Der MDK stellt im Rahmen seiner Begutachtung am 19.03.2017 fest, dass ab März 2017 die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit überhaupt nicht mehr vorliegen.

Folge:

Da keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14 und 15 SGB XI in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung mehr vorliegen, greift die Besitzstandsschutzregelung des § 140 SGB XI nicht. Die Pflegekasse muss daher die Pflegeleistungen mit Wirkung für die Zukunft einstellen.

Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor dem 01.01.2017

§ 140 Abs. 4 SGB XI regelt die Fallkonstellationen, wenn ein Versicherter in einen Pflegegrad übergeleitet wurde, ab dem 01.01.2017 einen Antrag auf Zuordnung in einen höheren Pflegegrad stellt und sich die tatsächlichen Verhältnisse bereits vor dem 01.01.2017 geändert haben. Wird der Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf den Zeitraum vom 01.11.2016 bis 31.12.2016 festgesetzt, gelten bereits ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften nach dem ab 01.01.2017 geltenden Recht.

Beispiel:

Ein Pflegebedürftiger bezieht seit Jahren Pflegegeld nach der Pflegestufe III. Ab dem 01.01.2017 wird er in den Pflegegrad 4 übergeleitet. Am 20.01.2017 stellt er einen Antrag auf Zuordnung in einen höheren Pflegegrad. Der MDK stellt im Rahmen seiner Begutachtung am 27.01.2017 fest, dass bereits ab November 2016 die Voraussetzungen des Pflegegrades 5 vorliegen.

Für November und Dezember 2016 wurde bereits ein Pflegegeld in Höhe von jeweils 728,00 Euro geleistet.

Ab Januar 2017 beträgt das kalendermonatliche Pflegegeld 901,00 Euro.

Folge:

In diesem Fall greift die Sonderregelung des § 140 Abs. 4 SGB XI. Das bedeutet, dass der Versicherte bereits ab November 2016 das Pflegegeld in Höhe des Pflegegrades 5 erhält.

Die Pflegekasse zahlt für November und Dezember 2016 ein Pflegegeld in Höhe von insgesamt (2 x 901,00 Euro abzgl. 2 x 728,00 Euro) 346,00 Euro nach. Ebenfalls wird für Januar 2017 das Pflegegeld in Höhe des Unterschiedsbetrags von Pflegegrad 4 zu Pflegegrad 5 nachgezahlt.

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