Art und Umfang der Leistungen nach § 4 SGB XI
Die Rechtsvorschrift des § 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) definiert, in welcher Form die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung geleistet werden. Es wird in allgemeiner Form beschrieben, dass die Leistungen als Dienst-, Sach- und Geldleistungen und im Rahmen der Kostenerstattung den Versicherten zur Verfügung gestellt werden.
Leistungsarten
Mit § 4 Abs. 1 SGB XI wird allgemein geregelt und beschrieben, dass die Leistungen als Dienst-, Sach- und Geldleistungen erbracht werden und für den Bedarf an körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und für die Hilfe bei der Haushaltsführung eingesetzt werden. Die Leistungen werden auch – soweit es das Elfte Buch Sozialgesetzbuch vorsieht – im Rahmen der Kostenerstattung geleistet.
Der Punkt der pflegerischen Betreuungsleistungen wurde ab dem Jahr 2017 in die Rechtsvorschrift mit aufgenommen. Hierbei handelt es sich um Tätigkeiten, die auf die kommunikativen und kognitiven Fähigkeiten des Pflegebedürftigen, auf die Gestaltung des Alltagslebens und die psychischen Problemlagen und Verhaltensweisen abzielen. Die pflegerischen Betreuungsleistungen wurden im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) im Leistungswesen der Sozialen Pflegeversicherung aufgenommen, welches sich in der Vergangenheit ausschließlich auf die Grundpflege (jetzt: körperbezogene Pflegemaßnahmen) und hauswirtschaftliche Versorgung konzentriert hatte.
Zu den Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung gehört hingegen nicht die medizinische Behandlungspflege bei häuslicher Pflege. Zur medizinischen Behandlungspflege gehören beispielsweise die Verabreichung von Medikamenten, die medizinische Hilfeleistungen wie Injektion und ein Verbandwechsel. Diese Leistungen fallen in die Zuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung, die hierfür die Häusliche Krankenpflege leistet, die in § 37 SGB V geregelt ist.
Die Art und der Umfang der Leistungen muss sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach richten, ob von den pflegebedürftigen Versicherten die Leistungen der häuslichen, teilstationären oder vollstationären Pflege in Anspruch genommen werden.
Zu den Geldleistungen der Sozialen Pflegeversicherung gehört beispielsweise das Pflegegeld nach § 37 SGB VI, zu den Sachleistungen die Pflegesachleistung nach § 38 SGB XI oder die vollstationären Pflegeleistungen nach § 43 SGB XI. Zu den Dienstleistungen können die Beratungsleistungen gezählt werden, welche beispielsweise im Rahmen der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI erbracht werden. Eine klassische Kostenerstattungsleistung sind die Entlastungsleistungen (Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI). Die Rechnungen für die Entlastungsleistungen leisten die Versicherten im Regelfall selbst an den Leistungserbringer und bekommen diese von der Pflegekasse (zumindest teilweise) wieder erstattet.
Keine Vollversorgung durch Soziale Pflegeversicherung
Dass die Soziale Pflegeversicherung keine Vollversorgung im Falle der Pflegebedürftigkeit gewährleistet und anstrebt, wird mit § 4 Abs. 2 SGB XI verdeutlicht. Diese Rechtsvorschrift stellt klar, dass die häusliche und teilstationäre Pflege mit der familiären, nachbarschaftlichen und sonstigen ehrenamtlichen Pflege und Betreuung ergänzt wird. Damit wird klargestellt, dass durch die Soziale Pflegeversicherung eine soziale Grundsicherung gewährleistet wird. Eine Eigenleistung der pflegebedürftigen Versicherten ist damit unentbehrlich.
Wichtig ist in dieser Rechtsvorschrift der Hinweis, dass die häusliche und teilstationäre Pflege insbesondere durch die Familie, Angehörige, Nachbarn usw. ergänzt wird. Diese Personengruppe wird häufig als „der größte Pflegedienst Deutschlands“ umschrieben und ist für die Sicherstellung – gerade im Hinblick auf die permanent steigende Anzahl an Pflegebedürftigen – existenziell wichtig. Ohne diesen Personenkreis könnte die Pflege nicht sichergestellt werden, weshalb gerade für diese Personen der Leistungskatalog der Sozialen Pflegeversicherung auch zahlreiche Leistungen vorsieht (u. a. die Rentenversicherungspflicht für Pflegepersonen, die Verhinderungspflege und die Pflegekurse).
Bei einer teil- und vollstationären Pflege werden die Pflegebedürftigen von Aufwendungen entlastet, die für ihre Versorgung nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit erforderlich sind (pflegebedingte Aufwendungen), die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung tragen die Pflegebedürftigen selbst.
Die Kosten der Unterkunft und Verpflegung hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung grundsätzlich als Eigenleistung der Pflegebedürftigen angesehen, da diese Kosten außerhalb der Einrichtung vom Versicherten ebenfalls selbst zu tragen wären.
Eine Rund-um-Versorgung Pflegebedürftiger durch die Soziale Pflegeversicherung wird mit § 4 Abs. 2 SGB XI ausgeschlossen. Dieser Sozialversicherungszweig sieht für den Einzelnen eine Grundversorgung vor und hat nicht zum Ziel, den Betroffenen vollständig von den Kosten freizustellen, welche für die notwendige Pflege anfallen. Vielmehr sollen die Leistungen vorrangig dazu dienen, die betroffenen Versicherten vor finanzieller Überforderung zu schützen. Sofern die Leistungen bzw. finanziellen Mittel der Pflegeversicherung nicht ausreichend sind, können ggf. weitergehenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), dem Vierzehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV), nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) oder dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Betracht kommen.
Wirtschaftlichkeit als Grundsatz der Leistungserbringung
Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung wird in § 4 Abs. 3 SGB XI aufgegriffen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Sozialen Pflegeversicherung wird zwar in einer eigenen Rechtsvorschrift - § 29 SGB XI – geregelt, jedoch auch in der Rechtsvorschrift über die Art und den Umfang der Leistungen (§ 4 SGB XI) hierauf ergänzend hingewiesen.
Alle Beteiligten (Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen, Pflegebedürftige) werden mit § 4 Abs. 3 SGB XI angehalten darauf hinzuwirken, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Diese Rechtsvorschrift, die im Interesse der gesamten Solidargemeinschaft aufgenommen wurde, stellt klar, dass die erforderliche standardmäßige Pflege gewährleistet werden soll, jedoch keine Leistungserbringung im Übermaß erfolgen darf.
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