Krankenversicherungspflicht, selbstständige Tätigkeit

Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 5 Abs. 5 SGB V werden allerdings grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigte dann nicht versicherungspflichtig, wenn diese hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind. Durch diese Regelung möchte der Gesetzgeber vermeiden, dass nicht versicherungspflichtige Selbstständige in den Genuss des vollen Krankenversicherungsschutzes kommen, wenn diese eine niedrig vergütete Nebenbeschäftigung aufnehmen. Die Schutzbedürftigkeit wird für diesen Personenkreis nicht gesehen, weshalb neben der Krankenversicherung auch keine Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung eintritt. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung existieren keine analogen Ausschlussregelungen.

Selbstständige Tätigkeit muss hauptberuflich sein

Damit ein Ausschluss aus der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungspflicht bei Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit für Beschäftigte eintritt, muss die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich sein. Gesetzlich wird dieser Begriff – eine hauptberufliche selbstständige Tätigkeit – nicht näher definiert.

Eine selbstständige Tätigkeit wird dann hauptberuflich ausgeübt, wenn diese von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand die weiteren Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt.

Bislang hatte man angenommen, dass eine hauptberufliche Selbstständigkeit generell dann vorliegt, wenn im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit Arbeitnehmer beschäftigt werden. In diesem Fall wurden die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Umfang der selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht mehr näher geprüft. Diese Personen wurden aufgrund ihrer Arbeitgeberfunktion als hauptberuflich Selbstständige eingestuft. Wurden mehrere geringfügige Beschäftigte beschäftigt, war die hauptberufliche selbstständige Tätigkeit grundsätzlich dann gegeben, wenn bei Zusammenrechnung der Arbeitsentgelte der Beschäftigten die Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten wurden.

Mit Urteil vom 29.02.2012 (Az. B 12 KR 4/10 R) konnte das Bundessozialgericht (BSG) der Betrachtungsweise der Krankenversicherung nicht folgen. In dem Urteil hatte sich das Bundessozialgericht mit der Frage einer selbstständigen Erwerbstätigkeit im Zusammenhang mit der beitragsfreien Familienversicherung beschäftigen müssen. Das BSG hatte zum Ausdruck gebracht, dass eine hauptberufliche Tätigkeit nicht bereits dann angenommen werden kann, wenn seitens des Selbstständigen Arbeitnehmer beschäftigt werden. Vielmehr kommt es auf die Gesamtbetrachtung der Umstände an. Das Urteil hat in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Bedeutung. Es betrifft nicht nur den Ausschluss eines selbstständigen Tätigen aus der Familienversicherung nach § 10 SGB V, sondern auch den Ausschluss von selbstständig Tätigen aus der Pflichtversicherung als Arbeitnehmer.

Neue Verfahrensweise

Nach der neuen Verfahrensweise kann nicht mehr generalisierend angenommen werden, dass eine selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ist, wenn mindestens ein mehr als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer beschäftigt wird. Es kommt diesbezüglich auf die wirtschaftliche Bedeutung und den zeitlichen Umfang der selbstständigen Tätigkeit an. Diese Kriterien sind nun immer näher zu prüfen und festzustellen. Sofern ein oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist dies in Indiz für eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit. Dies deshalb, weil die Leitungsfunktion und der damit verbundene Zeitaufwand als Arbeitgeber dem Selbstständigen zuzurechnen ist. Ebenso trägt dieser das Risiko des wirtschaftlichen Ergebnisses der beschäftigten Arbeitnehmer.

Abgrenzung in der Praxis

Bei Aufnahme einer Beschäftigung oder bei Änderung der Verhältnisse muss der zuständige Arbeitgeber prüfen, ob bei einem Arbeitnehmer dessen selbstständige Tätigkeit hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Umfang im Vordergrund steht und damit die nebenher ausgeübte Beschäftigung deutlich übersteigt. Damit den Belangen aller Beteiligten Rechnung getragen wird, kann folgende, einfach durchzuführende Abgrenzung erfolgen.

  • Sofern Arbeitnehmer aufgrund tariflicher, arbeitsvertraglicher oder betriebsbedingter Regelungen vollschichtig arbeiten, wird angenommen, dass für eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit kein Raum mehr bleibt. Unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts ist hier eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit zu verneinen.
  • Arbeiten Arbeitnehmer mehr als 20 Stunden wöchentlich und erzielen ein Arbeitsgelt in Höhe von mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße, wird ebenfalls angenommen, dass für eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit kein Raum bleibt.
  • Arbeiten Arbeitnehmer nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich und erzielen ein Arbeitsentgelt, welches die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt, ist die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit anzunehmen.

Sollte ein Arbeitgeber anhand der o. g. Punkte das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen einer hauptberuflichen Tätigkeit nicht eindeutig bestimmen können, sollte die zuständige Krankenkasse in die Entscheidung eingebunden werden.

Die Krankenkassen haben die beschriebenen Punkte in den „Grundsätzlichen Hinweisen zum Begriff der hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit“ schriftlich fixiert.