Die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V

Gesetzlich bestimmte Personenkreise sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. So unterliegen grundsätzlich alle Personenkreise, welche in § 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) genannt sind, der Versicherungspflicht. Ausnahmen können sich ergeben, sofern die Versicherungspflicht über einen Tatbestand, welcher Versicherungsfreiheit begründet wieder „aufgehoben“ wird oder der Versicherte die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht wahrnimmt.

Mit § 6 Abs. 3a SGB V hat der Gesetzgeber zum 01.07.2000 (im Rahmen des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000) eine gesetzliche Regelung geschaffen, welche Versicherten, die bislang privat krankenversichert waren, die Rückkehr in die Gesetzliche Krankenversicherung erschwert bzw. unmöglich macht. Nach dieser Rechtsvorschrift sind Personen in der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, wenn sie nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden und zugleich in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung, dass nach § 6 Abs. 3a SGB V Krankenversicherungsfreiheit eintritt, ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig waren.

Aufgrund der Vorbehaltsklausel in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI wirkt sich die Krankenversicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V auch auf die Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung aus. In der Gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung gibt es hingegen eine solche Versicherungsfreiheit nicht.

Hintergrund

Viele Bürger, die in jungen Jahren nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen, wählen eine private Krankenversicherung. Zumeist handelt es sich hier um den Personenkreis der hauptberuflich Selbstständigen. Sie sind von den günstigen Beiträgen und einem eventuell umfangreicheren Leistungsangebot überzeugt, weshalb sie der Gesetzlichen Krankenversicherung den Rücken kehren. Im Alter, wenn das Versicherungsrisiko steigt, sind die steigenden Beiträge in der privaten Krankenversicherung ein Grund dafür, dass viele wieder in die Gesetzliche Krankenversicherung zurück möchten. Von vielen wird auch befürchtet, dass sie in Zukunft die Beiträge für die private Krankenversicherung gar nicht mehr aufbringen können.

Auf diesen Umstand hat der Gesetzgeber reagiert und die Rückkehr in die Gesetzliche Krankenversicherung erschwert bzw. gar unmöglich gemacht. Damit soll die Versicherten-/Solidargemeinschaft geschützt werden. Versicherte, die einen großen Teil ihres Lebens keine Beiträge in die Gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt haben, sollen im Alter auch nicht den vollumfänglichen Versicherungsschutz genießen können, wenn die Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Vergleich zur privaten Krankenversicherung relativ günstig sind. Während die private Krankenversicherung nämlich die Beiträge nach dem Risiko (welches im Alter am höchsten ist) bemisst, werden die Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach der Höhe des Einkommens bemessen.

Rückkehrmöglichkeiten

Die Rückkehr oder auch der erstmaliger Zugang in die Gesetzliche Krankenversicherung ist grundsätzlich dann möglich, wenn Krankenversicherungspflicht eintritt und das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde. In der Praxis wird von Selbstständigen diese Krankenversicherungspflicht erreicht, indem der Betrieb auf einen Nachfolger (beispielsweise die Kinder) übertragen wird. Sofern dann eine Anstellung in diesem Betrieb erfolgt, kommt Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 SGB V (Versicherungspflicht für Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind) zustande. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass eine geringfügige Beschäftigung (ein sogenannter Minijob) nicht ausreichend ist, um in die Gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren. Ein Minijob liegt vor, wenn [seit 01.01.2013] das monatliche Arbeitsentgelt 450,00 Euro nicht überschreitet; hier muss das Arbeitsentgelt also mehr als 450,00 Euro monatlich betragen.

Gleiches gilt auch für Arbeitnehmer, die aufgrund des Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei sind (s. auch: Versicherungsfreiheit von höher verdienenden Arbeitnehmern). Sofern dann das Arbeitsentgelt unter die Versicherungspflichtgrenze abgesenkt ist, kommt wieder die Krankenversicherungspflicht zum Tragen. Bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres ist auch in diesem Fall eine Rückkehr in die Gesetzliche Krankenversicherung möglich.

Rückkehr/erstmaliger Zugang versperrt

Die Rückkehr und der erstmalige Zugang in die Gesetzliche Krankenversicherung sind allerdings aufgrund der seit 01.07.2000 geltenden Regelung versperrt, wenn die Betroffenen das 55. Lebensjahr vollendet haben und kein ausreichender Bezug zur Gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen werden kann. Doch die Versicherungsfreiheit tritt ab dem 55. Lebensjahr nicht generell ein. Neben der Voraussetzung, dass bei grundsätzlichem Beginn der Versicherungspflicht das 55. Lebensjahr vollendet sein muss, muss in den letzten fünf Jahren davor kein Versicherungsverhältnis innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung bestanden haben und für mindestens die Hälfte dieser Zeit – also für mindestens zwei Jahre und sechs Monate – entweder Versicherungsfreiheit, eine Befreiung von der Versicherungspflicht oder ein Ausschluss von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5 SGB V vorgelegen haben. Eine „Nichtversicherung“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung versperrt also nicht generell die Rückkehr bzw. erstmaligen Zugang. Die Nichtversicherung muss vielmehr auf die drei genannten Gründe zurückzuführen sein.

Nach § 6 Abs. 3a Satz 3 SGB V steht der Versicherungsfreiheit, der Nichtversicherung wegen einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit und der Befreiung von der Versicherungspflicht die Ehe mit einer Person, die diese Voraussetzungen erfüllt, gleich. Das heißt, dass auch beispielsweise die Ehegatten von hauptberuflich Selbstständigen, von Beamten und sonstigen versicherungsfreien Arbeitnehmern der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V unterliegen.

Lücke im Gesetz

Die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3a SGB V ist dann für Versicherte ab dem vollendeten 55. Lebensjahr gegeben, wenn diese in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht mindestens die Hälfte dieser Zeit:

  • versicherungsfrei,
  • von der Versicherungspflicht befreit oder
  • nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig

waren. Versicherungsfrei können nur Personen sein, welche vom Grundsatz versicherungspflichtig sind; Versicherungsfreiheit kann nur nach einer grundsätzlichen Versicherungspflicht bestehen, ansonsten handelt es sich um Personen, die „nicht krankenversicherungspflichtig“ sind. Von der Versicherungspflicht kann sich nur ein Versicherter befreien lassen, der dieser auch tatsächlich unterliegt. Und § 5 Abs. 5 SGB V definiert den Personenkreis, der eine Beschäftigung ausübt und daneben noch hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist; hier ist die Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung ausgeschlossen, wenn die hauptberufliche selbstständige Tätigkeit im Vordergrund steht.

Bei genauer Auslegung der Rechtsvorschrift des § 6 Abs. 3a SGB V würde die Versicherungsfreiheit für Personen, die beispielsweise über Jahre hinweg (ausschließlich) hauptberuflich selbstständig erwerbstätig waren, nicht greifen; die hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen sind weder versicherungsfrei, noch von der Versicherungspflicht befreit noch nach § 5 Abs. 5 SGB V von der Versicherungspflicht ausgenommen. Diese sind vielmehr „nicht krankenversicherungspflichtig“. Damit würde der Gesetzgeber mit der Definition der Gesetzesvorschrift seine Absicht nicht verfolgen können.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der Bundesanstalt für Arbeit haben sich mit dieser Konstellation befasst und am 30./31.05.2000 ein Besprechungsergebnis herausgebracht. Dabei sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bezugnahme auf § 5 Abs. 5 SGB V in § 6 Abs. 3a SGB V so zu verstehen ist, dass die Personen, die nicht zum Personenkreis der gesetzlich Krankenversicherten gehören, bei grundsätzlichem Eintritt des Krankenversicherungspflichtbestandes nach Vollendung des 55. Lebensjahres krankenversicherungsfrei sein sollen, wenn zuvor in dem o. g. Umfang keine Krankenversicherungspflicht bestanden hat. Daher soll bei bislang selbstständig Erwerbstätigen unerheblich sein, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 5 SGB V tatsächlich vorgelegen haben. Das heißt, dass auch selbstständig Erwerbstätige von der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden, wenn ein Selbständiger neben seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit keine Beschäftigung ausgeübt hat.

Weitere Fallkonstellation, Ergebnisniederschrift vom 20.03.2019

Eine weitere Fallkonstellation ergibt sich, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise seit Jahrzehnten aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze privat krankenversichert ist und mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Beschäftigung aufgrund einer vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente aufgibt. Sofern dann nach frühestens 2,5 Jahren eine mehr als geringfügige Beschäftigung aufgenommen werden würde, würde rein nach dem Gesetztext Krankenversicherungspflicht bestehen und nach Beendigung dieser Beschäftigung die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung im Rahmen der „obligatorischen Anschlussversicherung“ eröffnet werden.

Mit Ergebnisniederschrift vom 20.03.2019 kam die Fachkonferenz Beiträge beim GKV-Spitzenverband zu dem Ergebnis, dass mit Blick auf die gesetzgeberische Intention keine Zweifel daran bestehen, dass in der genannten Fallkonstellation der Ausschluss der Krankenversicherungspflicht bzw. die durch § 6 Abs. 3a SGB V angeordnete Versicherungsfreiheit besteht. Die Versicherungsfreiheit gilt nicht nur für die Personen, die im Erwerbsleben stehen, sondern auch dann, wenn diese Personen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.

Bei Personen, die wegen Erreichens einer Altersgrenze, ab der ein Rentenbezug möglich ist oder die eine dauerhafte Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, ist die Voraussetzung „mindestens die Hälfte des Fünf-Jahres-Zeitraums versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbstständig erwerbstätig“ so auszulegen, dass der Ausschluss dann erfüllt ist, wenn die betroffene Person diese Voraussetzung zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben erfüllt hat. Eine Versicherungsplicht kommt dann nicht mehr zustande, wenn ein neuer Versicherungspflichttatbestand erfüllt wird.

Beratung

Alle, die eine Rückkehr bzw. einen erstmaligen Zugang in die Gesetzliche Krankenversicherung in Erwägung ziehen, sollten dies vor Vollendung des 55. Lebensjahres vollziehen. Wurde das 55. Lebensjahr bereits vollendet, empfiehlt sich eine vorherige Beratung, welche unter anderem – für die Gesetzliche Krankenversicherung – registrierte Rentenberater erbringen.

Es sollten auf keinen Fall irgendwelche Tricks angewandt werden, um in der Gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Ansonsten wird ein eventueller nachträglicher Ausschluss riskiert, welcher dann hohe finanzielle Aufwendungen zur Folge haben kann.

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