Krankenversicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 4 SGB V

Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, sind unter anderem in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versicherungspflichtig. Mit § 6 Abs. 4 SGB V wird für die höher verdienenden Arbeitnehmer eine Ausnahme definiert. Nach dieser Rechtsvorschrift endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Wird mit dem Arbeitsentgelt jedoch die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) des nächsten Kalenderjahres nicht überschritten, endet die Versicherungspflicht nicht. Durch § 6 Abs. 4 SGB V wird ebenfalls beschrieben, dass ein Anspruch auf ein rückwirkend erhöhtes Entgelt dem Kalenderjahr zugerechnet wird, in dem der Anspruch darauf entstanden ist.

Die Versicherungsfreiheit in der Gesetzlichen Krankenversicherung wirkt sich auch auf die Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung aus. Das heißt, dass ein höher verdienender Arbeitnehmer auch in der Pflegeversicherung versicherungsfrei ist, wenn in der Krankenversicherung Versicherungsfreiheit eintritt.

Die Jahresarbeitsentgeltgrenzen

Bei den Jahresarbeitsentgeltgrenzen gibt es die allgemeine und die besondere Jahresarbeitsarbeitsentgeltgrenze (s. auch: Unterschiedliche Jahresarbeitsentgeltgrenzen). Die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze beträgt im Kalenderjahrjahr 2023 66.600,00 Euro und im Kalenderjahr 2024 69.300,00 Euro.

Die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze gilt nach § 6 Abs. 7 SGB V für Arbeitnehmer, die am Stichtag 31.12.2002 aufgrund Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei waren und im vollen Umfang den Krankenversicherungsschutz privat abgesichert haben. Die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze beträgt im Kalenderjahr 2023 59.850,00 Euro und im Kalenderjahr 2024 62.100,00 Euro.

Fallkonstellationen

Folgend sind die Fallkonstellationen zusammengestellt, in denen wegen Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit eintreten kann.

Jahresarbeitsentgeltgrenze wird im Laufe eines Jahres überschritten

Wird im Laufe eines Kalenderjahres die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten, endet die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht mit dem folgenden Jahr, sofern auch die Jahresarbeitsentgeltgrenze des neuen Kalenderjahres überschritten wird.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer ist schon seit Jahren bei demselben Arbeitgeber beschäftigt. Das monatliche Arbeitsentgelt betrug in den letzten Jahren konstant 4.600,00 Euro.  Ab November 2018 erhält er eine Gehaltserhöhung. Das neue monatliche Arbeitsentgelt beträgt nun 5.200,00 Euro.

Konsequenz:

Bis zur Gehaltserhöhung im November 2018 betrug das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt (12 Monate x 4.600,00 Euro =) 55.200,00 Euro. Aufgrund der Gehaltserhöhung im November 2018 beträgt das neue regelmäßige Jahresarbeitsentgelt (12 Monate x 5.200,00 Euro =) 62.400,00 Euro.

Mit dem neuen regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt von 62.400,00 Euro wird sowohl die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze des Kalenderjahres 2018 als auch des Kalenderjahres 2019 überschritten. Die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht endet daher zum 31.12.2018.

In den Fällen, in denen die Krankenversicherungspflicht wegen Überschreitens der geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze endet, wird nach § 188 Abs. 4 SGB V die Mitgliedschaft im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung weitergeführt. In diesen Fällen informiert die Krankenkasse ihre Versicherten. Sollte dem nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Information der Krankenkasse widersprochen werden – da beispielsweise der Versicherte seinen Krankenversicherungsschutz über eine private Krankenversicherung weiterführen möchte – wird der Versicherungsschutz im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung fortgeführt.

Aufnahme einer neuen Beschäftigung

Ein Arbeitnehmer ist sofort kranken- und pflegeversicherungsfrei, wenn bei Aufnahme einer neuen Beschäftigung mit dem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze – vorausschauend betrachtet – überschritten wird.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer übte bereits in der Zeit von Januar 2017 bis Februar 2018 eine Beschäftigung aus, aufgrund der (unter anderem) Kranken- und Pflegeversicherungspflicht bestand. Ab März 2018 wird eine neue Beschäftigung mit einem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt von monatlich 5.250,00 Euro aufgenommen.

Konsequenz:

Aufgrund der neu aufgenommenen Beschäftigung ab März 2018 erhält der Arbeitnehmer vorausschauend betrachtet ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt von (12 Monate x 5.250,00 Euro =) 63.000,00 Euro. Damit wird bereits mit Aufnahme der Beschäftigung die Jahresarbeitsentgeltgrenze des Jahres 2018 überschritten, sodass dieser sofort kranken- und pflegeversicherungsfrei ist.

Berechnung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts

Das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, welches aufgrund der gegenwärtigen und bei normalem Verlauf von dem Arbeitnehmer in einem Zeitjahr erzielt wird. Das bedeutet, dass immer ein Jahreswert errechnet werden muss. Dabei ist das monatliche Arbeitsentgelt mit 12 Monaten zu multiplizieren. Hinzu kommen Einmalzahlungen, die regelmäßig und mit hinreichender Sicherheit gewährt werden. Bei den Einmalzahlungen kann es sich beispielsweise um ein einzelvertraglich oder tarifvertraglich zu gewährendes Urlaubsgeld oder Weihnachtsgratifikation handeln. Nicht berücksichtigt werden nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz SGB V Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden.

Um das monatliche Arbeitsentgelt bei Arbeitnehmern, die einen Stundenlohn erhalten, zu berechnen, ist folgende Formel anzuwenden:

Stundenlohn x individuelle wöchentliche Arbeitszeit x 13 Wochen / 3 Monate

Sollte der Arbeitnehmer Mehrarbeitsvergütungen erhalten, bleiben diese unberücksichtigt, da diese nicht regelmäßig sind. Eine Ausnahme bilden pauschal abzugeltende Überstunden, also wenn der Arbeitnehmer eine monatliche Pauschale erhält. Sofern Bereitschaftsvergütungen vertraglich vorgesehen sind und auch regelmäßig anfallen, werden diese beim regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt berücksichtigt.

Erhält ein Arbeitnehmer ein schwankendes Arbeitsentgelt, beispielsweise aufgrund der Gewährung von Provisionen, muss das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt geschätzt werden. Die Schätzung ist gewissenhaft vorzunehmen und bleibt dann auch – wie im Versicherungsrecht üblich – bestehen, wenn diese sich im Nachhinein als nicht korrekt herausstellt, das tatsächliche Arbeitsentgelt also geringer war. Bei Entgeltänderungen ist Kranken- und Pflegeversicherungspflicht erneut zu prüfen, indem das Arbeitsentgelt wieder geschätzt wird.

Eintritt von Krankenversicherungspflicht

Grundsätzlich erhöht sich die Jahresarbeitsentgeltgrenze zum 01.01. eines Jahres, da diese Grenze der Lohn-/Gehaltsentwicklung angepasst wird. Wird durch die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze diese Grenze von einem bisher kranken- und pflegeversicherungsfreien Arbeitnehmer unterschritten, tritt mit dem 01.01. wieder Versicherungspflicht ein.

Wird im Laufe eines Kalenderjahres die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht nur vorübergehend unterschritten, z. B. weil die Arbeitszeit herabgesetzt und damit auch das Arbeitsentgelt reduziert wird, tritt sofort wieder Kranken- und Pflegeversicherungspflicht ein. In diesem Fall endet die Versicherungsfreiheit nicht erst mit Ablauf des Kalenderjahres.

Wird hingegen die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nur vorübergehend unterschritten (Kurzarbeit, stufenweise Wiedereingliederung, Beschäftigungssicherungsvereinbarung), bleibt die Kranken- und Pflegeversicherungsfreiheit weiterhin bestehen. Als vorübergehende Minderung des Arbeitsentgelts sind auch Zeiträume anzusehen, die nicht mehr als drei Monate ausmachen. In diesem Fall geht man in der Gesamtschau nicht von einem regelmäßig geminderten Arbeitsentgelt aus.

Für den Fall, dass Krankenversicherungspflicht eintritt, da die geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr überschritten wird, können sich Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen.

Besonderheiten bei einer Elternzeit

Für Arbeitnehmer, die aufgrund des hohen Verdienstes Kranken- und Pflegeversicherungsfrei sind und dann in Elternzeit gehen, sind bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung nach dem Ende der Elternzeit Besonderheiten zu beachten. Diese können der beigefügten Tabelle entnommen werden:

Beschäftigung während der Elternzeit … Eintritt der Versicherungsfreiheit …
unmittelbar zum Jahresende
keine X  
beim gleichen Arbeitgeber bis zum Ende der Elternzeit, keine Befreiung   X
beim gleichen Arbeitgeber nicht bis zum Ende der Elternzeit, keine Befreiung X  
beim gleichen Arbeitgeber, mit Befreiung X  
bei anderem Arbeitgeber bis zum Ende der Elternzeit, keine Befreiung   X
bei anderem Arbeitgeber nicht bis zum Ende der Elternzeit, keine Befreiung X  
bei anderem Arbeitgeber, mit Befreiung X  

Danach wird also nach der Rückkehr aus der Elternzeit nach den Gegebenheiten während der Elternzeit differenziert.

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