Inhalte des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes (GKV-FKG)
Am 09.10.2019 hat das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf des „Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der GKV“ („Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz“, kurz: GKV-FKG) zugestimmt. Mit diesem Gesetz möchte der Gesetzgeber den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen fairer gestalten. Ursprünglich war geplant, das Gesetz „Gesetz für eine faire Kassenwahl in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)" zu bezeichnen. Der erste Referentenentwurf datiert vom 25.03.2019. Das Gesetz soll zum 01.01.2020 in Kraft treten.
Die Ziele des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes sollen einerseits durch die Weiterentwicklung des Finanzausgleichs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen (morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich, kurz: Morbi-RSA), andererseits durch eine Reform der Organisationsstrukturen erreicht werden.
Folgend sind die Inhalte des GKV-FKG zusammengefasst.
Verhaltensregeln für Wettbewerb unter Kassen
Damit der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen fairer bzw. gerechter wird, bringt das GKV-FKG neue Verhaltensregeln. Die Verhaltensregeln gelten für den Wettbewerb, wobei vor allem die möglichen Werbemaßnahmen verbindlicher und klarer definiert werden. Zu einer Ausweitung kommt des bei den Unterlassungsansprüchen und Rechtsschutzmöglichkeiten der Krankenkassen untereinander, sollte es zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten einer Krankenkasse kommen.
Betreibt eine Krankenkasse Werbung, dann muss bei dieser die Sachinformation im Vordergrund stehen.
Als Mindest-Standard wird das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) für verbindlich erklärt. Maßnahmen, welche zur Selektion von Risiken dienen, werden verboten. Sehen sich Krankenkassen durch einen Rechtsverstoß einer Konkurrenz-Krankenkassen benachteiligt, können diese selbst aktiv werden (unabhängig vom Einschreiten der Aufsichtsbehörde). Gleiches gilt, wenn ein Verdacht auf RSA-Manipulationen besteht oder unzulässige Satzungsleistungen angeboten werden. Für Klagen im Zusammenhang mit dem Wettbewerb sind die Zivilgerichte zuständig, welche Erfahrung mit der Anwendung des UWG haben.
Aufsichtsbehörden
Zwischen den Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene kommt es zu einer Verbesserung der Transparenz, Kooperation und Abstimmung. Das unterschiedliche Handeln der Aufsichtsbehörden hat nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit zu Wettbewerbsverzerrungen geführt.
Haftungsverpflichtung der Krankenkassen
Auf eine komplett neue Grundlage werden die Haftungsverpflichtungen der Krankenkassen gestellt. Aufgrund der Historie haften derzeit bei einer Insolvenz, Schließung oder Auflösung einer gesetzlichen Krankenkasse zunächst noch die Krankenkassen derselben Kassenart. Diese Regelung wird abgeschafft. Der GKV-Spitzenverband wird künftig für die zahlungsunfähigen Krankenkassen aufkommen. Die Kosten einer Krankenkasse aufgrund einer Insolvenz werden mittels eines fairen Verteilungsschlüssels auf alle Krankenkassen aufgeteilt.
Weitreichende Neuerungen beim RSA
Beim Risikostrukturausgleich (RSA), welcher einen Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen regelt, kommt es zu weitreichenden Neuerungen.
Aufhebung der Begrenzung im Morbi-RSA
Die Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten im Morbi-RSA wird aufgehoben. Stattdessen wird ein sogenanntes Krankheits-Vollmodell eingeführt, bei dem im Rahmen des RSA das gesamte Krankheitsspektrum berücksichtigt wird. Hieraus soll die Zielgenauigkeit des Finanzausgleichs erhöht und die Über- und Unterdeckungen für die meisten Versicherten verringert werden. Durch diese gesetzliche Neuerung soll es durch eine Vereinfachung des Ausgleichsverfahrens kommen, da die jährliche Auswahl der maßgebenden Krankheiten entfällt.
Einführung einer Regionalkomponente
Bei Risikostrukturausgleich wird eine Regionalkomponente eingeführt, mit denen Über- und Unterdeckungen im Finanzausgleich ausgeglichen werden sollen. Ziel dieser Neuregelung ist, dass für alle Krankenkassen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Darüber hinaus wird der Marktkonzentration einzelner Krankenkassen entgegengewirkt. Bei der Einführung der Regionalkomponente kommt es zum Einbezug von Variablen, welche regionale Deckungsbeitragsunterschiede statistisch erklären, u. a. der Anteil von Pflegebedürftigen im ambulanten Bereich.
Risikopool für Hochkostenfälle
Durch die Einführung eines Risikopools werden finanzielle Belastungen einzelner Krankenkassen durch Hochkostenfälle abgefedert. Hierzu zählen unter anderem hochpreisige Arzneimitteltherapien, welche zur Krankheitsgenesung oder langjährigen Verzögerung einer Krankheit erforderlich werden und daher für die Zuweisungen im RSA keine relevanten Folgekosten verursachen. Die betroffenen Krankenkassen erhalten durch den Risikopool 80 Prozent der Leistungsausgaben je Leistungsfall wieder erstattet, welche die Grenze von 100.000 Euro überschreiten.
Neuregelung bei der Zuweisungspraxis
An einigen Stellen im RSA wird die Zuweisungspraxis neu geregelt. So sollen Altersinteraktionsterme – bestimmte Rechenmechanismen – berücksichtigen, dass je nach Alter unterschiedliche Behandlungskosten für eine Krankheit entstehen. Künftig wird das Risikomerkmal „Erwerbsminderung“ nicht mehr beim RSA berücksichtigt.
Arzneimittelrabatte werden versichertenindividuell berücksichtigt
Auf den einzelnen Versicherten wird das Verfahren zur Berücksichtigung von Arzneimittelrabatten individualisiert. Die bisherige pauschale Anrechnung je Krankenkasse von Arzneimittelrabatten gehört der Vergangenheit an.
Die Krankenkassen erhalten weiterhin Wirtschaftlichkeitsanreize, wenn diese Rabattverträge für die Arzneimittelversorgung ihrer Versicherten abschließen.
Präventionsausgaben werden im RSA gestärkt
Im RSA wird eine Vorsorge-Pauschale eingeführt. Dadurch kommt es auch im RSA zu einer Stärkung der Präventionsorientierung. Durch diese Änderung erhalten die Krankenkassen einen Anreiz, dass die Versicherten zur Inanspruchnahme der Maßnahmen zur Prävention motiviert werden. Damit werden die Präventionsbemühungen der Krankenkassen stärker als bisher berücksichtigt. Sobald ein Versicherter eine Gesundheits-, Mutterschaftsvorsorge- oder Früherkennungs-Untersuchung oder eine Schutzimpfung (nach § 20i Abs. 1 SGB V) in Anspruch nimmt, wird der Krankenkasse eine Vorsorge-Pauschale gewährt.
Stärkung der Manipulationsresistenz
Im Rahmen der innovativen Haus- und Facharztverträge soll es zu einem Verbot von differenzierten Diagnosen kommen. Mögliche Manipulationen bei der Kodierung von Diagnosen (sogenanntes „Upcoding“) soll dadurch nicht mehr möglich sein. Dass eine Kodierungsbeeinflussung erfolgt, soll durch eine Manipulationsbremse vermieden werden. So soll es für die Krankenkassen keine Zuweisungen mehr geben, wenn bei bestimmten Krankheiten die Diagnosekodierungen auffällig stark steigen.
Das Bundesversicherungsamt (BVA) erhält deutlich erweiterte Prüfkompetenzen. Das Prüfkonzept wird eine Umkehr der Beweislast enthalten, welches rückwirkend ab dem Jahr 2013 angewendet wird.
Für Selektivverträge wird eine Vertragstransparenzstelle eingerichtet. Hierdurch sollen Zusammenhänge mit statistischen Auffälligkeiten in den RSA-Datenmeldungen erkannt und die Transparenz über Verträge geschaffen werden.
GKV-Spitzenverband erhält neue Strukturen
Der GKV-Spitzenverband erhält neue Strukturen, damit dieser eine transparenter und engere Anbindung an das operative Geschäft der Krankenkassen hat. Um dieses Ziel zu erreichen, kommt es zur Schaffung eines neuen Lenkungs- und Koordinierungsausschusses. Dieser Ausschuss wird mit Vorstandsmitgliedern der Krankenkassen besetzt. Zudem soll es in den Entscheidungsgremien auch eine Frauenquote geben.
Zusätzlich wird der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes verkleinert und wird künftig nur noch maximal 40 Mitglieder haben (bis 2023, also in der laufenden Amtsperiode, hat der Verwaltungsrat noch 52 Mitglieder).
Die ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren angedachte Abschaffung des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbandes sieht das GKV-FKG nicht mehr vor.
Einmalig 250 Millionen Euro für Krankenhäuser
Im Jahr 2020 sollen die Krankenhäuser einmalig 250 Millionen Euro erhalten, mit denen die Tarifsteigerungen in der Pflege, welche in den Jahren 2018 und 2019 nicht finanziert wurden, ausgeglichen werden. Die Krankenhäuser sollen das zusätzliche Geld schnell und unbürokratisch erhalten. Die den Krankenkassen dadurch entstehenden Mehrausgaben werden durch eine einmalige Entnahme aus der Liquiditätsreserve ausgeglichen.
Überhöhte Finanzreserven müssen ab 2020 abgebaut werden
Bereits im Versichertenentlastungsgesetz (kurz: VEG) war der Abbau überschüssiger Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen vorgesehen. Für die Umsetzung der Finanzreserven stellt der GKV-FKG nun die Weichen.