Das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 49 SGB V

Mit § 16 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gibt es allgemeine Ruhensvorschriften für die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Von diesen allgemeinen Ruhensvorschriften wird auch der Anspruch auf die Entgeltersatzleistung „Krankengeld“ erfasst.

In welchen Fallkonstellationen – neben den allgemeinen Ruhensvorschriften des § 16 SGB V – speziell der Anspruch auf Krankengeld ruht, wird in § 49 SGB V geregelt.

Ruhen bei Bezug von Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.

Nach dieser Rechtsvorschrift ruht das Krankengeld nur bei einem Bezug von laufendem Arbeitsentgelt. Der „klassische“ Fall einer laufenden Zahlung von Arbeitsentgelt, der den Anspruch auf Krankengeld zum Ruhen bringt, ist die Leistung der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) oder auch aufgrund tarifvertraglicher bzw. arbeitsvertraglicher längerer Entgeltfortzahlung als dies das EFZG vorsieht.

Damit das Krankengeld zum Ruhen kommt, muss das Arbeitsentgelt mit dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in Beziehung stehen. Hierzu muss von vornherein feststehen, dass es während der Krankheit für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit geleistet wird mit der Folge, dass der Krankengeldanspruch mit dem Bezug von Arbeitsentgelt zusammenfällt.

Erhält ein Arbeitnehmer variable Arbeitsentgeltbestandteile, die immer zeitversetzt ausgezahlt werden, führen diese nicht zum Ruhen des Krankgeldes. Gleiches gilt für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (z. B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation).

Auch ein Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit bringt das Krankengeld zum Ruhen, sofern dieses während der Arbeitsunfähigkeit anfällt. In der Praxis besteht gerade bei Selbstständigen die Schwierigkeit, dass nicht genau ermittelt werden kann, ob das Arbeitseinkommen während der Arbeitsunfähigkeit weiter bezogen bzw. erzielt wird. Sofern keine verwertbaren Anhaltspunkte hierfür vorhanden sind, wird im Regelfall eine Erklärung des Versicherten als ausreichend angesehen.

Arbeitgeberleistungen während des Bezugs von Krankengeld

Nach § 23c Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) handelt es sich bei arbeitgeberseitigen Leistungen während des Bezugs von Krankengeld dann nicht um ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, soweit die Einnahmen zusammen mit dem Krankengeld das letzte Netto-Arbeitsentgelt um nicht mehr als 50,00 Euro übersteigen. Bei dem Betrag von 50,00 Euro handelt es sich um keinen Freibetrag, sondern um eine Freigrenze. Das bedeutet, dass das Arbeitsentgelt während des Krankengeldbezugs vollständig beitragspflichtig ist, wenn der Betrag von 50,00 Euro (Netto-Arbeitsentgelt + Arbeitgeberleistung) überschritten wird. Im Falle eines Überschreitens dieser Freigrenze handelt es sich damit um ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt mit der Folge, dass das Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zum Ruhen kommt.

Mit dieser Regelung möchte der Gesetzgeber erreichen, dass ein arbeitsunfähiger Versicherter während des Bezugs von Krankengeld nicht bessergestellt wird als ein arbeitsfähiger Versicherter.

Beispiel:

  • Brutto-Arbeitsentgelt monatlich: 2.800,00 Euro
  • Netto-Arbeitsentgelt monatlich: 1.700,00 Euro
  • Brutto-Zuschuss des Arbeitgebers während Krankengeldzahlung: 390,00 Euro
  • Brutto-Krankengeld täglich: 51,00 Euro
  • Netto-Krankengeld täglich: 45,00 Euro
  • Freibetrag (1.700,00 Euro – (45,00 Euro x 30 Tage)): 350,00 Euro

Konsequenz:

Der Freibetrag von 350,00 Euro wird mit der Arbeitgeberleistung während des Krankengeldbezugs in Höhe von 390,00 Euro um 40,00 Euro überschritten. Damit wird die Freigrenze von 50,00 Euro nicht überschritten. In der Folge liegt kein beitragspflichtiges Entgelt bzw. keine beitragspflichtige Einnahme vor, welche zum (teilweise) Ruhen des Krankengeldanspruchs führt.

Ruhen bei Bezug von Entgeltersatzleistungen anderer Sozialleistungsträger

Bezieht bzw. erhält ein Versicherter Entgeltersatzleistungen von anderen Sozialleistungsträgern, führt dies ebenfalls zum Ruhen des Krankengeldes. Konkret ruht der Anspruch auf Krankengeld:

  • nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, soweit und solange Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bezogen wird,
  • nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V, solange Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld bezogen wird oder der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruht,
  • nach § 49 Abs. 4 SGB V, soweit und solange Entgeltersatzleistungen, die ihrer Art nach den in § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V genannten Leistungen vergleichbar sind, wenn diese von einem Träger der Sozialversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland bezogen werden.

Sollte das Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld höher sein, als das Krankengeld, ruht dieses dennoch in voller Höhe. Ein sogenannter „Krankengeld-Spitzbetrag“ kann in diesen Fällen nicht geleistet werden (vgl. hierzu auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.03.2013, Az. B 1 KR 17/12 R).

Ruhen während der Elternzeit

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange Versicherte Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in Anspruch nehmen. Das Ruhen kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn:

  • die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Elternzeit eingetreten ist oder
  • das Krankengeld aus dem Arbeitsentgelt zu berechnen ist, welches aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während der Elternzeit erzielt wurde.

Sollte während der Elternzeit ein Mutterschaftsgeld bezogen werden, führt dies zum Ruhen des Krankengeldes.

Ruhen bei verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit

Wird die Arbeitsunfähigkeit der zuständigen Krankenkasse verspätetet gemeldet, führt dies ebenfalls zum Ruhen des Krankengeldes. Die entsprechende Ruhensvorschrift hierfür ist § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet wird. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Das Krankengeld ruht ebenfalls nicht, wenn das Versäumnis nicht der Versicherte zu verantworten hat.

Ruhen bei flexiblen Arbeitszeitregelungen

Der Anspruch auf Krankengeld ruht nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V soweit und solange für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung (§ 7 Abs. 1a SGB IV) eine Arbeitsleistung nicht geschuldet wird.

Das Krankengeld ruht damit, wenn sich der Versicherte bzw. Arbeitnehmer in einer Freistellungsphase befindet. Die Freistellungsphase wiederum beginnt, wenn das entsprechende Wertguthaben vollständig angespart wurde. Von Bedeutung ist für die Beurteilung, wann das Krankengeld zum Ruhen kommt, die individuelle Ausgestaltung der jeweiligen Vereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Spätestens beginnt die Freistellungsphase jedoch mit dem Zeitpunkt, ab dem das erarbeitete Wertguthaben so hoch ist, dass das vereinbarte Entgelt bis zum Ende der vereinbarten Freistellungsphase reicht.

Beispiel:

Der Versicherte hat mit seinem Arbeitgeber folgendes Arbeitszeitmodell vereinbart:

  • Arbeitsphase (volle Arbeitsleistung): 01.01.2018 bis 31.12.2018
  • Freistellungsphase mit Weiterzahlung des Entgeltes: 01.01.2019 bis 31.12.2019

Vom 01.10.2018 bis 30.11.2018 erhält der Versicherte Krankengeld. Nach der Vereinbarung wird für Zeiten der fehlenden Entgeltzahlung – hier Zeit des Bezugs von Krankengeld – der Beginn der Freistellungsphase hinausgeschoben.

Konsequenz:

Durch die Krankengeldbezugszeit vom 01.10.2018 bis 30.11.2018 konnte im Jahr 2018 nur ein Wertguthaben für zehn Monate erarbeitet werden. Die Arbeitsphase mit voller Arbeitsleistung muss damit um einen Monat – also bis 31.01.2019 – verlängert werden. Damit reicht das Wertguthaben bis zum 31.12.2019. In der Folge greift die Ruhenswirkung des § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V ab dem 01.02.2019.

Ruhen während Familienpflegezeit

Während einer Familienpflegezeit ruht das Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V ebenfalls, soweit und solange während dieser Zeit keine Arbeitsleistung geschuldet wird.

Beschäftigte können sich im Rahmen der Familienpflegezeit bis zu sechs Monate vollständig von der Arbeitsleistung freistellen lassen, um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu pflegen.

Sonstige Ruhenstatbestände

Neben den Regelungen nach § 49 SGB V gibt es noch einige sonstige bzw. allgemeine Ruhenstatbestände, bei denen es zu keiner Auszahlung des Krankengeldes kommen kann.

Ein Ruhenstatbestand ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Nach dieser Rechtsvorschrift ruht der Anspruch auf Krankengeld, wenn sich Versicherte im Ausland aufhalten. Sollte jedoch die zuständige Krankenkasse nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ihre Zustimmung für den Auslandsaufenthalt erteilt haben, ruht der Anspruch nicht; gleiches gilt auch, wenn die Behandlung nur im Ausland möglich ist.

Hat ein Versicherter nach dienstrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Heilfürsorge oder leisten Versicherte als Entwicklungshelfer einen Entwicklungsdienst, ruht der Anspruch auf Krankengeld nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V.

Ein weiterer Ruhenstatbestand für das Krankengeld ist, wenn der Versicherte mit seinen Beitragszahlungen – dies trifft auf Selbstzahler zu – im Rückstand ist. In diesem Fall ruht der Anspruch nach § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V. Näheres hierzu kann unter: Ruhen des Leistungsanspruchs bei Beitragsrückstand nachgelesen werden. Für Beitragsschuldner der Künstlersozialkasse ruht der Anspruch nach § 16 Abs. 2 KSVG. 

Mit § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V wird ein Ruhen der Leistungen und damit auch ein Ruhen des Krankengeldanspruchs für Versicherte während freiheitsentziehender Maßnahmen geregelt.

Für Versicherte, die einen Bundesfreiwilligendienst ausüben, ruht der Krankengeldanspruch, soweit und solange Versicherte von der Einsatzstelle im Rahmen der Vereinbarung zum Bundesfreiwilligendienst Taschengeld während der Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt bekommen.

Hinweis

Ruht ein Anspruch auf Krankengeld, besteht dennoch die Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort. Bei einem Krankengeld-Ruhenszeitraum besteht nämlich der grundsätzliche Anspruch dem Grunde nach fort. Ebenfalls werden die Zeiträume, in denen das Krankengeld aufgrund der Ruhenstatbestände nach § 49 SGB V tatsächlich nicht zur Auszahlung kommt, bei der Höchstanspruchsdauer (78 Wochen bzw. 546 Tage innerhalb einer Drei-Jahres-Blockfrist) mit angerechnet/berücksichtigt.

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