Ausschluss und Kürzung des Krankengeldes nach § 50 SGB V
Die Rechtsvorschrift des § 50 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) enthält Regelungen, nach denen ein grundsätzlicher Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen wird bzw. wann es zu einer Kürzung der Krankengeldzahlung kommen muss.
Inhaltsverzeichnis
Ausschluss des Krankengeldes
Wann für Versicherte der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen ist, wird in § 50 Abs. 1 SGB V geregelt. Mit dieser gesetzlichen Regelung sollen zeitgleiche Doppelleistungen ausgeschlossen werden. Danach ist für folgende Versicherte der Anspruch ausgeschlossen:
Rente wegen voller Erwerbsminderung/Vollrente wegen Alters
Für Versicherte, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ist der Anspruch auf Krankengeld nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen.
Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht dann, wenn ein Versicherter wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Näheres zu dieser Rente kann unter Rente wegen voller Erwerbsminderung nachgelesen werden.
Eine Erwerbsunfähigkeitsrente ist eine Rente, welche nach den Rechtsvorschriften bis 31.12.2000 bewilligt werden konnte. Da diese Rente durch die Neuregelungen ab dem 01.01.2001 entfallen ist, hat diese in der Praxis aktuell keine Bedeutung mehr, was den Ausschluss des Krankengeldes betrifft.
Eine Vollrente wegen Alters ist eine Rente, die in voller Höhe – also zu 100 Prozent – geleistet wird. Hierbei kann es sich um jede Art einer Altersrente, also z. B. um die Regelaltersrente, die Altersrente für langjährig Versicherte, die Altersrente für besonders langjährig Versicherte oder die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, handeln.
Ruhegehalt/Vorruhestandsgeld
Mit § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist auch für Versicherte, die Ruhegehalt, welches nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen geleistet wird, der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen. Gleiches gilt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V auch für das Vorruhestandsgeld.
Als Versorgung, welche zu einem Ausschluss des Krankengeldes führen, kommen nach den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 01.07.2003 (Az. B 1 KR 6/02 R und B 1 KR 22/02 R) nur solche in Betracht, die sich hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen, der Finanzierung und der Berechnung eng an die beamtenrechtlichen Vorschriften anlehnen.
Vergleichbare ausländische Geldleistungen
Sofern ein Versicherer eine Leistung erhält, die ihrer Art nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung, der Erwerbsunfähigkeitsrente oder einer Vollrente wegen Alters oder dem Ruhegehalt, welches nach beamtenrechtlichen Vorschriften/Grundsätzen geleistet wird, vergleichbar ist und von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt wird, ist der Anspruch auf Krankengeld ebenfalls ausgeschlossen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4. SGB V). Wird eine dieser Leistungen nach den ausschließlich für das in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannte Gebiet geltenden Bestimmungen gezahlt, ist der Anspruch nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ausgeschlossen.
Der Anspruch auf Krankengeld ist jeweils vom Beginn der genannten Renten ausgeschlossen. Das heißt, dass der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf des Tages endet, der dem Tag des Beginns einer der in § 50 Abs. 1 SGB V genannten Leistung vorausgeht. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Zeitpunkt des Beginns der Leistung in eine Zeit der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) fällt.
Einstellung des Krankengeldes und Erstattungsanspruch
Kommt es zu einer rückwirkenden Bewilligung einer der genannten Renten für einen Zeitraum, welcher mit Krankengeld belegt ist, entfällt auch rückwirkend der Krankengeldanspruch. Die Krankenkasse hat dann einen Anspruch auf Erstattung nach den §§ 103 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Sofern das Krankengeld höher ist als die bewilligte Rente – was in der Praxis in den meisten Fällen zutrifft – kann die Krankenkasse nach § 50 Abs. 1 Satz 3 SGB V den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern.
Sollte es für eine Zeit, für die im Nachhinein eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wird, tatsächlich noch zu keiner Krankengeldzahlung gekommen sein, kann dieses nicht mehr ausgezahlt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Krankenkasse rechtsirrtümlich kein Krankengeld gezahlt hat. Auch der Unterschiedsbetrag zwischen Rente und Krankengeld kann nicht als Herstellungsanspruch nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzlichen von der Krankenkasse verlangt werden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 08.03.1990, Az. 3 RK 9/89).
Das Verfahren zwischen Krankenkassen und Rentenversicherungsträger, wenn es zu einer Rentenbewilligung kommt, ist in der „Vereinbarung über die Durchführung des Erstattungsverfahrens nach den §§ 103, 106 ff. SGB X beim Zusammentreffen von Krankengeld und Rente“ – kurz „ErstVfVb“ – geregelt.
Die Krankenkasse wird vom Rentenversicherungsträger gleichzeitig mit Absendung des Bescheides an den Rentenantragsteller über die Bewilligung oder Ablehnung einer Rente verständigt (A. II. Abs. 1 ErstVfVb). Die Krankenkasse stellt die Krankengeldzahlung bei einer Rentenbewilligung daraufhin spätestens mit Ablauf des Tages ein, an welchem die Mitteilung des Rentenversicherungsträgers über die Rentenbewilligung bei ihr eingeht. Daraufhin wird der Rentenversicherungsträger von der Krankenkasse über den Tag der Einstellung der Krankengeldzahlung informiert (A. III. ErstVfVb).
Sollte der Versicherte eine ausländische Leistung erhalten, die zum Ausschluss des Krankengeldanspruchs führt, erhält die Krankenkasse das überzahlte Krankengeld aus der ausländischen Rentennachzahlung erstatten. Voraussetzung hierfür ist, dass dies zwischenstaatliche Vorschriften vorsehen.
Wegfall der Rente
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 (letzter Halbsatz) SGB V entsteht nach Beginn einer der o. g. Leistungen, welche zum Ausschluss des Krankengeldes führen, kein neuer Krankengeldanspruch.
Wird eine der genannten Leistungen nicht mehr gezahlt, entsteht nach § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld, wenn das Mitglied bei Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist. Mit dieser Regelung wird klargestellt, dass bei Wegfall der genannten Renten ein neuer Krankengeldanspruch entsteht, wenn eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld besteht (vgl. Begründung in Bundestags-Drucksache 13/340 zu § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V).
Damit kann ein neuer Krankengeldanspruch in folgenden Fällen wieder bestehen:
- Eine der in § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen wird eingestellt.
- Es tritt eine „erneute“ Arbeitsunfähigkeit ein.
- Bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit besteht eine Versicherung mit Krankengeldanspruch.
Kürzung des Krankengeldes
In welchen Fällen es zu einer Kürzung des Krankengeldes kommt, wird in § 50 Abs. 2 SGB V geregelt.
Das Krankengeld wird um den Zahlbetrag
- der Altersrente, der Rente wegen Erwerbsminderung oder der Landabgaberente aus der Alterssicherung der Landwirte,
- der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, der Rente teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, der Berufsunfähigkeitsrente oder der Teilrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
- der Knappschaftsausgleichsleistung oder der Rente für Bergleute oder
- einer vergleichbaren Leistung, die von einem Träger oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt wird,
- von Leistungen, die ihrer Art nach den in Nr. 1 bis 3 genannten Leistungen vergleichbar sind, wenn sie nach den ausschließlich für das in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets geltenden Bestimmungen gezahlt werden,
gekürzt. Voraussetzung für die Kürzung ist jedoch, dass die Leistung von einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung an zuerkannt wird. Als Zeitpunkt der Zubilligung der Rente wird in diesem Zusammenhang nicht auf den Tag abgestellt, an dem der Rentenbescheid erstellt wurde, sondern auf den Zeitpunkt, von dem die Rente dem Versicherten (auch rückwirkend) zusteht (vgl. Urteil Bundessozialgericht vom 06.06.1991, Az. 3 RK 24/88).
Beginnt eine der o. g. Renten und das Krankengeld am gleichen Tag, ist eine Kürzung nicht vorzunehmen. Zu diesem Ergebnis kann das Bundessozialgericht mit mehreren Urteilen (vgl. u. a. Urteil Bundessozialgericht vom 20.03.1969, Az. 3 RK 96/67, Urteil Bundessozialgericht vom 30.05.1967, Az. 3 RK 29/67).
Die Kürzung des Krankengeldes entsprechend § 50 Abs. 2 Nr. 4 SGB V hat der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung aufgenommen (vgl. Bundestags-Drucksache 11/2237).
Beginn der Kürzung
Die Kürzung der Rente beginnt mit dem Tag des Eingangs der Rentenmitteilung bei der Krankenkasse. Das heißt, dass bis zum Eingang der Rentenmitteilung das Krankengeld noch ungekürzt ausgezahlt werden kann. Die Krankenkasse hat für die Zeit vom Rentenbeginn bis zum Eingang der Rentenmitteilung nach § 103 SGB X einen Erstattungsanspruch.
Nachdem § 50 SGB V keine Regelungen enthält, ab wann bei einer Rentenbewilligung das Krankengeld zu kürzen ist, wurde zur Gleichbehandlung aller Versicherten in Abschnitt A. III der ErstVfVb die Kürzung auf den Eingang der Rentenmitteilung bei der Krankenkasse festgelegt.
Berechnung der Kürzung
Sofern das Krankengeld eine der oben genannten Leistung, welche zur Kürzung des Krankengeldes führt, übersteigt, wird dieses nur noch gekürzt weitergezahlt. Die Kürzung erfolgt in Höhe von 1/30 des Rentenbetrages, wenn sowohl Krankengeld als auch Rente für einen vollen Kalendermonat beansprucht werden können.
Handelt es sich um Teilmonate, erfolgt die Kürzung indem der monatliche Rentenbetrag durch die Anzahl der Kalendertage des Monats dividiert wird. Maßgebend ist der Brutto-Rentenbetrag, also die Rente vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Dadurch wird nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 25.05.1979 eine Gleichbehandlung aller Rentner erreicht.
Sonstiges zur Kürzung des Krankengeldes
Beruhen Rententeile auf Höherversicherungsbeiträgen, ist hierfür § 50 Abs. 2 SGB V nicht anzuwenden. Das heißt, dass die Rentenanteile aus Höherversicherungsbeiträgen zu keiner Kürzung des Krankengeldes führen (vgl. Urteil Bundessozialgericht vom 23.11.1966, Az. 3 RK 90/63).
Das Krankgeld ist immer um die tatsächlich gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeitsrente gekürzt. Kommt es zu einer Rentenanpassung – die Rentendynamisierungen erfolgen jährlich zum 01.07. – wird auch das Krankengeld um den neuen bzw. erhöhten Rentenbetrag gekürzt (vgl. Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 29.10.1974).