Krankenhausvermeidungspflege und Krankenhausverkürzungspflege

Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Zu diesem Leistungsanspruch gehört auch ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege (HKP); dieser Anspruch ist in § 37 SGB V geregelt.

Mit § 37 Abs. 1 SGB V wird der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege geregelt, wenn diese zur Vermeidung oder zur Verkürzung einer Krankenhausbehandlung erforderlich wird. In diesem Zusammenhang spricht man von der sogenannten Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege.

Allgemeines zur Leistung nach § 37 Abs. 1 SGB V

Bei der Leistung „Häusliche Krankenpflege“, zu der auch die Krankenhausvermeidungspflege und Krankenhausverkürzungspflege zählen, handelt es sich um eine Rechtsanspruchsleistung und zugleich um eine Regelleistung. Die Krankenhausvermeidungspflege nach § 37 Abs. 1 SGB V wird von der Gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zur Verfügung gestellt. Das heißt, dass bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung die Leistung von Leistungserbringern erbracht wird, mit denen die Krankenkasse Verträge abgeschlossen hat. Diese Leistungserbringer rechnen die erbrachten Leistungen dann direkt mit der zuständigen Krankenkasse ab, sodass der Versicherte selbst nicht in Vorleistung gehen muss.

Anspruchsvoraussetzungen

Damit eine Leistung nach § 37 Abs. 1 SGB V erfolgen kann, müssen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Das heißt, dass der Versicherte in einem Versicherungsverhältnis zu seiner gesetzlichen Krankenkasse stehen muss.

Der Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege besteht, wenn eine

  • Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist,
  • Krankenhausbehandlung durch die häusliche Krankenpflege vermieden wird (Krankenhausvermeidungspflege) oder
  • Krankenhausbehandlung durch die häusliche Krankenpflege verkürzt werden kann (Krankenhausverkürzungspflege).

Bei dem Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege aufgrund einer Krankenhausbehandlung, welche zwar geboten, aber nicht ausführbar ist, ist der Grund hierfür ohne Bedeutung. Das heißt, dass der Grund sowohl im stationären Bereich – beispielsweise bei Fehlen einer geeigneten Einrichtung – als auch in der Person des Versicherten selbst liegen kann.

Für Versicherte soll mit der Krankenhausvermeidungspflege auch ein Anreiz dafür geschaffen werden, dass diese baldmöglichst wieder in ihren häuslichen Bereich zurückkehren können. Daher ist eine Voraussetzung für die Leistung, dass die häusliche Krankenpflege in Kombination mit der ärztlichen Behandlung zur Verkürzung der Krankenhausbehandlung beiträgt bzw. dass die Krankenhausbehandlung vollständig vermieden werden kann.

Die Voraussetzungen für die Krankenhausvermeidungspflege sind auch dann gegeben, wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit für eine stationäre Behandlung besteht, diese jedoch ohne die häusliche Krankenpflege erforderlich werden würde.

Befindet sich ein Versicherter bereits in Krankenhausbehandlung, besteht der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V auch dann, wenn durch die Leistung eine vorzeitige Entlassung erfolgen kann. In diesen Fällen sind die Krankenkassen angehalten, die Möglichkeiten einer häuslichen Krankenpflege in allen medizinisch vertretbaren Fällen zu erörtern. In diesem Zusammenhang muss vor allem mit dem Krankenhaus und mit dem Vertragsarzt zusammengearbeitet werden.

Prüfung im Zusammenhang mit Anspruch auf Krankenhausbehandlung

Bevor über einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V entschieden wird, muss auch der Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege geprüft werden. Ein Anspruch auf die Krankenhausbehandlung besteht nämlich nur dann, wenn das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Daher muss im Vorfeld einer Kostenübernahme für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege geprüft werden. Dies kann z. B. durch Hinzuziehung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder durch Einschalten des Sozialen Dienstes in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt erfolgen.

Leistungsinhalt der Krankenhausvermeidungs-/verkürzungspflege

Im Rahmen der Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege nach § 37 Abs. 1 SGB V werden – sofern hierfür die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden – die Behandlungspflege, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung übernommen. Welche Leistungen konkret zu gewähren sind, richtet sich einerseits nach dem Krankheitsbild, andererseits nach den Möglichkeiten, die dem Pflegebedürftigen bzw. den pflegenden Personen verblieben sind. In diesem Zusammenhang müssen auch die besonderen Bedürfnisse psychisch kranker Versicherter berücksichtigt werden.

Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung können nach § 2a der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie im Rahmen der Krankenhausvermeidungspflege nur im Zusammenhang mit erforderlicher Behandlungspflege verordnet werden.

Behandlungspflege

Inhalt der Behandlungspflege sind die medizinischen Hilfeleistungen, welche vom Arzt nicht selbst erbracht werden. Hierzu gehören unter anderem Einreibungen, Injektionen, Spülungen, Einläufe, Katheterisierung, Verbandwechsel, Dekubitusvorsorge, bei psychisch Kranken die Vorbeugung bei Suizidgefährdung und die Sicherung des notwendigen Patientenbeitrags zur ärztlichen Therapie (beispielsweise Aufklärung über Medikamente und Medikamenteneinnahme).

Grundpflege

Inhalt der Grundpflege sind die pflegerischen Maßnahmen. Zu diesen gehören unter anderem die Körperpflege, das Betten und Lagern, die Hilfen im hygienischen Bereich, Tag- und Nachtwachen und das Messen der Körpertemperatur.

Hauswirtschaftliche Versorgung

Zur hauswirtschaftlichen Versorgung gehören Arbeiten, die auf die Versorgung des Versicherten gerichtet sind. Zu diesen gehören unter anderem die Zubereitung von Mahlzeiten und Arbeiten im hygienischen Bereich.

Leistungsdauer

Der Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege besteht grundsätzlich für die Dauer, wie sie unter Berücksichtigung der Zielsetzung – also der Vermeidung bzw.  Verkürzung der Krankenhausbehandlung – erforderlich ist. Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB V ist der Leistungsanspruch für die Dauer von längstens vier Wochen je Krankheitsfall begrenzt. Nach § 37 Abs. 1 Satz 5 SGB V kann die Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege in begründeten Fällen auch für einen längeren Zeitraum als vier Wochen übernommen werden. Hierfür muss der Medizinische Dienst der Krankenversicherung allerdings das längere Erfordernis der Leistung festgestellt haben.

Ein neuer Krankheitsfall und damit ein neuer Anspruch auf die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V liegt vor, wenn sich die Notwendigkeit einer erneuten Krankenhausbehandlung ergibt.

Ort der Leistungserbringung

Die Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege wird nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Versicherten in deren Haushalt, deren Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen zur Verfügung gestellt.

Die Leistungserbringung ist nicht nur auf den Haushalt des Versicherten oder seiner Familie begrenzt. Auch andere Orte können für die Leistungserbringung in Betracht kommen. Diese Orte hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den HKP-Richtlinien nach § 92 SGB V festgelegt.

Bereits in der Rechtsvorschrift des § 37 Abs. 1 SGB V werden als Orte außerhalb des Haushalts/der Familie die Schulen und Kindergärten und die betreuten Wohnformen genannt. Damit hat der Gesetzgeber die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gesetzlich umgesetzt.

Nach § 1 Abs. 2 der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie werden als geeignete Orte solche Orte angesehen, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann. Zudem müssen für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen, sofern die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesen Orten erforderlich ist. Die geeigneten räumlichen Verhältnisse beziehen sich unter anderem auf Aspekte der Wahrung der Intimsphäre, der hygienischen Voraussetzungen und der Beleuchtung.

Ist ein Versicherter im Sinne der Sozialen Pflegeversicherung (nach § 14 SGB XI) nicht pflegebedürftig, besteht ein Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege unter Umständen auch in teilstationären Pflegeeinrichtungen (Tagespflege/Nachtpflege), wenn die Leistung dort aus medizinisch-pflegerischen Gründen erforderlich ist. Gleiches gilt für die Einrichtungen der Kurzzeitpflege.

Erbringung der Leistung durch Pflegekräfte

Besteht ein Anspruch auf die Krankenhausvermeidungspflege bzw. Krankenhausverkürzungspflege, muss diese durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden. Die gesetzlichen Vorschriften beschreiben, dass die Leistung von „Pflegekräften“ erbracht werden muss, da die Tätigkeiten über die Krankenpflegetätigkeit hinausgehende hauswirtschaftliche Versorgung umfassen. In Betracht kommen für die Leistungserbringung insbesondere Krankenschwestern und Krankenpfleger, Kinderkrankenschwestern, Krankenpflegehelfer und Krankenpflegerhelferinnen. Die Erlaubnis wird den Krankenpflegepersonen von der durch die Landesregierung bestimmten Behörde erteilt.

Neben den o. g. Personen können auch andere geeignete Personen die Krankenhausvermeidungspflege / Krankenhausverkürzungspflege – häusliche Krankenpflege – erbringen. In diesem Sinne ist derjenige geeignet, der die im speziellen Fall erforderliche Krankenpflege ordnungsgemäß verrichten kann. Die Anforderungen sind daher an die Art und Schwere der Krankheit des anspruchsberichtigten Versicherten auszurichten.

Für eine selbst beschaffte Pflegekraft können die Kosten in angemessener Höhe erstattet werden, wenn die Krankkasse eine Pflegeperson nicht stellen kann oder wenn ein Grund vorliegt, von der Gestellung einer Pflegeperson abzusehen. Als „angemessene Kosten“ werden Kosten angesehen, welche üblicherweise bei der Inanspruchnahme von vergleichbaren Pflegekräften entstehen.

Keine Erbringung von im Haushalt lebenden Personen

Nach § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf die häusliche Krankenpflege nur dann, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken im erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Das bedeutet, dass der Anspruch insoweit ausgeschlossen ist, wie eine im Haushalt lebende Person die Leistung erbringen kann. Diesen Punkt muss der Arzt, der die Leistung verordnet, einschätzen und entsprechend berücksichtigen.

Mit § 3 Abs. 3 der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie wird geregelt, dass eine Verordnung von häuslicher Krankenpflege unterbleiben muss, wenn eine im Haushalt lebende Person die erforderlichen Maßnahmen durchführen kann und dies dem Arzt auch bekannt ist. Kann eine im Haushalt lebende Person nur Teilbereiche der erforderlichen HKP-Leistungen durchführen, muss die Verordnung für diese Teilbereiche unterbleiben.

Lebt eine Person im Haushalt des Versicherten und kann diese nach Einschätzung des Arztes sämtliche oder bestimmte Teilbereiche nicht durchführen, muss dies auf der Verordnung vermerkt werden. Ist eine Beurteilung diesbezüglich nicht eindeutig möglich, muss dies auf der Verordnung ebenfalls entsprechend vermerkt werden.

Zuzahlung

Mit § 37 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 61 SGB V werden die Zuzahlungen geregelt, die Versicherte bei der Inanspruchnahme von Leistungen zahlen müssen. Nach § 61 Satz 3 SGB V beträgt die Zuzahlungen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege zehn Prozent der Kosten. Hinzu kommen noch 10,00 Euro je Verordnung (sogenannte Verordnungsgebühr). Die Zuzahlung ist auf die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr begrenzt.

Die Zuzahlungen – prozentuale Zuzahlungsbeträge für die ersten 28 Kalendertage und die Verordnungsgebühr – werden von der zuständigen Krankenkasse erhoben.

Die prozentualen Zuzahlungsbeträge werden pro Tag nach den in Anspruch genommenen Leistungen berechnet. Sollten sich pauschale Vergütungsbestandteile auf mehrere Kalendertage beziehen, werden diese dem ersten Tag der Leistungsinanspruchnahme zugerechnet.

Sofern die Inanspruchnahme von häuslicher Krankenpflege keine 28 Tage dauerte, wird bei einer erneuten Leistungsinanspruchnahme im selben Kalenderjahr die Zuzahlung noch für so viele Tage erhoben, wie an 28 Tagen noch fehlen.

Die prozentuale Zuzahlung beginnt bei einem Jahreswechsel wieder ab dem ersten Tag der Leistungsinanspruchnahme.

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