Die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) nach § 37b SGB V
Mit § 37b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird den Versicherten ein Anspruch auf eine „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ (kurz: SAPV) eingeräumt.
Näheres zur SAPV wird in der „Spezialisierte Ambulante Palliativversorgungs-Richtlinie“, kurz: SAPV-RL geregelt, welche der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) erlassen hat.
Allgemeines zur SAPV
Mit der SAPV soll erreicht werden, dass von schwerstkranken Menschen die Lebensqualität und Selbstbestimmung erhalten, gefördert und verbessert wird. Vorrangiges Ziel ist, dass die Versicherten in ihrer finalen Lebensphase in ihrer häuslichen und familiären Umgebung verbleiben können. Von daher werden im Rahmen der SAPV die Leiden und Symptome einzelfallgerecht gelindert, womit die Leistung eine medizinisch-pflegerische Zielsetzung und keinen kurativen Ansatz hat.
Die spezialisiert ambulante Palliativversorgung wird zu Hause bei dem schwerstkranken Menschen oder im Haushalt seiner Familie erbracht. Die Leistung kann jedoch auch in einer stationären Pflegeeinrichtung, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (im Sinne des § 55 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) und der Kinder- und Jugendhilfe (im Sinne des § 34 Achtes Buch Sozialgesetzbuch) erbracht werden. Ebenfalls kommen weitere Orte in Betracht, an denen die SAPV erbracht werden kann; dies sind Orte, an denen die SAPV-Leistungen zuverlässig erbracht werden können und zugleich sich der schwertkranke Mensch in vertrauter häuslicher oder familiärer Umgebung dauerhaft aufhält.
Leistungsvoraussetzungen
Ein Anspruch auf die spezialisierte ambulante Palliativversorgung besteht für Versicherte, wenn diese an einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung leiden, sofern auch eine begrenzte Lebenserwartung gegeben ist und eine besonders aufwendige Versorgung benötigt wird.
Die Erkrankung
Bei der Erkrankung, welche eine SAPV-Leistung zulässt, muss es sich um eine nicht heilbare Erkrankung handeln. Das heißt, dass die Erkrankung nicht mit Behandlungsmaßnahmen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse beseitigt bzw. geheilt werden kann.
Ebenso muss die Erkrankung progredient verlaufen. Das bedeutet, dass das Fortschreiten der Erkrankung mit den medizinischen Maßnahmen nicht nachhaltig aufgehalten werden kann.
Von einer weit fortgeschrittenen Erkrankung ist dann auszugehen, wenn die Lebenserwartung nach begründeter Einschätzung des verordnenden Arztes auf Tage, Wochen oder Monate gesunken ist (vgl. § 3 Abs. 3 SAPV-RL). Zugleich müssen im Vordergrund der Versorgung die psychosoziale Betreuung und die Verbesserung von Lebensqualität und Symptomatik stehen.
Besonders aufwendige Versorgung
Eine besonders aufwendige Versorgung im Sinne der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung liegt vor, wenn anderweitige ambulante Versorgungsformen und auch die Leistungen von ambulanten Hospizdiensten nicht ausreichen oder nur unter einer besonderen Koordination ausreichen würden. Es muss folglich ein komplexes Symptomgeschehen vorliegen, was der Fall ist, wenn beispielsweise eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik oder eine ausgeprägte Symptomatik (im gastrointestinalen, respiratorischen/kardinalen, neurologischen/psychiatrischen/psychischen, urogenitalen oder gastrointestinalen Bereich) vorliegt oder der Versicherte ausgeprägte ulzerierende oder exulzerierende Wunden oder Tumore hat.
Verordnung von SAPV
Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung muss entweder von einem Vertragsarzt oder einem Krankenhausarzt verordnet werden. Der Krankenhausarzt kann die spezialisierte ambulante Palliativversorgung für die Dauer von maximal sieben Tage ausstellen, wenn dieser der Auffassung ist, dass die Krankenhausentlassung möglich und aus seiner Sicht die SAPV erforderlich ist.
Für die Verordnung von SAPV stehen vereinbarte Vordrucke zur Verfügung.
Leistungsinhalt
Im Rahmen der SAPV erhalten die anspruchsberechtigten Versicherten nach § 37b Abs. 1 Satz 3 SGB V ärztliche und pflegerische Leistungen und die Leistungen der Koordination zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle.
Folgende Leistungen werden unter anderem im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erbracht:
- Leistungen der ambulanten Krankenbehandlung entsprechend der individuellen Erforderlichkeit.
- Apparative palliativmedizinische Behandlungsleistungen (beispielsweise Medikamentenpumpe).
- 24-Stunden-Ruf-, Notfall- und Kriseninterventionsbereitschaft.
- Palliativmedizinische Maßnahmen, welche die Kompetenz eines Arztes benötigen, der in der Palliativmedizin eine Zusatzweiterbildung hat.
- Linderung der Symptome durch Anwendung von Medikamenten oder anderen Maßnahmen.
- Beratung, Anleitung und Begleitung der betroffenen Versicherten und deren Angehörigen zur palliativen Versorgung. Hierzu gehört auch die Unterstützung beim Umgang mit Sterben und Tod.
- Führen eines (individuellen) Behandlungsplans, Bedarfsinterventionen, vorbeugendes Krisenmanagement, Organisation von regelmäßigen Fallbesprechungen.
Die Leistungserbringer
Die Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung werden von Leistungserbringern nach § 132d SGB V erbracht, die in einer interdisziplinären Versorgungsstruktur organisiert sind. Eine solche interdisziplinäre Versorgungsstruktur besteht unter anderem aus qualifizierten Ärzten und Pflegefachkräften, wobei ambulante Hospizdienste und möglicherweise auch stationäre Hospize beteiligt sind.
In der Praxis spricht man von sogenannten „Palliativ-Care-Teams“ (PCT), welche die Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung erbringen. Hier sind insbesondere Mediziner mit einer Zusatzweiterbildung im Bereich der Palliativmedizin (sogenannte Palliativmediziner), Palliativpflegefachkräfte, aber auch Physiotherapeuten, Apotheker und Seelsorger involviert.
Im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) – welches am 11.05.2019 in Kraft getreten ist – erfolgte eine Änderung des § 132d SGB V. Im Rahmen der Änderung wird das bisherige Einzelvertragsmodell auf ein Zulassungsmodell umgestellt. Auf Landesebene müssen einheitliche (Rahmen-)Versorgungsverträge abgeschlossen werden. Damit wird das Ziel verfolgt, dass vergaberechtliche Einwände eliminiert werden, welche die bisherige Vertragspraxis mit sich bringen konnte.
Zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und Palliativversorgung gibt es künftig einheitliche Rahmenverträge. Die Leistungserbringer, welche die in diesen Rahmenverträgen vorgegebenen Anforderungen erfüllen, können dann an der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung teilnehmen und bei Abschluss eines entsprechenden Vertrages, welcher zur Versorgung berechtigt, die Leistungen auch mit den Krankenkassen abrechnen.
Weitere Versorgungsformen
Bevor eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) zum Tragen kommt, darf die „allgemeine ambulante Palliativversorgung“ (AAPV) nicht mehr ausreichend sein, um die Symptome des Versicherten zu lindern. Die AAPV kommt für Versicherten in Frage, bei denen auch eine nicht mehr heilbare, fortschreitende und bereits weit fortgeschrittene Erkrankung vorliegt. Im Gegensatz zur SAPV kann durch die AAPV noch eine befriedigende Symptomkontrolle erreicht werden bzw. liegt bei der AAPV keine besonders aufwendige Versorgungssituation vor.
Sollte die AAPV nicht im ausreichenden Umfang zur Verfügung stehen, kommt ebenfalls eine SAPV in Frage.
Wird die Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche benötigt, spricht man von der „spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung“ (SAPPV).
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