Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter nach § 24 SGB V

Der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst auch Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter. Die Anspruchsgrundlage hierfür ist § 24 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Der Anspruch auf Vorsorgeleistungen, welche aus medizinischen Gründen erforderlich sind, besteht unter den in § 23 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung. Die Rechtsvorschrift des § 23 Abs. 1 SGB V regelt den Anspruch auf medizinische Vorsorgeleistungen.

Allgemeines zur Leistung

Durch § 24 SGB V verpflichtet der Gesetzgeber die Krankenkassen mit einer eigenen Rechtsvorschrift, dass diese spezifische Vorsorgeleistungen übernehmen müssen, welche auf die Belange der Mütter und Väter ausgerichtet sind und in Einrichtungen des Müttergenesungswerkes oder einer gleichartigen Einrichtung durchgeführt werden. Bei der Leistung nach § 24 SGB V handelt es sich um eine Pflichtleistung, die von der zuständigen Krankenkasse nach pflichtgemäßem Ermessen – das entsprechend der Grundsätze des § 33 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ausgeübt werden muss – zu erbringen ist.

Mit der Leistung nach § 24 SGB V geht der Gesetzgeber auf die vielfältigen Aufgaben von Müttern und Vätern ein. Durch Dauerstress und oftmals extremen Zeitdruck kann sowohl die körperliche als auch die seelische Gesundheit aus dem Gleichgewicht geraten und geschwächt werden, was zu einer Krankheit führen kann.

Anspruchsvoraussetzungen

Durch den Verweis auf § 23 Abs. 1 SGB V werden die medizinischen Voraussetzungen für die Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter dahingehend geregelt, dass dann ein Anspruch für Versicherte besteht, wenn

  • eine Schwächung der Gesundheit beseitigt werden muss, welche in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde,
  • eine Krankheit verhütet oder bei einer bereits eingetretenen Krankheit deren Verschlimmerung vermieden wird oder
  • Pflegebedürftigkeit vermieden wird.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 4 SGB V gilt die Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 1 SGB V nicht. Dies bedeutet, dass für die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten – anders als bei den medizinischen Vorsorgeleistungen nach § 23 SGB V – nicht ausgeschöpft sein müssen, um einen Anspruch auf eine medizinische Vorsorge für Mütter und Väter zu realisieren. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gilt damit bei der medizinischen Vorsorge für Mütter und Väter nicht.

Mitnahme von Kindern

Mütter und Väter können auf eine medizinische Vorsorge nach § 24 SGB V ein oder mehrere Kinder mitnehmen. Dies ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Das Kind/die Kinder sind ebenfalls gesundheitlich gefährdet oder krank.
  • Von der Mutter bzw. dem Vater kann die medizinische Vorsorgeleistung nach § 24 SGB V nicht angetreten werden, da das Kind/die Kinder nicht anderweitig versorgt werden kann/können.
  • Das Kind/die Kinder ist/sind noch so klein, dass diese nicht vom Elternteil getrennt werden können, da dies voraussichtlich zu psychischen Problemen führt.

Der GKV-Spitzenverband gibt in seinem Rundschreiben vom 20.12.2021 (Rundschreiben 2021/894) noch weitere Hinweise, wann eine Mitaufnahme eines Kindes erforderlich ist. Demnach sind Gründe für die Mitaufnahme des Kindes, wenn eine belastete Mutter-/Vater-Kind-Beziehung vorliegt, wenn die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder anderweitig nicht erfolgen kann oder wenn bei dem Kind bzw. den Kindern während des Zeitraums der Mitaufnahme eine Behandlungsnotwendigkeit gegeben ist.

Am 25.11.2021 wurde in der Besprechung der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene mit dem GKV-Spitzenverband zum Bereich Rehabilitation festgehalten, dass die Krankenkasse für die Kosten, welche durch die Mitaufnahme des Kindes bzw. der Kinder entstehen, zuständig ist, welche die Hauptleistung erbringt. Die Versorgung des Kindes gilt als Annexleistung zur Hauptleistung der Mutter bzw. des Vaters, die/der den Anspruch auf die medizinische Vorsorge nach § 24 SGB V hat.

Als Kinder im Sinne der medizinischen Vorsorge für Mütter und Väter kommen leibliche Kinder, Stiefkinder, Adoptivkinder, Pflegekinder, Enkelkinder (wenn diese überwiegend von den Großeltern erzogen werden) und Kinder in Patchworkfamilien in Frage, sofern diese von der Versicherten/vom Versicherten aktuell erzogen und betreut werden. Die aktuelle Erziehungsverantwortung kann bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unterstellt werden. Auch über das 18. Lebensjahr hinaus kann in begründeten Einzelfällen eine Erziehungsverantwortung gegeben sein.

Bei der Kostentragung für ein Kind wird unterschieden, ob dieses selbst einen Vorsorgebedarf haben oder nicht.

Für Kinder, die aus sozialen Gründen bei der Vorsorgemaßnahme mit aufgenommen werden, ohne dass ein Vorsorgebedarf vorliegt, werden die Unterbringungskosten als Begleitperson übernommen. In diesem Fall werden die Kosten von der Krankenkasse der Mutter bzw. des Vaters übernommen.

Für Kinder, die hingegen einen Vorsorgebedarf haben, wird der volle Pflegesatz gezahlt. Diese Kosten übernimmt dann die Krankenkasse, bei der das Kind versichert ist. Damit können sich – sofern die Mutter bzw. der Vater bei einer anderen Krankenkasse als das/die Kind/Kinder versichert sind – auch unterschiedliche Krankenkassen als Kostenträger ergeben.

Leistungsgewährung nach § 23 oder § 24 SGB V

In den gesetzlichen Vorschriften ist keine Vorrangigkeit bzw. Nachrangigkeit der Leistungen nach § 23 SGB V (Medizinische Vorsorgeleistungen) und nach § 24 SGB V (Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter) vorgegeben. Welche Leistung zum Tragen kommt, muss die Krankenkasse im Einzelfall danach festlegen, welches Vorsorgeleistungsangebot dem Vorsorgebedarf der Mutter bzw. des Vaters am besten entspricht.

Leistungsdauer und Leistungsintervall

§ 24 Abs. 2 SGB V verweist auf § 23 Abs. 5 SGB V. In dieser Rechtsvorschrift werden die Leistungsdauer und das Leistungsintervall von medizinischen Vorsorgeleistungen geregelt.

Medizinische Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter werden im Rahmen der Regeldauer für die Dauer von längstens drei Wochen erbracht. Dabei ist eine Verlängerung der Maßnahme möglich, wenn diese aus medizinischen Gründen dringend erforderlich ist.

Eine erneute Leistung nach § 24 SGB V ist nicht vor Ablauf von vier Jahren möglich. Bei der Beurteilung, ob in den letzten vier Jahren bereits eine Maßnahme bewilligt wurde, werden nicht nur die medizinischen Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter berücksichtigt. Auch weitere bzw. ähnliche Leistungen, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften übernommen oder bezuschusst wurden, sind hierbei zu berücksichtigen. Dies sind die folgenden Leistungen/Maßnahmen:

  • Ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten (§ 23 Abs. 2 SGB V)
  • Stationäre Vorsorgeleistungen (§ 23 Abs. 4 SGB V)
  • Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der Hilfe zur Gesundheit bzw. Krankheit (§ 27d Abs. 1 Nr. 2 BVG, § 48 SGB XII)
  • Gesundheitsmaßnahmen nach § 31 SGB VI
  • Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der Krankenbehandlung und Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz („ 11 Abs. 2 und „ 12 Abs. 4 BVG)

Nicht angerechnet bzw. berücksichtigt werden medizinische Rehabilitationsmaßnahmen.

Eine erneute Bewilligung einer medizinischen Vorsorge für Mütter und Väter vor Ablauf von vier Jahren – also eine vorzeitige Leistung – ist möglich, wenn diese aus medizinischen Gründen dringend erforderlich ist.

Einrichtungen

Die medizinischen Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter nach § 24 SGB V werden in Einrichtungen des Müttergenesungswerks erbracht. Ebenfalls kommen gleichartige Einrichtungen in Betracht. Als gleichartige Einrichtungen kommen solche Einrichtungen in Frage, die die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter und auch für Mütter und Väter mit Kindern schwerpunktmäßig durchführen.

Die Leistungserbringung darf nur in Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartigen Einrichtungen erfolgen, für die ein Versorgungsvertrag besteht. Sollte bereits vor dem 01.08.2002 in Einrichtungen von der Krankenkasse eine stationäre medizinische Leistung erbracht worden sein, gilt ein Versorgungsvertrag in dem Umfang als abgeschlossen, wie im Jahr 2011 die Leistungen erbracht wurden.

Das Müttergenesungswerk

Die „klassischen“ Einrichtungen, in denen die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter erbracht wird, sind die Einrichtungen des Müttergenesungswerks. Diese Einrichtungen werden in einem Verzeichnis aufgeführt, das jährlich neu aufgelegt wird (MGW-Jahrbuch). Im Allgemeinen sind die Träger der Einrichtungen die Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege.

Beim Müttergenesungswerk handelt es sich um eine Stiftung, welche im Jahr 1950 von Elly Heuss-Knapp, der Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, gegründet wurde. Daher soll nach der Satzungsbestimmung des Müttergenesungswerks die Schirmherrschaft immer die Ehefrau des amtierenden Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin übernehmen. Der Sitz des Müttergenesungswerks ist in Stein bei Nürnberg (Mittelfranken/Bayern). Das Ziel des Müttergenesungswerks bzw. der Elly Heuss-Knapp-Stiftung (gemeinnützige Stiftung) ist die Stärkung der Gesundheit von Müttern, weshalb diese sowohl Vorsorge- als auch Rehabilitationsangebote für Mütter und für Mütter mit Kindern anbieten. Seit dem Jahr 2013 werden auch für Väter und für pflegende Angehörige von der Zustiftung „Sorgearbeit“ Maßnahmen angeboten.

Zuzahlungen

Nimmt ein Versicherter eine medizinische Vorsorge für Mütter und Väter in Anspruch, ist hierfür eine Zuzahlung zu entrichten. Die Höhe der Zuzahlung ist in § 61 Satz 2 SGB V geregelt. Danach ist je Kalendertag eine Zuzahlung von 10,00 Euro zu entrichten. Der Aufnahme- und Entlassungstag (bzw. der An- und Abreisetag) gilt als je ein Kalendertag; das bedeutet, dass für den Aufnahmetag 10,00 Euro und für den Entlassungstag 10,00 Euro geleistet werden müssen. Die Zuzahlung muss an die Einrichtung geleistet werden, die diese wiederum an die zuständige Krankenkasse weiterleiten muss.

Für die Mitaufnahme von Kindern entsteht keine Zuzahlung. Dies gilt auch auch dann, wenn diese selbst einen Vorsorgebedarf haben, da die Zuzahlungen nach § 24 Abs. 3 SGB V erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr zu leisten sind.

Da es sich bei der Leistung nach § 24 SGB V um eine stationäre Leistung handelt, kann die Krankenkasse auch die entstehenden Fahrkosten übernehmen. Auch bei den Fahrkosten sehen die gesetzlichen Vorschriften eine Zuzahlung an. Diese beträgt zehn Prozent der erstattungsfähigen Fahrkosten, mindestens 5,00 Euro, maximal 10,00 Euro je Fahrt.

Rechtsprechung

Urteil Bundessozialgericht vom 28.05.2019, Az. B 1 KR 4/18 R

Mit Urteil vom 28.05.2019 musste sich das Bundessozialgericht mit der Frage beschäftigen, ob eine Krankenkasse bei Bewilligung einer Leistung nach § 24 SGB V auch die Kosten für die Begleitkinder übernehmen muss, wenn die Kinder nicht gesetzlich krankenversichert sind. In dem Urteil, welches unter dem Aktenzeichen B 1 KR 4/18 R gesprochen wurde, kam das höchste Sozialgericht Deutschlands zu dem Ergebnis, dass bei einer medizinisch erforderlichen Vorsorge ein Anspruch auf eine Mutter-Kind-Kurmaßnahme mit Kinderbegleitung besteht, wenn die Mitnahme der Begleitkinder nicht den Zweck der Maßnahme gefährdet.

Zu dem sozialgerichtlichen Rechtstreit kam es, nachdem eine Krankenkasse für ihre Versicherte mit zwei Kinder eine stationäre Vorsorgeleistung bewilligt hat, es jedoch ablehnte, die Kosten für die Mitaufnahme der Kinder in der Einrichtung zu übernehmen. Als Begründung, weshalb die Kosten für die Begleitung der Kinder nicht übernommen wurden, wurde die Tatsache angeführt, dass die über den beihilfeberechtigten Vater einen Beihilfeanspruch haben und ergänzend privat krankenversichert sind.

Das Bundessozialgericht entschied, dass die beklagte Krankenkasse zu Unrecht die Kostenübernahme für die zwei Begleitkinder abgelehnt hatte. In dem Urteil wird unter anderem aufgeführt, dass es dem Regelungszweck der Versicherungsleistung „Mutter-Kind-Maßnahme“ bzw. „Vater-Kind-Maßnahme“ entspricht, den Gesamtanspruch des versicherten Elternteils nicht zusätzlich von der Versicherung der Begleitkinder in der Gesetzlichen Krankenversicherung abhängig zu machen. Der Zweck der Kinderbegleitung ist nicht die Kindergenesung, sondern Mittel und Zweck.

Die Einbeziehung der Kinder erfordert keine weitergehende Prüfung der sozialen Situation im Einzelfall, sondern nur die Abklärung, dass durch die Mitnahme der Kinder der Maßnahmezweck nicht gefährdet wird.

Das Regelungssystem spricht dafür, dass bei einem Anspruch nach § 24 SGB V nicht die Versicherung von Begleitkindern in der Gesetzlichen Krankenversicherung vorausgesetzt wird.

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