Die medizinischen Vorsorgeleistungen nach § 23 SGB V

Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben einen Anspruch auf medizinische Vorsorgeleistungen. Die genauen Anspruchsvoraussetzungen sind in § 23 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt.

Bei den medizinischen Vorsorgeleistungen handelt es sich um Rechtsanspruchsleistungen und Regelleistungen. Da die gesetzlichen Krankenkassen auch für die übrigen Kosten einer ambulanten Vorsorgeleistung in einem ankerkannten Kurort einen Zuschuss gewähren können – also nicht unbedingt müssen – handelt es sich bei dieser Leistung um Mehrleistung.

Mit den medizinischen Vorsorgeleistungen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass eine Schwächung der Gesundheit beseitigt wird, wenn diese in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde. Zudem sollen Krankheiten verhütet bzw. deren Verschlimmerung vermieden werden. Ebenfalls soll Pflegebedürftigkeit vermieden werden. Bei Kindern soll durch die medizinischen Vorsorgeleistungen einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung entgegengewirkt werden.

Gliederung der medizinischen Vorsorgeleistungen

Die medizinischen Vorsorgeleistungen, wie diese in § 23 SGB V vorgesehen sind, gliedern sich diese in die

  • ambulante Behandlung, insbesondere am Wohnort
  • ambulante Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort und die
  • stationären Vorsorgemaßnahmen.

Bei den medizinischen Vorsorgeleistungen wurde damit vom Gesetzgeber ein gestuftes Vorsorgeangebot geschaffen, welches nach dem individuellen medizinischen Bedarf des Versicherten differenziert ist.

Ambulante Behandlung am Wohnort

Die ambulante Behandlung im Rahmen der medizinischen Vorsorgeleistungen ist in § 23 Abs. 1 SGB V gesetzlich geregelt. Im Rahmen dieser Leistung besteht ein Anspruch auf die ärztliche Behandlung (§ 28 SGB V) und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, sofern diese notwendig sind, um

  • eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen, wenn diese in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde,
  • eine Krankheit zu verhüten oder die Verschlimmerung zu vermeiden,
  • Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder
  • einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken.

Die Regelungen zu den Festbeträgen, zum Ausschluss von Mitteln und zur Zuzahlung bei der Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln gelten auch bei den ambulanten Vorsorgemaßnahmen entsprechend.

Damit die ambulante ärztliche Behandlung in Anspruch genommen werden kann, ist dem Arzt die Krankenversichertenkarte (elektronische Gesundheitskarte) vorzulegen.

Ambulante Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort

Reichen die medizinischen Vorsorgeleistungen in Form der ambulanten Behandlung am Wohnort nicht aus oder können sie wegen besonderer beruflicher oder familiärer Umstände nicht durchgeführt werden, kann die Krankenkasse nach § 23 Abs. 2 SGB V ambulante Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort erbringen. Diese Leistungen umfassen sowohl die primärpräventive als auch die sekundärpräventive Zielsetzung (Verhütung und Verschlimmerung von Krankheiten). Meist werden die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort auch als „Badurlaub“ oder „Kururlaub“ bezeichnet.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) vom 17.07.2015 wurde der Anspruch auf die ambulanten Vorsorgeleistungen dahingehend ergänzt, dass auf diese Leistung bereits dann ein Anspruch besteht, wenn am Wohnort die Vorsorgeleistungen wegen beruflicher oder familiärer Umstände vom Versicherten nicht in Anspruch genommen werden können. Die bisherige Voraussetzung, dass ausschließlich medizinische Gründe für die Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort maßgebend sind, wurde damit aufgegeben.

Wenn beurteilt werden muss, ob die Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB V – also die ambulante Behandlung am Wohnort – nicht ausreichend ist, ist die Wirksamkeit der ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort mit einzubeziehen. Hier spielen unter anderem die Punkte wie die klimatischen oder geologischen Besonderheiten oder Heilwässer zum Trinken oder für Bäder eine Rolle.

Die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort können von den Krankenkassen grundsätzlich nur in staatlich anerkannten Heilbädern und Kurorten im Inland erbracht werden. Auch eine ambulante Vorsorgeleistung im Ausland ist grundsätzlich denkbar, wenngleich der Anspruch auf die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht, wenn sich der Versicherte im Ausland befindet. Damit eine Vorsorgeleistung auch im europäischen Ausland erfolgen kann, müssen die Kurbedingungen dem deutschen Standard entsprechen. Hierfür haben die Krankenkassen teilweise mit Kooperationspartnern im Ausland Verträge abgeschlossen, damit die Leistung hinsichtlich der Qualität entsprechend geprüft werden konnte und die Abrechnung auch direkt mit der Krankenkasse erfolgen werden kann. Ansonsten ist eine Kostenerstattung möglich, wenn die Maßnahme in einem ausländischen Kurort in Anspruch genommen wird und hierfür die Einwohner in dem jeweiligen europäischen Ausland die Maßnahme als Kassenleistung erhalten würden.

Die ambulanten Vorsorgeleistungen werden unter anderem im Rahmen von „Kompaktkuren“ angeboten bzw. in Anspruch genommen. Bei einer Kompaktkur handelt es sich um eine spezielle und qualifizierte Vorsorgeleistung, die einerseits eine hohe Therapiedichte, andererseits ein fachübergreifendes Therapiekonzept als Grundlage hat; die Kompaktkuren haben einen interdisziplinären Therapieansatz.

Nimmt ein Versicherter die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort in Anspruch, kann die Krankenkasse einen Zuschuss zu den übrigen Kosten der ambulanten Vorsorge übernehmen. Der Zuschuss kann bis zum 16,00 Euro täglich betragen. Für chronisch kranke Kleinkinder kann die Krankenkasse einen Zuschuss von bis zu 25,00 Euro täglich gewähren. Die Regelungen zur Zuschussgewährung muss jede Krankenkasse individuell in ihrer Satzung regeln.

Der Zuschuss hat den Sinn und Zweck, dass der Versicherte damit einen finanziellen Beitrag zu den übrigen Kosten, welche durch eine medizinische Vorsorge entstehen, erhält. Dies sind insbesondere die Kosten der An- und Abreise (Reisekosten bzw. Fahrkosten), die Unterkunft und Verpflegung und die Kurtaxe.

Nach § 23 Abs. 5 Satz 4 SGB V können die ambulanten Vorsorgeleistungen nicht vor Ablauf von drei Jahren erneut beantragt werden, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

Die Regelungen zu den Festbeträgen, zum Ausschluss von Mitteln und zur Zuzahlung bei der Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln gelten nach § § 23 Abs. 3 SGB V auch bei den ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort entsprechend.

Stationäre Vorsorgemaßnahmen

Sofern sich die Behandlungsziele (s. oben) für die medizinischen Vorsorgemaßnahmen weder durch die ambulante Behandlung am Wohnort noch durch die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort erreichen lassen, sieht § 23 Abs. 4 SGB V die stationären Vorsorgeleistungen vor. Im Rahmen dieser stationären Vorsorgeleistungen übernehmen die Krankenkassen die Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung. Als Vorsorgeeinrichtung kommen Einrichtungen in Frage, die einen Vertrag nach § 111 SGB V haben. Während die stationären Vorsorgemaßnahmen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in Betracht kommen, sind diese bei Erwachsenen ausschließlich dann angezeigt, wenn eine komplexe Gesundheitsgefährdung vorliegt und die ambulanten Vorsorgemaßnahmen nicht ausreichend sind.

Nach § 23 Abs. 5 SGB V bestimmt die Krankenkassen nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des Versicherten die Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistung und auch die Vorsorgeeinrichtung.

Die stationären Vorsorgeleistungen werden grundsätzlich für die Dauer von drei Wochen erbracht. Sollte eine Verlängerung aus medizinischen Gründen dringend erforderlich sein, kann die stationäre Vorsorgeleistung auch den Zeitraum von drei Wochen überschreiten. Für Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen die medizinisch notwendigen stationären Vorsorgeleistungen nach § 23 Abs. 7 SGB V unter anderem aufgrund der medizinischen und entwicklungsspezifischen Besonderheiten in der Regel für die Dauer von vier bis sechs Wochen erbracht werden.

Bei einer stationären Vorsorgeleistung besteht – sofern kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr besteht – ein Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 1 SGB V) und – da es sich um eine stationäre Leistung handelt – auf Fahrkosten nach § 60 SGB V.

Nach § 23 Abs. 5 Satz 4 SGB V können die stationären Vorsorgeleistungen nicht vor Ablauf von vier Jahren erneut beantragt werden, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich.

Beantragung der Leistungen

Die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort und die stationären Vorsorgemaßnahmen sind bei der Krankenkasse zu beantragen. Die Beantragung der Leistung muss vor deren Antritt unter Beifügung einer eingehenden ärztlichen Begründung erfolgen. Die Krankenkassen halten für die Antragstellung auch entsprechende Antragsformulare vor.

Medizinischer Dienst der Krankenversicherung muss prüfen

Die Notwendigkeit von medizinischen Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten und von stationären Vorsorgeleistungen muss durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach § 275 Abs. 2 Nr. 1 SGB V in Stichproben geprüft werden. Die Prüfung muss vor der Bewilligung erfolgen, wobei der ärztliche Behandlungsplan zugrunde zu legen ist. Sollte eine Verlängerung einer Maßnahme erforderlich sind, muss diese regelmäßig geprüft werden.

Mit der Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung möchte der Gesetzgeber erreichen, dass alle gesetzlichen Krankenkassen bei der Bewilligung der präventiven Vorsorgeleistungen die gleichen Beurteilungsmaßstäbe anwenden. In welcher Form die Begutachtung – Begutachtung nach Aktenlage oder Begutachtung durch eine körperliche Untersuchung – erfolgt, liegt im Ermessen des MDK. Bei einer beantragten Verlängerung der Vorsorgeleistung sollte eine Begutachtung aufgrund der möglichen Schwierigkeit einer Begutachtung mit körperlicher Untersuchung in Form einer Aktenlagebegutachtung durchgeführt werden. Sollte eine körperliche Untersuchung erforderlich sein, soll diese durch den MDK des Aufenthaltsortes erfolgen. Hierfür ist der MDK befugt, die Begutachtung direkt in der Vorsorgeeinrichtung vorzunehmen.

Leistungsintervall, anzurechnende Maßnahmen

Wie bereits oben erwähnt, werden die ambulanten Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort nicht vor Ablauf von drei Jahren und die stationären Vorsorgemaßnahmen nicht vor Ablauf von vier Jahren erneut bewilligt. Bei der Beurteilung, ob in den letzten drei bzw. vier Jahren bereits eine Vorsorgemaßnahme durchgeführt wurde, werden alle Maßnahmen berücksichtigt, welche den medizinischen Vorsorgeleistungen zugeordnet sind. Auch Maßnahmen anderer Sozialleistungsträger, welche unter derselben Zielsetzung gewährt wurden, werden dabei berücksichtigt.

Damit werden die folgenden Maßnahmen berücksichtigt/angerechnet:

  • ambulante Vorsorgeleistungen in einem anerkannten Kurort nach § 23 Abs. 2 SGB V
  • stationäre Vorsorgemaßnahmen nach § 23 Abs. 4 SGB V
  • Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter nach § 24 SGB V
  • Vorsorgeleistungen im Rahmen einer Heil- und Krankenbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
  • Gesundheitsmaßnahmen nach § 31 SGB VI
  • Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der Hilfe zur Gesundheit bzw. Krankheit (§ 48 SGB XII)

Zuzahlungen

Bei den ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten müssen Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zehn Prozent der Kosten der Heilmittelanwendungen leisten. Zusätzlich müssen noch 10,00 Euro je Verordnung geleistet werden. Werden die vom Kurarzt verordneten Heilmittel von unterschiedlichen Leistungserbringern erbracht, muss die Zuzahlung von 10,00 Euro je Verordnung an den Leistungserbringer geleistet werden, der die Original-Verordnung erhält und abrechnet.

Bei den stationären Vorsorgeleistungen müssen von Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, je Kalendertag (für die gesamte Dauer der Maßnahme) 10,00 Euro als Zuzahlung an die Einrichtung entrichtet werden. Bei der Berechnung der Zuzahlung wird der An- und Abreisetag als je ein Kalendertag berücksichtigt. Die Zuzahlung muss die Einrichtung an die Krankenkasse weiterleiten.

Da für die stationäre Vorsorgeleistungen auch die Fahrkosten nach § 60 SGB V übernommen werden können, fällt auch in diesem Zusammenhang eine Zuzahlung an; die Zuzahlung beträgt bei den Fahrkosten zehn Prozent der erstattungsfähigen Kosten, mindestens 5,00 Euro, höchstens 10,00 Euro je Fahrt.

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