Strukturierte Behandlungsprogramme bei chronischen Krankheiten nach § 137f SGB V

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen seit dem 01.01.2002 nach § 137f Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Disease-Management-Programme für chronisch Kranke anbieten. Im Rahmen dieser Disease-Management-Programme wird eine kontinuierliche, strukturierte und qualitätsgesicherte Versorgung bei bestimmten Krankheiten angeboten.

Bei den Disease-Management-Programmen (DMP) werden im Rahmen einer gezielten Fallsteuerung bei einer chronischen Krankheit alle Therapieschritte aufeinander abgestimmt. Zu den Therapieschritten zählen beispielsweise die Krankenbehandlung, Prävention, Rehabilitation und Pflege.

Mit den strukturierten Behandlungsprogrammen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass die finanziellen Mittel gezielt eingesetzt und damit auch eine höhere Behandlungsqualität erreicht wird. Weitere Ziele, welche für die Versicherten durch die Behandlungsprogramme erreicht werden sollen, sind die weitere Verschlechterung der Krankheit hinauszuzögern und die Vermeidung von Folgeschäden, Komplikationen und Operationen. Damit wird eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten angestrebt und sowohl Über-, Unter- und Fehlversorgungen als auch Versorgungsmängel im Gesundheitssystem abgebaut.

Die Zulassung eines Disease-Management-Programms erteilt nach § 137g SGB V das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) auf Antrag einer oder mehrerer Krankenkassen oder eines Verbandes der Krankenkassen.

Krankheitsbilder, für die es Disease-Management-Programme gibt

Durch § 137f Abs. 1 SGB V wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verpflichtet, chronische Krankheiten festzulegen, für die Disease-Management-Programme geeignet sind. Bei der Auswahl der Krankheiten müssen unter anderem die folgenden Kriterien berücksichtigt werden:

  • Zahl der Versicherten, die von der Krankheit betroffen sind.
  • Möglichkeiten, dass die Qualität der Versorgung verbessert werden kann.
  • Verfügbarkeit von evidenzbasierten Leitlinien.
  • Sektorenübergreifender Behandlungsbedarf.
  • Krankheitsverlauf einer chronischen Erkrankung kann durch Eigeninitiative des Versicherten beeinflusst werden.
  • Behandlung erfordert einen hohen finanziellen Aufwand.

Derzeit gibt es für folgende Krankheitsbilder ein Disease-Management-Programm:

  • Diabetes mellitus Typ I
  • Diabetes mellitus Typ II
  • Asthma bronchiale
  • Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD)
  • Brustkrebs
  • Koronare Herzkrankheit (KHK)
  • Osteoporose

Die Krankheitsbilder im Einzelnen

Diabetes mellitus Typ I

Diabetes mellitus Typ I zählt zu den Autoimmunkrankheiten. Bei dieser Erkrankung kann die Bauchspeicheldrüse nicht ausreichend Insulin produzieren, weshalb es hier zu einem Mangel kommt und die Betroffenen – dadurch, dass die Zellen nur unzureichend Glukose aufnehmen können – einen (stark) erhöhten Glukosespiegel haben.

Diabetes mellitus Typ II

Beim Diabetes mellitus Typ II – der Zuckerkrankheit – handelt es sich um eine „Volkskrankheit“. Nach Schätzungen leiden etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung am Diabetes mellitus Typ II, wobei die Tendenz steigend ist. Hier handelt es sich um eine chronische Stoffwechselkrankheit, die bei den Betroffenen zu einem dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel führt.

Bewegungsmangel und Übergewicht erhöhen das Risiko, an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken.

Wird die Erkrankung nicht richtig behandelt, können sich im Endstadium verheerende Folgen ergeben, die bis zur Amputation der Füße und zur völligen Erblindung führen können.

Asthma bronchiale

Leidet jemand an Asthma bronchiale, dann liegt eine chronische, entzündliche Erkrankung der Atemwege vor. Dies kann aufgrund einer akuten Verengung der Atemwege zu einer anfallsweisen Atemnot führen.

Durch eine gezielte Behandlung können die Verkrampfungen der Bronchialmuskulatur und die erhöhte Sekretion von Schleim minimiert werden.

Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD)

Bei der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) handelt es sich um Einschränkungen der Atemstromstärke / Erhöhung des Atemwegswiderstandes. Hierbei handelt es sich um eine ganze Gruppe von Lungenkrankheiten, zu denen unter anderem das Lungenemphysem und die chronisch-obstruktive Bronchitis zählen.

Typische Anzeichen einer COPD sind Husten, Bronchitis und Atembeschwerden.

Brustkrebs

Der Brustkrebs – das Mammakarzinom – ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jährlich wird der Brustkrebs bei 70.000 Frauen festgestellt; 17.000 Frauen sterben jährlich am Brustkrebs.

Ein strukturiertes Behandlungsprogramm erweist sich auch im Hinblick darauf als sinnvoll und nützlich, dass der Brustkrebs nicht zu den gefährlichsten Krebsarten zählt und in den meisten Fällen heilbar ist.

Auch Männer können am Brustkrebs erkranken. Etwa ein Prozent der Neuerkrankungen mit Brustkrebs entfällt mit 600 bis 700 jährlichen Neuerkrankungen auf die Männer.

Koronare Herzkrankheit (KHK)

Bei der Koronaren Herzkrankheit (KHK) verengen sich die Herzkranzgefäße, welche für die Sauerstoffversorgung des Herzens zuständig sind. Die Verengung entsteht durch Fett- und Kalkablagerungen an den Innenwänden der Herzkranzgefäße.

Osteoporose

Bei der Osteoporose handelt es sich um eine chronische Stoffwechselerkrankung der Knochen. Bei dieser Erkrankung wird mehr Knochengewebe abgebaut als aufgebaut wird, sodass es zu einem Rückgang der Knochensubstanz kommt. In der Folge werden die Knochen dünner, poröser und damit auch brüchiger. Dies hat die Auswirkung, dass es schnell zu Knochenbrüchen (Frakturen) – auch ohne adäquate Außeneinwirkung oder auch bei nur geringer Belastung – kommt.

In das DMP-Programm Osteoporose können sich betroffene männliche Versicherte ab 60 Jahren und alle anderen Versicherten (weibliche, diverse, unbestimmte Geschlecht) ab 50 Jahre einschreiben können. Für die Einschreibung in das DMP-Programm ist erforderlich, dass die Diagnose „Osteoporose“ gesichert vorliegt und medikamentös behandlungsbedürftig ist.

Teilnahme der betroffenen Versicherten am DMP

Ist ein Versicherter an einer Krankheit erkrankt, für die ein Disease-Management-Programm angeboten wird, kann dieser daran teilnehmen (sich in das DMP einschreiben). Es handelt sich also um eine rein freiwillige Teilnahme der Versicherten, die zudem auch mit keinen zusätzlichen Kosten verbunden ist. Nimmt ein Versicherter an einem Disease-Management-Programm teil, hat sich also dafür eingeschrieben, kann die Teilnahme jederzeit widerrufen, also beendet werden.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen nach § 53 Abs. 3 SGB V auch einen Wahltarif für „besondere Versorgungsformen“ anbieten. Zu diesen besonderen Versorgungsformen gehört auch die Teilnahme – sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen – an einem Disease-Management-Programm. In diesem Fall wird die Teilnahme entweder über eine Prämienzahlung oder über eine Zuzahlungsermäßigung honoriert und damit finanzielle Anreize geschaffen. Nachdem die Ausgestaltung dieses Pflicht-Wahltarifs von den einzelnen Krankenkassen per Satzungsbestimmung geregelt werden muss, sind die genauen Inhalte des Wahltarifs auch unterschiedlich und sollten von den Betroffenen bei der zuständigen Krankenkasse individuell erfragt werden.

Voraussetzung für die Teilnahme an einem DMP ist neben dem Vorliegen der gesicherten Diagnose, welche vom behandelnden Arzt bestätigt werden muss, auch die Bereitschaft des Versicherten, aktiv an dem strukturierten Behandlungsprogramm teilzunehmen und in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der medizinischen und persönlichen Daten zuzustimmen.

Nimmt ein Versicherter an einem DMP teil, erfolgt die Behandlung nach ärztlichen Leitlinien und wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen.

Ablauf einer Teilnahme am DMP

Nachdem der behandelnde Arzt eine DMP-Diagnose festgestellt hat und diese gesichert ist, kann sich der Versicherte in das jeweilige strukturierte Behandlungsprogramm einschreiben. Damit erklärt sich der Betroffene auch bereit, mit den Ärzten zusammenzuarbeiten, die sich mit diesem Krankheitsbild und der Therapie besonders tiefgreifend und umfassend auskennen.

Die an der Behandlung beteiligten Therapeuten, im ambulanten wie auch im stationären Bereich, stimmen ihre Maßnahmen untereinander ab.

Ein Vorteil an den Disease-Management-Programmen ist auch, dass die in ein DMP eingeschriebenen Patienten spezielle Schulungen erhalten und damit über ihre Erkrankung und die erforderliche Behandlung gut informiert sind. Damit können diese so gut wie möglich mit ihrer Erkrankung leben. Ein wesentlicher Vorteil durch die gute Informationslage ergibt sich auch dadurch, dass die Compliance der Betroffenen erheblich erhöht ist. Durch das Hintergrundwissen über die eigene Erkrankung können die Behandlungsansätze, wie z. B. die Medikation und die Einhaltung der Medikamenteneinnahme, bessern nachvollzogen werden, womit auch die medizinischen und therapeutischen Anweisungen konsequenter eingehalten werden.

Ein wesentlicher Vorteil einer Teilnahme an einem DMP ist auch, dass von den behandelnden Ärzten und Therapeuten durch die in festgelegten Abständen terminierten Kontrolluntersuchungen Veränderungen im Krankheitsverlauf zeitnah erkannt und dementsprechend sofort behandelt werden können.

Dadurch, dass der betreuende Arzt die einzelnen Behandlungsschritte koordiniert und dokumentiert, kommt es zu keinen nutzlosen Doppeluntersuchungen.

Die Krankenkassen kontrollieren kontinuierlich nach festgelegten Regelwerken, ob die weiteren Voraussetzungen an der DMP-Teilnahme von einem Versicherten erfüllt werden. Wirkt ein Versicherter an seinem DMP nicht oder nicht ausreichend mit, kommt es zu einer Beendigung der Programmteilnahme durch die Krankenkasse, also zu einer Ausschreibung aus dem Programm.

Auswirkungen auf den Risikostrukturausgleich

Für jeden Versicherten erhalten die gesetzlichen Krankenkassen eine Grundpauschale zugewiesen, welche in Höhe der durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben bemessen wird. Diese Grundpauschale wird entsprechend des Alters, des Geschlechtes und der vorliegenden Krankheiten um einen Zuschlag erhöht bzw. einen Abschlag gemindert.

Nimmt ein Versicherter an einem Disease-Management-Programm der Krankenkasse teil, erhält hierfür die Krankenkasse einen zusätzlichen Betrag. Dieser wird als Programmkostenpauschale geleistet, mit der die erhöhten medizinischen Aufwendungen gedeckt werden sollen. Die Programmkostenpauschale wird vom GKV-Spitzenverband festgelegt und betrug im Kalenderjahr 2016 je eingeschriebenen Versicherten in ein DMP-Programm 146,16 Euro.

Große Anzahl an Einschreibungen

Aus dem Tätigkeitsbericht des (früheren) Bundesversicherungsamtes (BVA) – heute: Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) – geht hervor, dass eine große Anzahl an Versicherten von den angebotenen DMP-Programmen Gebrauch macht. Im Jahr 2016 haben 7,94 Millionen Versicherte an einem oder sogar mehreren Disease-Management-Programmen (wenn mehrere DMP-Diagnosen gesichert vorliegen) teilgenommen. Damit ist die Anzahl um 215.000 DMP-Teilnehmer gegenüber dem Vorjahr 2015 gestiegen.

Das DMP für Diabetes mellitus Typ 2 war das Programm, in dem die mit Abstand meisten Versicherten eingeschrieben waren; insgesamt waren hier 4,1 Millionen Versicherte eingeschrieben. Mit 1,83 Millionen Versicherte war das DMP für die koronare Herzkrankheit das zweitpopulärste Disease-Management-Programm.

Weitere Disease-Management-Programme

Künftig kann es weitere Disease-Management-Programme geben. Für die folgenden Indikationen werden Leitlinienrecherchen vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit durchgeführt:

  • Rheumatoide Arthritis
  • Herzinsuffizienz (diese Indikation ist bereits als Modul im DMP KHK Bestandteil)
  • Depressionen
  • Chronischer Rückenschmerz

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