Primäre Prävention durch Schutzimpfungen nach § 20i SGB V

Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unter anderem einen Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Krankheiten. Zu diesen Leistungen gehören auch Schutzimpfungen. Die Anspruchsgrundlage für die primäre Prävention durch Schutzimpfungen ist § 20i SGB V.

Nach § 20i Abs. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Allgemeines zu den Schutzimpfungen

Sinn und Zweck von Schutzimpfungen ist die Verhütung von Infektionskrankheiten. Zugleich gelten die Impfungen als kostengünstige und effektive Prävention. Mit einer Impfung soll grundsätzlich der Geimpfte vor einer ansteckenden Krankheit geschützt werden (Individualschutz). Darüber hinaus soll ein Kollektivschutz („Herdenimmunität“) erreicht werden, indem eine hohe Impfquote besteht. Dadurch sind auch einzelne Personen bei auftretenden Epidemien geschützt, wenn bei diesen eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht durchgeführt werden kann.

Die Einzelheiten zu den Voraussetzungen, zur Art und zum Umfang der Leistungen bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit.

Aktive und passive Immunisierung

Bei der Immunisierung wird zwischen einer aktiven und einer passiven Immunisierung unterschieden. Die aktive Immunisierung kommt meist für einen umfassenden und langanhaltenden Schutz, die passive Immunisierung für einen sofortigen und kurzfristigen Schutz in Frage.

Bei der aktiven Immunisierung werden abgeschwächte Erreger (Lebendimpfstoffe) oder abgetötete Erreger (Tot-Impfstoffe) verwendet. Beide können keine ernsthafte Erkrankung mehr verursachen.

Im Kindes- und Jugendalter erfolgt die Grundimmunisierung regelhaft durch eine aktive Immunisierung.

Bei der passiven Immunisierung wird ein Immunserum mit fremden Antikörpern verabreicht. Diese Impfung heißt deshalb „passive Immunisierung“, da das Immunsystem des Geimpften nicht an der Immunabwehr beteiligt wird. In Frage kommt die passive Immunisierung, wenn mit dem fraglichen Erreger bereits ein Kontakt erfolgt ist (Postexpositionsprophylaxe) oder wenn ein Reiseimpfschutz kurzfristig erforderlich ist und für eine Grundimmunisierung keine Zeit mehr bleibt.

Arten der Impfungen

Bei den Impfungen wird zwischen den Standard- und Auffrischimpfungen und den Indikationsimpfungen unterschieden.

Die Standardimpfungen werden von der Ständigen Impfkommission (kurz: STIKO) empfohlen. In den Empfehlungen werden die Impfungen nach dem Lebensalter gestaffelt.

Nach einer erfolgten Standardimpfung wird eine Auffrischimpfung empfohlen, die in bestimmten Zeitintervallen erfolgen muss. Die klassischen Beispiele sind hier die Impfungen gegen Diphtherie, FSME und Tetanus.

Die STIKO hat einen Impfkalender erstellt, welcher einen schnellen Überblick über die empfohlenen Standard- und Auffrischimpfungen gibt.

Indikationsimpfungen sind Impfungen, die nur für bestimmte Risikogruppen empfohlen werden. In der Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) werden die konkreten Voraussetzungen der Indikationsprüfung geregelt.

Schutzimpfung als Regelleistung

Bei den Schutzimpfungen handelt es sich um eine Regelleistung, auf die Versicherte auf den Sachleistungsweg – also durch Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) – zuzahlungsfrei einen Anspruch haben. Der Anspruch besteht auf die Impfungen, die in der Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgeführt sind.

Näheres zu den Voraussetzungen, der Art und den Umfang von Standardimpfungen, Indikationsimpfungen, Reiseimpfungen und berufsbedingten Impfungen wird in der SI-RL geregelt. Der G-BA wiederum orientiert sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts. Die Impfempfehlungen werden vom Robert Koch-Institut jährlich aktualisiert und im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht.

Schutzimpfungen als Satzungsleistung

Durch § 20i Abs. 2 SGB V haben die Krankenkasse die Möglichkeit, weitere Schutzimpfungen in ihrer Satzung vorzusehen. Damit können weitere Impfungen von einer Krankenkasse übernommen werden, die über den gesetzlichen Leistungsumfang hinausgehen. Hier kommen beispielsweise Impfungen aufgrund eines nicht beruflich bedingten Auslandsaufenthalts in Betracht.

Schutzimpfung wegen Auslandsaufenthalt

Durch § 20i Abs. 1 Satz 2 wird geregelt, dass Schutzimpfungen aufgrund eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt nur dann von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen, wenn diese

  • wegen eines beruflich bedingten Auslandsaufenthalts,
  • eines Auslandsaufenthalt, der im Rahmen einer Ausbildung vorgeschrieben ist oder
  • an dieser zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse besteht oder der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen und diese deshalb

erforderlich werden.

Die Kostenübernahmeverpflichtung für Impfungen wegen eines im Rahmen der Ausbildung vorgeschriebenen Auslandsaufenthalts wurde mit dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze (E-Health-Gesetz) mit Wirkung ab 01.01.2016 in § 20i Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass auch in diesen Fällen eine Leistungsverpflichtung der Gesetzlichen Krankenversicherung besteht.

Wird die Impfung aufgrund eines nicht beruflich bedingten Auslandsaufenthaltes empfohlen bzw. durchgeführt, ist hierfür die Gesetzliche Krankenversicherung nicht leistungspflichtig.

Die STIKO empfiehlt bei Reisen in bestimmte Gebiete Schutzimpfungen gegen typische Reiseerkrankungen. Zu diesen Gebieten gehören insbesondere Tropen und Subtropen. Impfungen für Reisen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit oder der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland erforderlich sind, werden in der Anlage 1 der SI-RL aufgeführt. In diesem Fall übernimmt die zuständige Krankenkasse dann die Kosten.

Umfang der Leistungen für Schutzimpfungen

Zum Leistungsumfang im Zusammenhang mit den Schutzimpfungen nach § 20i SGB V gehören die ärztlichen Leistungen und die Impfstoffe.

Die ärztlichen Leistungen umfassen eine umfassende Aufklärung, zu der insbesondere die:

  • Information der Impfung hinsichtlich des Nutzens und die zu verhütende Krankheit,
  • Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung,
  • Hinweise zu eventuellen Komplikationen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen,
  • Informationen über den Beginn und die Dauer der Schutzwirkung und die
  • Hinweise zu Auffrischimpfungen

gehören.

Der impfende Arzt muss die verabreichten Schutzimpfungen nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dokumentieren. Eine Impfbescheinigung ist auszustellen, wenn der Impfausweis nicht vorgelegt wird.

Zum Leistungsumfang gehören auch die Impfstoffe selbst. Hierbei handelt es sich um Arzneimittel. Diese enthalten Antigene und werden zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet.

Die Impfstoffe wählt der Vertragsarzt unter den zugelassenen Impfstoffen unter Beachtung der medizinischen Notwendigkeit und des Wirtschaftlichkeitsgebots aus. Vorrangig sind Kombinationsimpfstoffe zu verwenden, wenn dadurch im Vergleich zu monovalenten Impfstoffen:

  • die Anzahl der Injektionen reduziert,
  • die Akzeptanz von Impfungen erhöht und
  • das Ziel der Impfung früher erreicht

wird.

Zu den Leistungen bei Schutzimpfungen gehören nicht die Maßnahmen, welche

  • zur Bestimmung vorhandener Antikörper zur Überprüfung der Immunität (Titerwerte),
  • für postexpositionelle Maßnahmen (z. B. Chemoprophylaxe durch passive Immunisierung durch Gabe von Immunglobulinen) und
  • als prophylaktische Maßnahmen

durchgeführt werden.

Vierfach-Impfstoff gegen saisonale Grippe

Ab der Impfsaison 2018/2019 (ab Herbst 2018) erhalten Versicherte einen Vierfach-Impfstoff gegen die saisonale Grippe. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 05.04.2018 auf Grundlage einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission entschieden. Diesbezüglich wurde die Schutzimpfungs-Richtlinie angepasst und am 28.06.2018 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Beim Vierfach-Impfstoff wird die von der WHO empfohlene Antigenkombination, welche jeweils aktuell ist, verwendet. Die Grippeschutzimpfung mit dem Vierfach-Grippeimpfstoff kann für die Standard- und Indikationsimpfungen über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) abgerechnet werden.

COVID-19-Imfpung ab 08.04.2023 Regelversorgung nach § 20i SGB V

Bis zum 07.04.2023 ergibt sich der Leistungsanspruch auf die COVID-19-Imfpung aus der Coronavirus-Impfverordnung. Ab dem 08.04.2023 wird die Impfung in die Regelversorgung nach § 20i SGB V übergehen. Damit geht auch die Überführung in die Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einher.

Durch die Regelung in der Coronavirus-Impfverordnung war für die Kostenübernahme der Schutzimpfungen einschließlich der Auffrischungen bzw. Booster-Impfungen der Bund zuständig. Für die Versicherten bestand Kostenfreiheit.

Abgrenzung zu anderen Kostenträgern

Die Gesetzliche Krankenversicherung ist nur für die Schutzimpfungen zuständig, welche § 20i SGB V vorsieht. Die Krankenkassen übernehmen die Schutzimpfungen welche öffentlich empfohlen werden und die in der SI-RL festgelegt sind. Auch kann eine Impfung aufgrund einer Satzungsleistung in die Zuständigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung fallen.

In bestimmten Fällen können jedoch auch andere Kostenträger für die Impfungen in Frage kommen; dies sind die öffentlichen Gesundheitsdienste oder auch die Arbeitgeber.

Zuständigkeit öffentliche Gesundheitsdienste

Durch § 20 Abs. 5 IfSG haben die obersten Landesgesundheitsbehörden die Möglichkeit zu bestimmen, dass unentgeltlich Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen bestimmte übertragbare Krankheiten durch die Gesundheitsämter durchgeführt werden. Werden von den öffentlichen Gesundheitsdiensten solche Impfungen durchgeführt, erfolgt die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn Dritte durch gesetzliche Vorschriften oder vertragliche Vereinbarungen zur Kostenübernahme verpflichtet werden.

Da die oberste Landesbehörde über die Durchführung von Schutzimpfungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst bestimmt, werden diese Impfleistungen nicht in jedem Bundesland angeboten.

Zuständigkeit Arbeitgeber

Ist aufgrund einer beruflichen Indikation eine Schutzimpfung erforderlich, fällt diese aufgrund der Fürsorgepflicht in die Zuständigkeit des Arbeitgebers.

Hat ein Arbeitnehmer einen speziellen Anspruch auf eine Impfung aufgrund der „Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge“ (hier sieht § 6 Abs. 2 vor, dass Impfungen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind) und werden diese aufgrund eines Auslandsaufenthaltes erforderlich, kommt hierfür keine Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung in Frage. Zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung kann daher nur eine Impfung aufgrund einer beruflichen Indikation erfolgen, wenn ein Personenkreis nicht in Spalte 3 der Anlage 1 der SI-RL aufgeführt ist.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kostenübernahme von Impfleistungen kann sich durch folgende Gesetze, Verordnungen oder Grundsätzen ergeben:

  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Dies ist dann der Fall, wenn die Schutzimpfung aufgrund einer individuellen Gefährdungsbeurteilung erforderlich wird.
  • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV): Impfungen sind Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge und den Beschäftigten anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist.
  • Biostoffverordnung (BioStoffV): Dies ist dann der Fall, wenn eine Tätigkeit nach der BioStoffV ausgeübt wird und der Beschäftigte dabei einem erhöhten Infektionsrisiko durch biologische Arbeitsstoffe (z. B. Zellkulturen oder Blut) ausgesetzt ist.
  • Berufsgenossenschaftliche Grundsätzen: In diesen Grundsätzen ist festgelegt, in welchen Fällen ein Beschäftigter einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist.

Klassische Beispiele, in denen Arbeitgeber zur Impfung verpflichtet sind, sind die Impfungen zum Schutz gegen Hepatitis B für medizinisches und zahnmedizinisches Personal oder zum Schutz gegen Tollwut für Jäger.

Impfschaden löst Versorgungsansprüche aus

Kommt es zu einem Impfschaden bei Personen, die eine gesetzlich vorgeschriebene, öffentlich empfohlene oder gesetzlich angeordnete Schutzimpfung verabreicht bekommen haben, bestehen nach § 60 IfSG auf Antrag Versorgungsansprüche. Hier sind die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) maßgebend.

Der Antrag für die Versorgungsansprüche muss bei der zuständigen Behörde gestellt werden; dies ist im Regelfall das örtliche Versorgungsamt.

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