Kurzzeitpflege von der GKV nach § 39c SGB V

Am 01.01.2016 ist mit dem § 39c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine neue Rechtsvorschrift in Kraft getreten, welche für Versicherte einen Leistungsanspruch auf Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung regelt. Die Rechtsvorschrift wurde im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes (kurz: KHSG) eingeführt. Sinn und Zweck der völlig neuen Rechtsvorschrift ist, dass Versicherte eine erforderliche Kurzzeitpflege erhalten, wenn keine Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung realisiert werden können, z. B. weil der aktuelle Hilfebedarf nicht über eine Dauer von mindestens sechs Monate besteht und es damit zu keiner Einstufung in eine Pflegestufe bzw. ab 01.01.2017 in einen Pflegegrad kommt.

Die Leistung der Kurzzeitpflege über die Gesetzliche Krankenversicherung folgt den Regelungen bzw. der Konstruktion der Kurzzeitpflege über die Soziale Pflegeversicherung. Damit handelt es sich für die Versicherten um einen Teilleistungsanspruch. Eine finanzielle Eigenverantwortung der Versicherten ist entsprechend der Gesetzesbegründung in diesem Bereich sachgerecht.

Der Gesetzestext des § 39c SGB V

Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit

Reichen Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 1a bei schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, nicht aus, erbringt die Krankenkasse die erforderliche Kurzzeitpflege entsprechend § 42 des Elften Buches für eine Übergangszeit, wenn keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches festgestellt ist. Im Hinblick auf die Leistungsdauer und die Leistungshöhe gilt § 42 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Elften Buches entsprechend. Die Leistung kann in zugelassenen Einrichtungen nach dem Elften Buch oder in anderen geeigneten Einrichtungen erbracht werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt über das Bundesministerium für Gesundheit dem Deutschen Bundestag bis Ende des Jahres 2018 einen Bericht vor, in dem die Erfahrungen mit der Einführung eines Anspruchs auf Leistungen nach dieser Vorschrift wiedergegeben werden.

Die neue Leistung der Kurzzeitpflege soll entsprechend der Gesetzesbegründung nur dann in Betracht kommen, wenn der spezielle Bedarf der Versicherten bei schwerer Krankheit oder akuter Verschlimmerung einer Krankheit nicht im erforderlichen Maße abdecken kann. Insbesondere kommen hier Situationen nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung oder nach einer ambulanten Operation in Frage.

Ein Anspruch auf die Kurzzeitpflege besteht nur dann, wenn ein Bedarf an grundpflegerischer und hauswirtschaftlicher Versorgung besteht und die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht ausreichend sind. Zudem darf keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) in einem Umfang vorliegen, der die Einstufung in mindestens den Pflegegrad 2 rechtfertigt; wäre dies der Fall, ist dies ein Ausschlussgrund für die Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V bei Pflegegrad 1

Seit dem 01.01.2017 gibt es in der Sozialen Pflegeversicherung den Pflegegrad 1. Dieser wurde im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) eingeführt und ermöglicht für die Versicherten einen niedrigschwelligen Zugang zu den Pflegeleistungen. Sinn und Zweck des Pflegegrades 1 und dem damit verbundenen Leistungsanspruch ist, dass die betroffenen Versicherten möglichst lange noch die vorhandenen Fähigkeiten und Selbstständigkeiten erhalten können.

Auf bestimmte Leistungen besteht im Pflegegrad 1 jedoch kein Anspruch. Hierzu zählen beispielsweise die Leistungen „Pflegegeld“, „Pflegesachleistung“ und auch die „Kurzzeitpflege“. Das bedeutet, dass das Vorliegen des Pflegegrades 1 für einen Versicherten kein Ausschlussgrund ist, dass die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V beansprucht werden kann.

Anspruch entsprechend Kurzzeitpflege der Pflegeversicherung

Der Anspruch auf die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V wird an den Anspruch auf Kurzzeitpflege durch die Soziale Pflegeversicherung nach § 42 SGB XI angelehnt. Das bedeutet, dass ein Anspruch auf die Kurzzeitpflege zu Lasten der Krankenversicherung für

  • höchstens 56 Tage (acht Wochen) und
  • einen maximalen Leistungsbetrag von 1.774,00 Euro (bis 31.12.2021: 1.612,00 Euro)

besteht. Die Vorschriften zur Berücksichtigung bzw. Anrechnung der Verhinderungspflege nach § 42 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 finden keine Anwendung.

Seit Einführung der Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung lag der jährliche maximale Leistungsbetrag bei 1.612,00 Euro. Durch das Gesundheits­versorgungs­weiterentwicklungs­gesetz (GVWG) wurde der Leistungsbetrag nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB XI (Kurzzeitpflege zu Lasten der Sozialen Pflegeversicherung) für die Zeit ab 01.01.2022 auf 1.774,00 Euro jährlich erhöht. Da § 39c Satz 2 SGB V auf den Leistungsbetrag nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB XI verweist, kommt es auch zu einer Erhöhung des Leistungsbetrages der Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Anspruch auf die Kurzzeitpflege entsteht mit jedem Kalenderjahr, also am 01.01. eines Jahres, neu. Damit kann innerhalb eines Jahres insgesamt für maximal acht Wochen Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V gewährt werden.

§ 39c SGB V beschreibt, dass ein Anspruch auf die Kurzzeitpflege wegen einer „schweren Krankheit oder wegen einer akuten Verschlimmerung einer Krankheit“ besteht. Was unter einer „schweren Krankheit“ und einer „akuten Verschlimmerung einer Krankheit“ zu verstehen ist, wird weder im Gesetzestext selbst noch in der Gesetzesbegrünung näher erläutert. Wie unter Punkt 3.2.1 des „Gemeinsamen Rundschreibens vom 20.06.2016 zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des Krankenhausstrukturgesetzes“ ausgeführt wird, können die Anforderungen an die Krankheit nicht isoliert betrachtet werden. Diese sind in der Gesamtbetrachtung nur mit weiteren gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen zu bewerten.

Ein Leistungsanspruch kann danach insbesondere in Folge einer stationären Krankenhausbehandlung, einer ambulanten Operation oder ambulanten Krankenhausbehandlung nach der Entlassung/Behandlung bestehen, wenn der Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung auch unter Hinzuziehung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V nicht anderweitig abgedeckt werden kann. Auch vergleichbare Fallkonstellationen, z. B. eine ambulante onkologische Chemotherapie, können einen Leistungsanspruch rechtfertigen.

Die Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn andere Leistungsansprüche den speziellen Bedarf des Versicherten nicht im erforderlichen Maße abdecken.

Im Haushalt lebende Person

Bei der Beurteilung des Leistungsanspruchs nach § 39c SGB V muss berücksichtigt werden, ob die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V nicht ausreichend sind. Die Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden wiederum nur dann gewährt, wenn im Haushalt keine Person lebt, die die Leistungen erbringen kann. Lebt im Haushalt eine Person, die die Leistungen erbringen kann, sind die Leistungen der Kurzzeitpflege nachrangig und damit wäre kein Leistungsanspruch nach § 39c SGB V gegeben.

Leistungsinhalt der Kurzzeitpflege

Da sich die Kurzzeitpflege der Krankenversicherung nach der Kurzzeitpflege der Pflegeversicherung richtet, umfassen die Leistungen die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

Zugleich besteht ein Anspruch auf den Zuschlag nach § 43b SGB XI, der in die Leistungszuständigkeit der Sozialen Pflegeversicherung fällt. Dieser Zuschlag wird für Versicherte in stationären Pflegeeinrichtungen – und damit auch in Kurzzeitpflegeinrichtungen – für eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung des Pflegebedürftigen gewährt. Der Anspruch auf den Zuschlag nach § 43b SGB XI besteht auch für Versicherte im Pflegegrad 1, die den Anspruch auf Kurzzeitpflege gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung realisieren können.

Kurzzeitpflegeeinrichtungen

Die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V kann in zugelassenen Einrichtungen nach dem SGB XI oder in anderen geeigneten Einrichtungen erbracht werden.

Fahrkosten zur Kurzzeitpflege

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten, wenn diese im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderlich ist.

Da die Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V bei einer akuten Krankheit oder einer akuten Verschlimmerung einer Krankheit gewährt werden und es sich um eine stationäre, von der Krankenversicherung zur Verfügung gestellten Leistung handelt, besteht auch ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme. Nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall orientiert sich, welches Fahrzeug benutzt werden kann.

Rückwirkende Anerkennung von Pflegebedürftigkeit

Das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI ist ein Ausschlusstatbestand für die Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Wird für einen Versicherten, für den bereits Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V erbracht wurden, rückwirkend Pflegebedürftigkeit festgestellt, endet ab dem Tag, ab dem die Pflegebedürftigkeit vorliegt, der Leistungsanspruch auf die Kurzzeitpflege zu Lasten der GKV. Sollte für den zurückliegenden Zeitraum bereits die Kurzzeitpflege gewährt worden sein, hat die Krankenkasse entsprechend §§ 102 ff. SGB X einen Erstattungsanspruch gegenüber der Pflegekasse.

Abgrenzung zu anderen Leistungen

Abgrenzung zur häuslichen Krankenpflege

Die Leistungen der Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V können nur dann gewährt werden, wenn die Leistungen der häuslichen Krankenpflege (nach § 37 Abs. 1a SGB V) nicht ausreichend sind, damit der Versicherte in der Häuslichkeit verbleiben kann. Daher schließlich sich die Leistungen der Kurzzeitpflege und der häuslichen Krankenpflege gegenseitig aus und können daher auch nicht parallel in Anspruch genommen werden.

Da sich die Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung an die Kurzzeitpflege der Sozialen Pflegeversicherung anlehnt, werden im Rahmen dieser Leistung die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernommen. Damit ist der Anspruch auf Behandlungspflege für Zeiträume ausgeschlossen, wenn Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V geleistet wird.

Abgrenzung zur Haushaltshilfe

Anspruchsvoraussetzung für die Kurzzeitpflege nach § 39c SGB V ist ein grundpflegerischer und ein hauswirtschaftlicher Versorgungsbedarf, welcher nicht durch die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V abgedeckt werden kann. Sollte ausschließlich ein Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung bestehen, ist kein Leistungsanspruch nach § 39c SGB V gegeben. Hier können gegebenenfalls die Leistungen der Haushaltshilfe nach § 38 Abs. 1 Satz 3 bzw. 4 SGB V in Betracht kommen.

Sollten die Leistungsvoraussetzungen der Kurzzeitpflege erfüllt werden und besteht aufgrund eines im Haushalt lebenden Kindes ein weiterer Bedarf für dessen Betreuung und Versorgung, kann neben dem Anspruch auf Kurzzeitpflege auch Haushaltshilfe – zur Sicherstellung der Versorgung und Betreuung des Kindes – gewährt werden.

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