Der Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des nachgehenden Leistungsanspruchs

Der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung sieht die Entgeltersatzleistung „Krankengeld“ vor. Damit ein grundsätzlicher Anspruch auf die Leistung gegeben ist, ist eine essenzielle Voraussetzung, dass auch ein Mitgliedschaftsverhältnis bei der gesetzlichen Krankenkasse besteht. Das heißt, dass mit einem Mitgliedschaftsende grundsätzlich auch die Leistungsansprüche enden und damit auch kein Krankengeldanspruch mehr realisiert werden kann.

Die Rechtsvorschrift des § 19 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sieht einen sogenannten nachgehenden Leistungsanspruch vor. Im Rahmen dieses nachgehenden Leistungsanspruchs kann in bestimmten Fällen auch noch ein Anspruch auf Krankengeld realisiert werden.

Im Gemeinsamen Rundschreiben zum Krankengeld nach § 44 SGB V des GKV-Spitzenverbandes wird unter Punkt 2.1.1.1.8 Näheres zum Anspruch auf Krankengeld im Rahmen des § 19 SGB V geregelt.

Allgemeines zum nachgehenden Leistungsanspruch

Der nachgehende Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V sieht vor, dass nach dem Ende der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger noch ein Anspruch auf Leistungen für längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft besteht, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Eine Familienversicherung – also eine Versicherung nach § 10 SGB V – ist vorrangig. Das bedeutet, dass eine Leistung im Rahmen des § 19 SGB V nicht zum Tragen kommt, wenn der Versicherte die Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt.

Weitere Voraussetzung für einen Leistungsanspruch im Rahmen des § 19 SGB V ist, dass die Lücke zwischen zwei Versicherungsverhältnisse nicht länger als einen Monat ist. Ist die zeitliche Lücke zwischen den zwei Versicherungsverhältnissen länger als einen Monat, kommt eine Versicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V – hierbei handelt es sich um die obligatorische Anschlussversicherung – zum Tragen. Diese Versicherung beinhaltet keinen Anspruch auf Krankengeld.

Krankengeldanspruch im Rahmen des § 19 SGB V

Erfährt die zuständige Krankenkasse vor Ablauf der einmonatigen Frist des nachgehenden Leistungsanspruchs von einem möglichen Anspruch auf Krankengeld, muss eine Prognose erstellt werden. Die Prognose hat zum Inhalt, ob spätestens nach Ablauf der Monatsfrist der Versicherte eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangt. Ist dies der Fall und es besteht auch kein Anspruch auf Familienversicherung (s. unten), besteht ein Anspruch auf Krankengeld.

Sollte innerhalb der Monatsfrist keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangt werden, kommt die obligatorische Anschlussversicherung oder die Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum Tragen, was einen Anspruch auf Krankengeld ausschließt.

Sollte die Prognose, mit der die versicherungsrechtliche Beurteilung vorgenommen wurde, tatsächlich nicht eintreten, verbleibt es dennoch bei der ursprünglichen Beurteilung. Es findet keine rückwirkende Korrektur des Versicherungsverhältnisses statt. Ab dem Zeitpunkt der geänderten Prognose erfolgt eine zukunftsbezogene Umstellung.

Sofern sich die Prognose aufgrund einer ärztlichen Feststellung ändert, gilt als Umstellungszeitpunkt der Zeitpunkt dieser ärztlichen Feststellung. Die Umstellung erfolgt mit dem Folgetag der ärztlichen Feststellung.

Beispiel:

Das Beschäftigungsverhältnis und damit die Mitgliedschaft eines Versicherten endet am 30.06. Am 05.07. tritt eine Arbeitsunfähigkeit ein. Im Rahmen der Prognoseentscheidung kommt die Krankenkasse zu dem Ergebnis, dass der nachgehende Leistungsanspruch nach § 19 SGB V besteht, da am 01.08. wieder ein Beschäftigungsverhältnis aufgenommen werden soll. Einen Anspruch auf eine Familienversicherung hat der Versicherte nicht.

Der behandelnde Arzt stellt am 25.07. fest, dass die Arbeitsunfähigkeit doch länger dauert als ursprünglich angenommen und bestätigt eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis vorerst 15.08.

Konsequenz:

Da innerhalb der Monatsfrist aufgrund der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit kein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen wird, stellt sich die Prognoseentscheidung im Nachhinein als unzutreffend dar. Es erfolgt eine Umstellung ab dem 26.07. (Folgetag der ärztlichen Bestätigung). Beim Anspruch auf Krankengeld, der aufgrund der Prognoseentscheidung bis 25.07. gegeben war, verbleibt es jedoch.

Ausschluss bei Anspruch auf Familienversicherung

Hat ein Versicherter nach dem Ende einer Mitgliedschaft einen Anspruch auf eine Familienversicherung nach § 10 SGB V, können nur noch aus diesem Versicherungsverhältnis Ansprüche abgeleitet werden. Das heißt, dass die Familienversicherung Vorrang vor einen nachgehenden Leistungsanspruch hat, vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Da der Leistungsanspruch auf Krankengeld nicht bei einer Familienversicherung inkludiert ist, kann in diesen Fällen kein Krankengeld geleistet werden.

Beispiel:

Ein Beschäftigter scheidet zum 31.03. aus seinem Beschäftigungsverhältnis (Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt, welche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V krankenversicherungspflichtig ist) aus. Damit endet mit dem 31.03. auch die Mitgliedschaft bei der Krankenasse.

  • Variante A: Der Beschäftigte ist nicht verheiratet und hat damit auch keinen Anspruch auf eine Familienversicherung. Eine neue Arbeitsaufnahme ist erst mit dem 01.05. geplant.
  • Variante B: Der Beschäftigte ist verheiratet. Ab dem 01.04. liegen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung bei der Ehefrau vor.

Konsequenz:

Bei Variante A hat der Versicherte einen Anspruch auf Krankengeld, da die zeitliche Lücke zwischen den zwei Mitgliedschaftsverhältnissen einen Monat nicht überschreitet und damit ein nachgehender Leistungsanspruch zum Tragen kommt.

Bei Variante B besteht ab dem 01.04. ein Anspruch auf eine Familienversicherung, aus der kein Krankengeldanspruch abgeleitet werden kann.

Dass die Unterscheidung hinsichtlich des Krankengeldanspruchs danach zu unterscheiden ist, ob ein Anspruch auf eine Familienversicherung besteht oder nicht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bereits im Jahr 2007 hatte das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 02.01.2027, Az. L 4 KR 290/06) bestätigt. Dass bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Familienversicherung ein Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen ist, ist keine Benachteiligung gegenüber den Versicherten, die einen nachgehenden Leistungsanspruch auf damit einen Krankengeldanspruch realisieren können. Laut den Richtern des Bayerischen Landessozialgericht werden die Grundrechte durch diese Regelung nicht verletzt und es liegt auch kein finanzieller Nachteil durch die Nicht-Zahlung des Krankengeldes vor. Der finanzielle Nachteil wird durch den zeitlich unbefristeten Anspruch auf eine Krankenbehandlung ausgeglichen, welcher im Rahmen einer Familienversicherung besteht.

Ausschluss bei obligatorischer Anschlussversicherung

Die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V und auch die Auffang-Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V schließen sich zeitlich immer lückenlos an die letzte Versicherungspflicht an. Das bedeutet, dass der Anspruch auf das Krankengeld ausgeschlossen ist, wenn im Rahmen der Prognoseentscheidung zu § 19 SGB V der nachgehende Leistungsanspruch und damit der Anspruch auf Krankengeld verneint wird.

Beispiel:

Bei einem Versicherten endet das Beschäftigungsverhältnis und damit die Mitgliedschaft zum 31.07. Der Versicherte erhält im August und September noch eine Entlassungsentschädigung. Mit einer neuen Mitgliedschaft aufgrund einer Beschäftigung oder aufgrund von Bezug von Arbeitslosengeld ist erst ab dem 01.10. zu rechnen.

Am 05.08. tritt Arbeitsunfähigkeit ein.

Konsequenz:

Im Rahmen der Prognose muss die Krankenkasse zu dem Ergebnis kommen, dass der nachgehende Leistungsanspruch nicht zum Tragen kommt, da die Lücke zwischen den zwei Versicherungsverhältnissen einen Monat überschreitet. Damit tritt die obligatorische Anschlussversicherung ab dem 01.08. ein. Da die obligatorische Anschlussversicherung keinen Krankengeldanspruch beinhaltet, kann aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ab 05.08. kein Krankengeld realisiert werden.

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