Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen für Pflegebedürftige

Mit § 22a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wird für Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung, die einem Pflegegrad nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugeordnet sind, ein Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen begründet.

Ebenfalls wird Menschen mit Behinderungen dieser Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen gegeben. Konkret wird dieser Personenkreis mit „Versicherte, die in der Eingliederungshilfe nach § 99 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) leistungsberechtigt sind“ bezeichnet.

Mit dem Anspruch auf Verhütung von Zahnerkrankungen können die genannten gesetzlich krankenversicherten Personenkreise individualprophylaktische Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen.

Hintergrund und Historie

Die Rechtsvorschrift des § 22a SGB V wurde mit dem „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ („GKV-Versorgungsstärkungsgesetz“ bzw. „GKV-VSG“) - Bundesgesetzblatt Teil I, Jahrgang 2015, Nr. 30 vom 22.07.2015 – am 23.07.2015 eingeführt.

Der Gesetzgeber hat für Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz – ähnlich wie bei Kindern und Jugendlichen, für die ein Anspruch auf die Individualprophylaxe besteht – einen besonderen Bedarf an individualprophylaktischen Leistungen gesehen. Daher wurde genau für diesen Personenkreis mit § 22a SGB V ein eigener Leistungsanspruch für die Verhütung von Zahnerkrankungen geschaffen. Dies erfolgte auch vor dem Hintergrund, dass bei diesem Personenkreis die Mundgesundheit schlechter ist als bei der übrigen Bevölkerung.

Als Grund für die schlechte Mundgesundheit wurde festgehalten, dass die Betroffenen meist nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, Vorkehrungen für den Erhalt der Mundgesundheit zu treffen bzw. die erforderliche tägliche Mundpflege adäquat durchzuführen.

Mit der Einführung der Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen nach § 22a SGB V hat der Gesetzgeber (ab dem Jahr 2016) mit Mehrausgaben von etwa 50 Millionen Euro für die Gesetzliche Krankenversicherung kalkuliert. Die Einsparungen, welche durch eine verbesserte Mundgesundheit des betroffenen Personenkreises entsteht, konnten hingegen nicht beziffert werden.

Mit den Leistungen nach § 22a SGB V hat der Gesetzgeber die individualprophylaktischen Leistungen wieder auf weitere Personenkreise ausgedehnt, nachdem ab dem 01.01.2000 die Individualprophylaxe für (alle) Erwachsene aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung herausgenommen wurde. Als Begründung für die Herausnahme des bis 31.12.1999 für alle Versicherten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr bestehenden Leistungsanspruchs auf Individualprophylaxe wurde damals angegeben, dass für die Aufrechterhaltung der Zahngesundheit Erwachsene eigenverantwortlich zuständig sind.

Voraussetzung „Pflegegrad“

Ein Versicherter ist im Sinne des § 22a SGB V dann pflegebedürftig, wenn durch die Soziale Pflegeversicherung die Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde. Der Versicherte muss also einem der Pflegegrade 1 bis 5 zugeordnet sein.

Pflegebedürftig ist ein Versicherter in diesem Sinne bereits dann, wenn der Pflegegrad 1 bestätigt ist. Der (besondere) Pflegegrad 1 sieht in der Sozialen Pflegeversicherung nur einen eingeschränkten Leistungsumfang vor; die Leistungen zielen darauf ab, dass ein Versicherter mit noch geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten Hilfestellung bekommt, mit denen die Selbstständigkeit und der Verbleib in der eigenen häuslichen Umgebung noch möglichst lange möglich ist.

Der Pflegegrad 1 wird dann bewilligt, wenn im Rahmen der Begutachtung 12,5 Punkte (von insgesamt 100 Punkten) bestätigt werden.

Voraussetzung „Eingliederungshilfe nach § 99 SGB IX“

Als zweiter Personenkreis, der einen Anspruch auf zusätzliche zahnärztliche Leistungen nach § 22a SGB V hat, gelten Versicherte, die in der Eingliederungshilfe nach § 99 SGB IX leistungsberechtigt sind. Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 99 Abs. 1 SGB IX Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 90 erfüllt werden kann.

Der Leistungsinhalt

Die Leistungen, welche im Rahmen der Leistung nach § 22a SGB V in Anspruch genommen werden können, beinhalten die Erhebung des Mundgesundheitsstatus, die Empfehlungen mittels eines individuellen Mundgesundheitsplans, die Aufklärung zur Mundgesundheit und die Entfernung von Zahnstein.

Bevor die Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen durchgeführt werden, soll eine eingehende Untersuchung auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten erfolgt sein.

Erhebung des Mundgesundheitsstatus

Im Rahmen der Erhebung des Mundgesundheitsstatus – was einmal je Kalenderhalbjahr erfolgt – wird der Pflegezustand der Zähne, des Zahnfleisches, der Mundschleimhäute und des Zahnersatzes beurteilt.

Aufgrund des erhobenen Mundgesundheitsstatus wird der individuelle bzw. persönliche Mundgesundheitsplan erstellt.

Individueller Mundgesundheitsplan

Der Mundgesundheitsplan wird einmal je Kalenderhalbjahr vom Zahnarzt erstellt. Gegebenenfalls wird dieser auch angepasst. Hierbei werden auch die Angaben der Versicherten und der Pflege- und Unterstützungspersonen mitberücksichtigt.

Unter anderem umfasst der Mundgesundheitsplan die folgenden Punkte:

  • Empfohlene Maßnahmen und Mittel zur Förderung der Mundgesundheit. Dies beinhaltet auch Empfehlungen zur täglichen Mund- und/oder Prothesenhygiene, der zahngesunden Ernährung, Fluoridanwendung und Verhinderung/Linderung der Mundtrockenheit.
  • Hinweis, ob die empfohlenen Maßnahmen vom Versicherten selbst oder nur mit Unterstützung der Pflegepersonen bzw. Unterstützungspersonen durchgeführt werden können.
  • Frequenz, in der die empfohlenen Maßnahmen durchgeführt werden sollten.
  • Ggf. muss in den Mundgesundheitsplan die erforderliche Notwendigkeit von Rücksprachen mit weiteren an der Behandlung Beteiligten und zum Ort der Behandlung aufgenommen werden.

Aufklärung zur Mundgesundheit

Im Rahmen der Aufklärung zur Mundgesundheit, welche einmal je Kalenderhalbjahr durchgeführt werden kann und für die Versicherten und ggf. deren Pflege- und Unterstützungspersonen verständlich sein soll, werden Informationen zu den im Gesundheitsplan empfohlenen Maßnahmen und Mitteln gegeben.

Darüber hinaus wird eine praktische Anleitung zur Reinigung der Zähne, des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut und – sofern vorhanden – zum festsitzenden Zahnersatz gegeben. Auch die Prothesenreinigung und die Prothesenhandhabung wird gezeigt.

Zusätzlich werden praktische Umsetzungsempfehlungen für den persönlichen Alltag für die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen gegeben.

Entfernung von Zahnstein

Die harten Zahnbeläge (Zahnstein) werden einmal je Kalenderhalbjahr entfernt.

Ort der Leistungserbringung

Die Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung werden grundsätzlich in der Zahnarztpraxis erbracht. Sollte eine eingeschränkte Mobilität beim Versicherten bestehen, können die Leistungen auch in der Pflegeeinrichtung oder im häuslichen Umfeld erbracht werden, sofern keine zahnmedizinischen Gründe dagegensprechen.

Sollte es vom Versicherten gewünscht werden, können die Pflege- bzw. Unterstützungspersonen bei der Erstellung des Mundgesundheitsplans und in die Mundgesundheitsaufklärung einbezogen werden.

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