Die Kostenerstattung in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung werden als Sach-, Dienst oder Geldleistung zur Verfügung gestellt. Die Versicherten erhalten die Leistungen grundsätzlich als Sachleistung. Das bedeutet, dass die Krankenkassen mit den Leistungserbringern entsprechende Verträge abschließen und die Kosten dann direkt mit der Krankenkasse abgerechnet werden.

Eine Erstattung der Kosten für Leistungen, die sich der Versicherte selbst besorgt hat, ist nur in Ausnahmefällen, welche gesetzlich geregelt sind, möglich. Die entsprechende Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), welche vorschreibt, dass eine Kostenerstattung nur erfolgen darf, soweit es das SGB V oder das SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) vorsieht.

Folgend sind die Varianten beschrieben, in welchen Fällen eine Kostenerstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung in Frage kommen kann.

Wahlrecht

§ 13 Abs. 2 SGB V räumt Versicherten das Wahlrecht ein, anstelle der Sach- oder Dienstleistungen die Kostenerstattung zu wählen. Die Krankenkasse muss hierüber vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis gesetzt werden. Das Wahlrecht gilt für alle Versicherte und ist damit unabhängig vom Versicherungsstatus (Pflichtmitglied, freiwilliges Mitglied, Familienversicherter); das Wahlrecht wurde mit Wirkung ab 01.04.2007 auf alle Versicherten ausgedehnt.

Macht ein Versicherter von dem Wahlrecht der Kostenerstattung Gebrauch, müssen im Vorfeld die Kosten verauslagt werden. Im Anschluss erfolgt dann die Kostenerstattung durch die zuständige Krankenkasse, wobei bei der Berechnung des Erstattungsbetrages ausreichende Abschläge für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen in Abzug gebracht werden.

Im Rahmen der Kostenerstattung, welche im Rahmen des Wahlrechts erfolgt, können auch die Kosten für Nicht-Vertragsleistungserbringer erstattet werden. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass die Krankenkassen hierfür im Voraus ihre Zustimmung erteilt und der Leistungserbringer eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet. Zugleich müssen medizinische oder soziale Gründe die Inanspruchnahme der Nicht-Vertragsleistungserbringer rechtfertigen.

Entscheidet sich ein Versicherter für die Kostenerstattung, steht dieser bei Inanspruchnahme von Leistungen mit dem Leistungserbringer in einer privaten Rechtsbeziehung. Das heißt, dass dann wie bei Privatpatienten mit dem Leistungserbringer ein Behandlungsvertrag geschlossen wird. In diesem Fall ist hervorzuheben, dass in diesem Fall der Leistungserbringer für die privatärztliche Behandlung deutlich höhere Honorarsätze (nach der Gebührenordnung für Ärzte/Zahnärzte) abrechnen kann, welche die zuständige gesetzliche Krankenkasse nicht in voller Höhe erstattet.

Möchte ein Versicherter die Kostenerstattung wählen, hat der Leistungserbringer den Versicherten hierüber zu informieren. Die früher bestandene Beratungsverpflichtung und Beratungsnotwendigkeit ist mit Wirkung ab 01.04.2007 auf die Leistungserbringer in Form einer Informationspflicht übergegangen. Der Versicherte muss dem Leistungserbringer schriftlich bestätigen, dass die Information bzw. Beratung über die Konsequenzen der Wahl einer Kostenerstattung erfolgt ist.

Wählt ein Versicherter die Kostenerstattung, muss diese nicht für sämtliche Leistungsbereiche der GKV gelten. Die Wahl kann auf bestimmte Bereiche begrenzt werden. So ist die Begrenzung auf die folgenden Bereiche, für die die Kostenerstattung gewählt wird, möglich:

  • ambulante ärztliche oder zahnärztliche Behandlung
  • stationärer Bereich
  • veranlasste – verordnete – Leistungen

Innerhalb dieser genannten Bereiche kann allerdings nicht mehr differenziert werden. Wird beispielsweise die Kostenerstattung für den Bereich „ambulante ärztliche oder zahnärztliche Behandlung“ gewählt, erstreckt sich diese vollumfänglich auf diesen Bereich. Es kann nicht danach differenziert werden, die Kostenerstattung beispielsweise nur für die hausärztliche oder allgemeinärztliche Versorgung zu wählen und die fachärztliche Versorgung auszuschließen.

Nimmt ein Versicherter das Wahlrecht der Kostenerstattung in Anspruch, besteht eine Bindungswirkung von mindestens einem Kalendervierteljahr, ein kürzerer Zeitraum für die Kostenerstattung kann nicht gewählt werden.

Unaufschiebbare Leistung

Sofern eine unaufschiebbare Leistung durch die Krankenkasse nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, können die Kosten nach § 13 Abs. 3 SGB V erstattet werden. Die Kosten werden für die selbstbeschaffte Leistung in der Höhe der entstandenen Höhe erstattet, soweit die Leistung notwendig war. Das bedeutet, dass eine Kostenerstattung für die unaufschiebbare Leistung dann erfolgt, wenn diese

  • zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung gehört,
  • aus medizinischen Gründen nicht aufschiebbar war und
  • entweder nicht oder nicht in der gebotenen Zeit erbracht werden kann.

Damit kommt die Kostenerstattung bei Notfällen oder bei Krankenhausbehandlungen vor Bewilligung durch die Krankenkasse in Betracht.

Haben Ärzte oder Zahnärzte in einer Region kollektiv auf ihre Zulassung aus der Versorgung verzichtet, sind auch hier die Kosten für die „unaufschiebbare“ Leistung zu erstatten. Die Erstattungshöhe beläuft sich auf die tatsächlich entstandenen Kosten, welche durch Zuzahlungen und Kosten zu vermindern sind, die bei Inanspruchnahme als Sach- oder Dienstleistung entstanden wären.

Nicht rechtzeitige Erbringung der Leistung

Ob eine Leistung unaufschiebbar war, muss ausschließlich nach medizinischen Gründen beurteilt werden. Eine unaufschiebbare Leistung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Leistung so dringend erforderlich war, dass aus medizinischen Gründen eine Verzögerung nicht mehr vertretbar war.

Eine derartige Dringlichkeit liegt dann vor, wenn vor Inanspruchnahme der Leistung die zuständige Krankenkasse gar nicht mehr kontaktiert werden konnte, wie dies beispielsweise in Notfällen der Fall ist. Ebenfalls liegt die Dringlichkeit vor, wenn die Leistung bei der Krankenkasse schon beantragt wurde, eine Inanspruchnahme jedoch zwingend vor deren Entscheidung erforderlich ist. Bei der Leistung, welche aufgrund der Dringlichkeit beansprucht wird, muss es sich um eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode handeln. Das heißt, dass auch bei Vorliegen einer Dringlichkeit beispielsweise keine Leistungen von der Kostenerstattung erfasst werden, welche nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfen. Wird also eine Leistung bei Vorliegen einer Dringlichkeit beansprucht, die in Anlage II der „Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung“ aufgeführt ist, scheidet eine Kostenübernahme aus.

Leistung zu Unrecht abgelehnt

Sollte die zuständige Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt haben, also eine rechtswidrige Leistungsablehnung vorliegen, ist ebenfalls eine Kostenerstattung möglich. Um aus dieser Fallkonstellation einen Kostenerstattungsanspruch ableiten zu können, muss die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung eingeschaltet worden sein. Das heißt, es muss sich im Nachhinein herausstellen, dass die Ablehnung zu Unrecht erfolgt ist.

Verspätete Entscheidung durch Krankenkasse

Ein Leistungsantrag muss nach § 13 Abs. 3a SGB V durch die zuständige Krankenkasse innerhalb von drei Wochen entschieden werden. Sollte eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MD) erforderlich sein, verlängert sich die Frist auf fünf Wochen. Bei einer zahnärztlichen Versorgung verlängert sich die Frist auf sechs Wochen, wenn bei einer zahnärztlichen Leistung ein Gutachterverfahren eingeleitet und durchgeführt wird. Näheres hierzu unter: Fiktive Leistungsgenehmigung von Kassenleistungen

Entscheidet die Krankenkasse nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen und nennt hierfür keine hinreichenden Gründe für das Nicht-Einhalten der Frist, gilt die Leistung als genehmigt. In diesem Fall kann sich nach Fristablauf der Versicherte die Leistung selbst besorgen. Die zuständige Krankenkasse muss dann die hierfür entstandenen Kosten erstatten.

Nimmt ein Versicherter die Leistungen in Anspruch, da eine fiktive Leistungsgenehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V vorliegt, besteht ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe des Sachleistungsanspruchs. Durch die Kostenerstattungsverpflichtung des § 13 Abs. 3a SGB V ergibt sich kein höherer Anspruch auf Kostenerstattung als bei Erbringung der Leistung als Sachleistung.

Umfang der Kostenerstattung

Das Verfahren der Kostenerstattung muss jede Krankenkasse in ihrer Satzung – also dem „Hausgesetz“ der Krankenkasse – regeln. Hierbei müssen vom Erstattungsbetrag ausreichend Abschläge für die Verwaltungskosten und die fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgesehen werden.

Bei der Kostenerstattung müssen auch die gesetzlichen Zuzahlungen berücksichtigt werden, soweit diese bei der in Anspruch genommenen Leistung entstehen (z. B. Zuzahlung für Arzneimittel). Auch Rabatte, die im Rahmen der Arzneimittelversorgung der Krankenkasse gewährt werden (z. B. Apothekerrabatt nach § 130 SGB V, Herstellerrabatt nach § 130a SGB V), sind bei der Berechnung der Kostenerstattung zu berücksichtigen.

Insbesondere muss die Satzung auch die Kostenerstattung regeln, wie diese bei Inanspruchnahme von nicht zugelassenen Leistungserbringern erfolgt und wie der Nachweis des Erstattungsanspruchs zu führen ist.

Grundsätzlich können, vor Abzug der o. g. Abschläge bzw. Zuzahlungen, nur die Kosten zum Ansatz kommen, welche für die notwendigen Leistungen entstanden sind. Das heißt, dass der Versicherte bei der Kostenerstattung so zu stellen ist, als wenn er die erforderlichen Leistungen direkt durch die Krankenkasse im Rahmen der Sachleistung bekommen hätte. Ausgeschlossene Leistungen, wie zum Beispiel von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen Arznei-, Heil- und Hilfsmittel bzw. nicht notwendige Versorgungsformen, die der Versicherte „nur“ wünscht, können beim Erstattungsbetrag nicht berücksichtigt werden.

Mehraufwendungen, welche dem Versicherten durch die nicht unmittelbare Leistungsinanspruchnahme entstanden sind, müssen hingegen von der Krankenkasse getragen werden. Damit kann beispielsweise die Kostenerstattung für die ärztliche Behandlung nicht auf Beträge begrenzt werden, welche der Krankenkasse im Rahmen der Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Versorgung entstanden wären (vgl. Punkt 2.3 zu § 13 SGB V, RdSchr. 88c).

Weitere Möglichkeiten der Kostenerstattung

Versicherungsverhältnis wird rückwirkend festgestellt

Sofern ein Versicherter aus Unkenntnis eines Versicherungsverhältnis bei einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Sach- und Dienstleistungen beansprucht hat, kann eine Kostenerstattung erfolgen, wenn das Versicherungsverhältnis rückwirkend festgestellt wird.

Seltenheitsfall/Singularität des Krankheitsbildes

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 03.07.2012, Az. B 1 KR 25/11 R ebenfalls einen Kostenerstattungsanspruch im sogenannten „Seltenheitsfall“ beschreiben. Ein Seltenheitsfall liegt dann vor, wenn ein Versicherter unter einer Krankheit leidet, die weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb (weder im nationalen noch im internationalen Raum) systematisch nicht erforscht ist und systematisch auch nicht behandelt werden kann (Singularität des Krankheitsbildes).

Bei Vorliegen eines Seltenheitsfalls, an den strenge Maßstäbe gesetzt sind, sind die Kosten der vom Versicherten selbst beschafften Leistung ebenfalls zu erstatten.

Mangel des gesetzlichen Leistungssystems

Liegt ein Mangel des gesetzlichen Leistungssystems vor, muss eine Krankenkasse die Kosten für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode übernehmen. Dieser „Mangel des gesetzlichen Leistungssystems“ liegt dann vor, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen eine Entscheidung zur Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode blockiert oder verzögert. In der Praxis dürften diese Fallkonstellationen – hier spricht man auch vom sogenannten „Systemversagen“ – eine eher untergeordnete Rolle einnehmen, da die Blockade bzw. Verzögerung des G-BA nur schwer nachweisbar sein wird.

Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung

Liegt bei einem Versicherten eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, kommt ebenfalls eine Kostenerstattung für eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in Betracht.

Neben der lebensbedrohlichen Erkrankung muss ohne die Anwendung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in wenigen Wochen eine schwere und irreversible Schädigung zu erwarten sein. Darüber hinaus darf keine Behandlungsmethode zur Verfügung stehen, die dem allgemein anerkannten und medizinischem Standard entspricht. Ebenfalls muss durch die Anwendung der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu erwarten sein.

Weitere Kostenerstattungsmöglichkeiten

Weitere Kostenerstattungsmöglichkeiten ergeben sich bei einer

  • Leistungsinanspruchnahme im Ausland und
  • der Teilkostenerstattung nach § 14 SGB V

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