Häufige Fragen-Antworten zum Zweitmeinungsverfahren
Was versteht man unter „Zweitmeinungsverfahren“?
Zweitmeinungsverfahren im Zusammenhang mit der Gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet, dass die Versicherten bei bestimmten empfohlenen Operationen einen Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung haben. Das heißt, dass der Versicherte einen zweiten, unabhängigen Arzt kontaktieren kann, der sowohl offene Fragen beantwortet als auch die Notwendigkeit der empfohlenen Operation bestätigt bzw. alternative Behandlungsmöglichkeiten aufzeigt.
In welcher Rechtsgrundlage ist die ärztliche Zweitmeinung geregelt?
Der Anspruch auf die ärztliche Zweitmeinung ist in § 27b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt. Ergänzt wird diese Rechtsvorschrift durch die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL). Im Bundesanzeiger ist diese Richtlinie am 07.12.2018 veröffentlicht worden und folglich am 08.12.2018 in Kraft getreten. Die Richtlinie wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Konkretisierung des Zweitmeinungsverfahrens erstellt.
Weshalb wurde das Zweitmeinungsverfahren etabliert?
Das Zweitmeinungsverfahren soll den Betroffenen die Möglichkeit eröffnen, dass empfohlene Operationen/Eingriffe im Vorfeld begründet entschieden werden können. Es sollen offene Fragen geklärt werden können, unter anderem ob es Behandlungsalternativen gibt oder auch eine andere Vorgehensweise möglich ist.
Im Rahmen des Zweitmeinungsverfahrens sollen auch alternative Behandlungsmöglichkeiten erörtert werden.
Bei welchen Diagnosen bzw. empfohlenen Operationen besteht ein Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung?
Ein Anspruch auf die ärztliche Zweitmeinung besteht, wenn der behandelnde Arzt – der sogenannte „Erstmeinungs-Arzt“ – folgende Operationen empfiehlt:
- Eingriff an den Gaumen- und/oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie)
- Eingriff zur Gebärmutterentfernung (Hysterektomie)
- Eingriff zu Arthroskopien am Schultergelenk
- Eingriff zur Implantation einer totalen oder partiellen Knieendoprothese
- Eingriff zu Amputationen an den unteren Extremitäten (in Form von Minor- und Major-Amputationen)
- Eingriffe an der Wirbelsäule
- Implantation von Herzschrittmachern und Defibrillatoren
- Eingriff zur Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie)
- Eingriffe bei Aortenaneurysmen
- Eingriffe zum Hüftgelenkersatz (voraussichtlich ab 01.07.2024)
Sollte in diesen Bereichen ein Eingriff aufgrund einer malignen Erkrankung, z. B. aufgrund einer Tumorerkrankung, erforderlich werden, ist der Anspruch auf die ärztliche Zweitmeinung jedoch ausgeschlossen. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass der Behandlungsablauf durch das Zweitmeinungsverfahren nicht verzögert wird.
Besteht die Pflicht, dass eine Zweitmeinung eingeholt wird?
Das Zweitmeinungsverfahren ist für die Betroffenen nur eine Option. Das heißt, dass die ärztliche Zweitmeinung nicht eingeholt werden muss. Vertrauen Patienten/Versicherte dem Erstmeinungs-Arzt, dann muss auch keine ärztliche Zweitmeinung eingeholt werden.
Wie erfahren Versicherte davon, dass ein Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung besteht?
Der Arzt, der den Eingriff empfiehlt, für den das Zweitmeinungsverfahren durchgeführt werden kann, muss über diese Möglichkeit bzw. den Anspruch informieren. Der Versicherte/Patient muss dann ausreichend Zeit zur Entscheidung haben, ob die ärztliche Zweitmeinung in Anspruch genommen wird oder nicht. In der Regel muss die Aufklärung über das Zweitmeinungsverfahren daher zehn Tage vor dem geplanten Eingriff erfolgen.
Wie erfährt der Zweitmeiner vom Gesundheitszustand des Versicherten/Patienten?
Der Arzt, der den Eingriff empfiehlt, muss die medizinischen Unterlagen dem Zweitmeiner zur Verfügung stellen. Der Zweitmeiner erhält Abschriften von den Befundunterlagen und den Untersuchungsergebnissen aus der Patientenakte. Ebenfalls erhält der Zweitmeiner Informationen über bereits durchgeführte Behandlungen.
Im Regelfall führt der Zweitmeiner keine weitere Untersuchung durch. Grundlage für die ärztliche Zweitmeinung sind daher die Befundunterlagen und das Gespräch, welches der Zweitmeiner mit dem Versicherten/Patienten führt.
Wer entscheidet, ob der Eingriff tatsächlich durchgeführt wird?
Egal, ob ein Versicherter die ärztliche Zweitmeinung einholt oder nicht – die endgültige Entscheidung, ob der Eingriff erfolgt oder nicht, trifft immer der Versicherte/Patient.
Wie finde ich einen Arzt, der eine ärztliche Zweitmeinung erstellt?
Die Ärzte, die als Zweitmeiner tätig sind, werden auf Informationsplattformen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Landeskrankenhausgesellschaften veröffentlicht. Die Informationsplattformen müssen frei zugänglich sein.
Der für den empfohlenen Eingriff tätige und anerkannte Zweitmeiner kann von den Betroffenen frei gewählt werden.
Wie wird die ärztliche Zweitmeinung finanziert?
Die Kosten, welche durch die ärztliche Zweitmeinung entstehen, wird der Zweitmeiner über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) abrechnen. Das heißt, dass die Leistung als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird und die Kosten nicht im Vorfeld verauslagt und zur Kostenerstattung bei der Krankenkasse geltend gemacht werden müssen.
Ist das Angebot an ärztlichen Zweitmeinungen bei allen Krankenkassen identisch?
Bei den o. g. Eingriffen besteht ein gesetzlicher Anspruch, weshalb in diesen Bereichen das Angebot unabhängig von der zuständigen Krankenkasse besteht.
Die Krankenkassen haben jedoch die Möglichkeit, dass über eine Satzungsregelung bei weiteren Diagnosen bzw. Eingriffen eine ärztliche Zweitmeinung übernommen wird. Denkbar ist beispielsweise ein Angebot auf eine ärztliche Zweitmeinung bei orthopädischen Operationen.